Veröffentlicht am 05.10.2020 08:45

Der aufrechte Apfelpfarrer


Von ha
Helmut Hörger war Ministrant bei Korbinian Aigner, der wegen seines Widerstands ins KZ kam. Hier zeigt er ein Foto des Pfarrers, der am liebsten Äpfel malte. (Foto: Hauck)
Helmut Hörger war Ministrant bei Korbinian Aigner, der wegen seines Widerstands ins KZ kam. Hier zeigt er ein Foto des Pfarrers, der am liebsten Äpfel malte. (Foto: Hauck)
Helmut Hörger war Ministrant bei Korbinian Aigner, der wegen seines Widerstands ins KZ kam. Hier zeigt er ein Foto des Pfarrers, der am liebsten Äpfel malte. (Foto: Hauck)
Helmut Hörger war Ministrant bei Korbinian Aigner, der wegen seines Widerstands ins KZ kam. Hier zeigt er ein Foto des Pfarrers, der am liebsten Äpfel malte. (Foto: Hauck)
Helmut Hörger war Ministrant bei Korbinian Aigner, der wegen seines Widerstands ins KZ kam. Hier zeigt er ein Foto des Pfarrers, der am liebsten Äpfel malte. (Foto: Hauck)

Seine Obstbilder machten ihn weltberühmt. Er beschaffte sich alle ihm bekannten Apfel- und Birnensorten und malte sie ab, so detailgetreu, dass sie jedem Foto an Anschaulichkeit überlegen waren. Immer zwei nebeneinander im Postkartenformat. Die 800 Äpfel und Birnen waren zu Lehrzwecken gedacht, längst gelten sie als Kunst und werden auf Ausstellungen wie der „Documenta“ gezeigt und an Museen aus aller Welt ausgeliehen. Korbinian Aigner ist aber nicht nur als „Apfelpfarrer“ in die Geschichte eingegangen. Sondern auch als furchtloser Kritiker des NS-Regimes. Auf eine bewegende Spurensuche in Aufkirchen begab sich jüngst der „Literarische Herbst“.

Nonnen versteckten ihn

Die Ereignisse führen zurück zu jenen letzten Apriltagen 1945, als der berüchtigte Todesmarsch der Dachauer KZ-Häftlinge durch Aufkirchen getrieben wurde – zum Entsetzen der Dorfbewohner. „Die hiesigen Leute zeigten großes Mitleid und gaben ihnen Labung“, las dazu Dr. Gerd Holzheimer aus einem Bericht des Aufkirchner Karmeliterinnenklosters vor. Auch die Ordensschwestern holten Suppe, Brot und Tee zur Stärkung. Der Elendszug lagerte in einem nahen Waldstück. Unter ihm der Dorfpfarrer Korbinian Aigner (1885-1966). Als sich die SS-Bewacher angesichts der nahenden US-Truppen davon machten, gelang es Aigner zu flüchten und an der Klosterpforte zu läuten. Die Nonnen hielten ihn versteckt, bis zwei Tage später die Amerikaner da waren. Dann schleppte er sich zu Fuß zurück in seine Heimatpfarrei Hohenbercha bei Freising.

Ins Gedächtnis eingebrannt

Die Wiederkehr des beliebten Pfarrers hat sich seinem ehemaligen Ministranten Dr. Helmut Hörger bis zum heutigen Tag ins Gedächtnis eingebrannt. „Wir haben nie geglaubt, dass er zurückkommen wird“, erzählt Hörger, der damals sieben Jahre alt war. „Eines Tages waren wir beim Mittagessen, da kam er plötzlich völlig ausgemergelt und ausgehungert herein.“ Alle seien überfordert und eingeschüchtert da gesessen. Doch Aigner habe die schwierige Situation trotz seines Schwächezustands mit einem vertrauten Späßchen gemeistert. „Wo ist der Hase?“ zog er den Buben ganz wie früher auf, worauf alle befreit zu lachen angefangen hätten.

Apfelzucht im KZ

Hörger berichtet auch, wie es damals zur Verhaftung des Dorfpfarrers gekommen war. Schon seit der Machtergreifung hatte Aigner sich geweigert, zu Hitlers Ehren die Glocken zu läuten oder Hakenkreuzfahnen zu segnen und sich so den Unmut der Nationalsozialisten zugezogen. Das misslungene Attentat Elsers 1939 im Bürgerbräukeller hatte er vor seiner Religionsklasse so kommentiert : „Ich weiß nicht, ob das Sünde ist, was der Attentäter im Sinn hatte. Dann wäre halt vielleicht eine Million Menschen gerettet worden.“ Daraufhin war er von einer Lehrerin denunziert worden. Während seiner Haft in Dachau gelang es ihm, auf einem winzigen Grünstreifen heimlich neue Apfelsorten zu züchten und hinauszuschmuggeln. Der „KZ-3“ wurde später zu Ehren des Züchters Korbiniansapfel“ benannt. „Aber der Name Apfelpfarrer hat ihm nicht gefallen“, so Hörger.

Einziger Gedenkstein

Am Rande des Aufkirchner Friedhofs steht ein Grabstein mit der Inschrift: „Hier liegen 3 Häftlinge aus dem KZ Dachau, erschossen auf dem Todesmarsch am 29.April 1945“. Dazu weiß Ekkehard Knobloch mehr. „Obwohl so viele auf der Strecke zu Tode kamen, ist es das einzige Denkmal auf der Strecke, das dokumentiert, dass Häftlinge erschossen wurden“, sagt der Gautinger Altbürgermeister und Initiator des Todesmarsch-Gedenkens. Sie bekamen ein Grab, aber niemand hätte damals den Versuch gemacht, die drei Toten zu identifizieren. So fanden sie namenlos ihre letzte Ruhe.

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