Veröffentlicht am 20.02.2021 11:16

Der Mann hinter der Maus

Auf diesem Flügel in Assenhausen komponierte Hans Posegga die Maus-Melodie. (Foto: Astrid Posegga)
Auf diesem Flügel in Assenhausen komponierte Hans Posegga die Maus-Melodie. (Foto: Astrid Posegga)
Auf diesem Flügel in Assenhausen komponierte Hans Posegga die Maus-Melodie. (Foto: Astrid Posegga)
Auf diesem Flügel in Assenhausen komponierte Hans Posegga die Maus-Melodie. (Foto: Astrid Posegga)
Auf diesem Flügel in Assenhausen komponierte Hans Posegga die Maus-Melodie. (Foto: Astrid Posegga)

Eine kleine Melodie wurde am Starnberger See geschrieben und hat ihren Komponisten unsterblich gemacht.”Düd-düdedüdü-düdel-dü-dü-dü” ist einer der berühmtesten Titelsongs der Fernsehgeschichte. Wenn die ersten Töne erklingen, weiß jeder sofort: Jetzt kommen die Lach- und Sachgeschichten. 50 Jahre wird die ewig junge „Sendung mit der Maus“ im März alt.

Dass die Maus läuft und läuft und läuft, kann ihr musikalischer Erfinder leider nicht mehr miterleben. Hans Posegga ist 2002 gestorben. Seine Witwe Astrid lebt nach wie vor im Familienhaus im Berger Ortsteil Assenhausen und hat die Entstehungsgeschichte hautnah mitverfolgt.

Hans Posegga

In den 1960er Jahren war Hans Posegga bereits ein preisgekrönter Filmkomponist, bei dem auch das Fernsehen gern anrief, wenn es Sendungen vertont haben wollte. Kinderfernsehen, das war damals ab und zu mal eine halbe Stunde am Nachmittag, mehr durften die Kleinen nicht vor dem großen Röhrengerät sitzen. Märchen, Puppenspiel – es ging gemütlich zu in den deutschen Wohnzimmern. Bis es eines Tages hieß: „Posegga, pass mal auf, jetzt kommt eine neue Serie.“

Den Fernsehmachern vom WDR missfiel die quietschbunte, frisch importierte „Sesamstraße“. „Sie war ihnen zu amerikanisch“, weiß Astrid Posegga. „Deshalb kam die Idee auf, ein deutsches Pendant zu erfinden.“ Die neue und von witzigen Trickfilm-Einspielern unterbrochene Sendung war darauf angelegt, Kindern auf unterhaltsame Weise Wissen zu vermitteln. Die Illustratorin Isolde Schmitt-Menzel kam dann auf den originellen Einfall mit dem „orangenem Kartoffelsack mit Augen“, wie anfangs mal gehöhnt wurde. Trickfilmmacher Friedrich Streich hauchte ihm Leben ein.

Unverwüstliche Melodie

Posegga setzte sich zuhause in Assenhausen an seinen Steinway-Flügel und es dauerte nicht lange, bis er die Noten aufs Papier gebracht hatte. „Er hatte eine unglaubliche Begabung, konnte sehr schnell Bilder in Musik umsetzen.“ Und er war natürlich auch ein Musiker, der sein Handwerk aus dem effeff beherrschte. „Schauen Sie doch einmal genau hin“, sagt seine Witwe. „Die Melodie zur Maus besteht aus der Abfolge A-B-A, das ist die klassische Sonatenform, die ist unverwüstlich.“

Das erste Mal flimmerte die Maus am 7. März 1971 über den Bildschirm. Immer wieder gab‘s in den ersten Jahren Nachjustierungen. Die Zuschauer liefen aber Sturm, als die Fernsehleute die Erkennungsmelodie kippen wollten. „Da kamen ganz viele Beschwerden, wo denn die gewohnte Musik sei“, erinnert sich Astrid Posegga.

Glücklich in Assenhausen

Der 1927 in Berlin geborene Hans Posegga war als Komponist, Pianist und Dirigent ein ungeheuer kreativer Kopf. Die Musik für „Schonzeit für Füchse“ stammt von ihm, ebenso wie die unvergessenen ZDF-Vierteiler „Der Seewolf“, „Lockruf des Goldes“ und „Zwei Jahre Ferien“. Die Filmwelt war es auch, die Astrid Posegga mit ihrem 20 Jahre älteren Mann zusammenbrachte. Die beiden lernten sich auf einer Premiere in Wien kennen, der Heimatstadt der vielbeschäftigten Dolmetscherin und Übersetzerin.

Im kleinen Assenhausen bauten sie sich 1969 ein Familiennest. Man täte Possega sehr unrecht, würde man ihn auf die kurzen Fernsehsongs und Werbejingles reduzieren, auch wenn sie viel Ruhm und gutes Geld einbrachten. Mit einer Ausbildung am Musikkonservatorium gehörte sein Herz der klassischen Musik und ganz besonders den großen Orchesterwerken. Unter anderem schrieb er für den Bayerischen Rundfunk ein Klavierkonzert und für das Kloster Benediktbeuern das Oratorium „Des Lebens Wagen“. Über den kleinen Warngauer Verlag Accolade sind die die Noten seiner Kammermusik immer noch erhältlich.

Tag und Nacht am Klavier

Dass die Familie Posegga seinerzeit ihre Zelte im idyllischen Örtchen Assenhausen aufschlug, hat einen ganz prosaischen Grund. „Er konnte Tag und Nacht Klavier spielen, ohne jemand in der Nachbarschaft zu stören“, erzählt Frau Posegga. Ihr Mann sei ein Frühaufsteher gewesen, der gern schon mal um vier Uhr morgens hinüber ins Studio ging, wenn ihm etwas einfiel. Im Arbeitszimmer mit dem schönen Flügel flogen im Arbeitseifer gern mal die mehrfach bekritzelten Notenpapiere durcheinander – aber nur so lange, bis die Regisseure kamen, um sich die fertigen Kompositionen vorspielen zu lassen.

Schickimicki-Partys und Bilder in der Klatschpresse waren dem glücklich verheirateten Ehepaar nie wichtig. „Hans war immer ein sehr disziplinierter Arbeiter“, sagt die rüstige alte Dame. „Beim Komponieren kann man keine Ablenkung gebrauchen.“ Die Poseggas machten kein großes Gewese um den Erfolg, die Eltern von zwei Töchtern lebten zurückgezogen am Ostufer. Deswegen ist vielen dieser große Musiker gar kein Begriff. Begraben ist Hans Posegga in Aufkirchen. Heute hätte er schon zwei Urenkel. Die beiden sitzen sonntags – wie Millionen andere Kinder auch – vor der „Sendung mit der Maus“. Es wäre ihrem Urgroßvater eine Freude.

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