Veröffentlicht am 15.11.2021 17:04

Hat der „Bunker” Schutz verdient?


Von Johannes Beetz
Fast 2.000 Schüler besuchen das Schulzentrum Fürstenried. (Foto: tab)
Fast 2.000 Schüler besuchen das Schulzentrum Fürstenried. (Foto: tab)
Fast 2.000 Schüler besuchen das Schulzentrum Fürstenried. (Foto: tab)
Fast 2.000 Schüler besuchen das Schulzentrum Fürstenried. (Foto: tab)
Fast 2.000 Schüler besuchen das Schulzentrum Fürstenried. (Foto: tab)

Am 14. Oktober hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege das 1976 fertiggestellte Schulzentrum Fürstenried (mit dem Gymnasium und der Josef-von-Fraunhofer Realschule) als Beispiel für die Architektur des „Brutalismus“ in die bayerische Denkmalschutzliste eingetragen.

Keine Begeisterungsstürme

Der Bezirksausschuss im Münchner Süden (BA 19) fürchtet nun, dass der Denkmalschutz die weitere Modernisierung des „Bunkers“, des Schulzentrums, erschwert (der erste Bauabschnitt mit Erneuerung des Schwimmbads und der Sporthallen wurde heuer abgeschlossen).

„Die notwendige Modernisierung für fast 2.000 Schüler darf nicht am Denkmalschutz scheitern“, fasste BA-Vorsitzender Ludwig Weidinger (CSU) zusammen, „Denkmalschutz darf nicht wichtiger sein als die Bildungschancen der nächsten Generationen von Schülern“. Denkmalschutz heiße für die geplante Sanierung, „dass man nicht alles so machen könne, wie man es gerne würde“. Er habe angesichts des Denkmalschutzes auch bei den Schulen „keine Begeisterungsstürme gesehen“.

Beate Meyer (CSU) erinnerte an die baulichen Mängel wie die undichten Fenster und zugigen Klassenräume, die die Schüler im Unterricht ertragen müssen. Kinder sitzen im Winter in Mänteln im Unterricht, berichtete sie. „Das ist sicher nicht schützenswert. Ich finde es erschreckend, dass man die Belange der Nutzer so übergeht.“

Hannelore Prechtel (SPD) wies auf die geplante Erweiterung der Schulen hin – die Stadt sieht eine Erweiterung um 23 Klassen vor. All diese Schüler hätten dann Probleme.

Nicht unbedingt schön, aber interessant

Peter Sopp (Grüne) warb für eine ausgewogenere Betrachtung: Das Zentrum habe durchaus Denkmalschutzwert, das Gebäude sei relativ interessant – schön müsse man es dennoch nicht finden. „Mir ist es zu trivial, diesen Baustil einfach wegzuwischen“, so Sopp, „man sollte nicht sagen, 'Das ist Schrott, das soll weg'.“ Man könne Denkmalschutz und Bildung kombinieren. Jetzt gelte es zu prüfen, was man als „Dokument der Zeit“ erhalten könne und was nicht.

Der Bezirksausschuss vertagte eine Stellungnahme zum Denkmalschutz für das Schulzentrum. Seine Arbeitsgruppe Bau und Planung soll ein Statement dazu ausarbeiten.

Noch fehlt das „Benehmen”

Das Bayerische Denkmalschutzgesetz verlangt, dass die Unter-Schutz-Stellung von Gebäuden „im Benehmen” mit der betroffenen Gemeinde erfolgt. Dieses Benehmen zwischen Landesamt und Stadt ist beim „Bunker” gegenwärtig noch nicht hergestellt. Was das bedeutet, erklärt das Landesamt für Denkmalpflege so: „Das heißt, das Landesamt setzt die Kommune, in diesem Fall die Landeshauptstadt München, vom Eintragungsverfahren in Kenntnis. Diese hat dann wiederum drei Monate Zeit, fachliche Korrekturen oder Einwände mitzuteilen. Das Landesamt wird diese prüfen und abschließend über die Denkmaleigenschaft entscheiden.” Das verlangte Benehmen ist auch dann hergestellt, wenn die Landeshauptstadt München sich innerhalb der Frist gar nicht äußert.

Sollten die Stadt und das Landesamt sich nicht über den Eintrag in die Denkmalliste einigen, bleibt das Schulzentrum trotzdem ein Baudenkmal - wenn das Landesamtes nach der Prüfung bei seiner Bewertung bleibt.

„Ästhetische Stimulation”

Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege e.V. begründet die Schutzwürdigkeit des Fürstenrieder Schulzentrums so:

Die Architektur des Schulzentrums (Brutalismus) markiert eine Zäsur zur übrigen Architektur der Trabantenstadt, die noch ganz im Stil der 50’ und 60’ger Jahre erbaut wurde (Mehrfamilienhäuser mit Giebeldach, höhere Gebäude mit Flachdächern, pastellfarbener Anstrich, locker in parkähnliche Grünflächen eingebettet). Das Besondere an diesem Schulgebäude ist die ursprüngliche Farbgestaltung, die von Rupprecht Geiger konzipiert wurde. Die Treppentürme waren in leuchtendem Blau gehalten, das mit dem lebhaften Rot der Fensterrahmen kontrastierte. Auch das innere wurde mit kräftigen Farben gestaltet: Rot-Orange-Pink, Blau, Grün und Gelb auf Platten, die die Wände verblenden, geben den Stockwerken Orientierung und waren auch als „Chance für die ästhetische Stimulation der Schüler ... gedacht“.

Wann sind Bauten „brutal”?

Der Architekturstil Brutalismus ist nicht nach dem Begriff Brutalität benannt, sondern nach dem französischen Wort für Sichtbeton (béton brut - roher Beton). Das Baumaterial soll unverkleidet sichtbar bleiben – der Bau also authentisch und „wahrhaftig” bei Material und Konstruktion bleiben und auf „Schnickschnack“ verzichten. Vor allem in Europa entstanden mit dem Brutalismus auch neue Konzepte für den Sozialen Wohnungsbau.

Brutalistische Bauwerke im Münchner Süden und seiner Umgebung sind neben dem „Bunker“ das Gräfelfinger Rathaus und die Kirche St. Matthias (beide denkmalgeschützt) sowie das Neurieder Pfarrzentrum St. Nikolaus. Auch der Gasteig, das Olympische Dorf und das Pharaohaus in Oberföhring sind welche.

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