Expressionisten unterm Hammer


Von Susanne Hauck [ha] (susanne.hauck.icking@gmx.de, sha)
Schade: Die Sammlung Gerlinger hat das Buchheim-Museum verlassen und wird wohl nie mehr geschlossen in einem Museum zu sehen sein. (Foto: Susanne Hauck)
Schade: Die Sammlung Gerlinger hat das Buchheim-Museum verlassen und wird wohl nie mehr geschlossen in einem Museum zu sehen sein. (Foto: Susanne Hauck)
Schade: Die Sammlung Gerlinger hat das Buchheim-Museum verlassen und wird wohl nie mehr geschlossen in einem Museum zu sehen sein. (Foto: Susanne Hauck)
Schade: Die Sammlung Gerlinger hat das Buchheim-Museum verlassen und wird wohl nie mehr geschlossen in einem Museum zu sehen sein. (Foto: Susanne Hauck)
Schade: Die Sammlung Gerlinger hat das Buchheim-Museum verlassen und wird wohl nie mehr geschlossen in einem Museum zu sehen sein. (Foto: Susanne Hauck)

Viel ist über die Zukunft der berühmten Expressionisten-Bilder spekuliert worden, die der Millionär Hermann Gerlinger im Herbst überraschend aus dem Buchheim-Museum abgezogen hatte. Kenner hielten es für am wahrscheinlichsten, dass der aus Würzburg stammende Kunstfreund sein Lebenswerk dauerhaft an seinem Heimatort unterbringen würde. Doch nun kommt die Sammlung unter den Hammer. Damit hätten die wenigsten gerechnet. Dass eine der größten und bedeutendsten Privatsammlungen zum Expressionismus und speziell zur 1905 gegründeten Künstlergruppe „Die Brücke“ um Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Ernst Heckel zerschlagen wird, löste unter Fachleuten eine Schockwelle aus. Sie befürchten, dass viele Bilder nie mehr öffentlich zu sehen sein werden, weil sie als Kapitalanlage in Safes verschwinden oder die Wohnzimmer von neureichen Schickimickis zieren. Der 90-jährige Unternehmer sieht es freilich anders.
„Meine Sammlung war fast drei Jahrzehnte in drei renommierten Museen zu sehen“, so Hermann Gerlinger in einer Pressemeldung des Münchner Auktionshauses Ketterer, das er mit der Versteigerung betraut hat. Es sei die Krönung seiner fast 70-jährigen Sammlerarbeit gewesen, dass sie dort sowohl für die Freunde der Brücke als auch für Fachleute aus der Wissenschaft aus dem In- und Ausland zugänglich war. Die Motive für die Versteigerung beschreibt Gerlinger so: „Jetzt ist die Zeit gekommen, die Werke der nächsten Generation von Sammlern ganz direkt zur Verfügung zu stellen. Wenn die junge Generation mit den Arbeiten selbst leben kann, wird sie ihren ganz eigenen Zugang zu den Brücke-Künstlern und der Brücke-Kunst finden.“ Gerlinger begreift es als Chance, dass die „Brücke-Kunst“ von der nächsten Generation neu entdeckt wird und ihren Stellenwert behält. „Ich möchte mithelfen, die Faszination für diese Kunst weiterzutragen und für die Zukunft zu bewahren.“

„Chance für junge Sammler”

Insgesamt soll es in den nächsten vier Jahren vier Versteigerungen geben, die erste Auktion ist bereits für den Juni geplant. Experten rechnen damit, dass alles auseinandergerissen wird. Dass die einzigartige Sammlung wohl nicht mehr geschlossen an einem öffentlichen Ort wie einem Museum zugänglich sein wird, gilt als enormer Verlust. Es geht insgesamt um tausend Werke, darunter etwa 50 Ölbilder, die zu Höchstpreisen gehandelt werden dürften, beim Rest handelt es sich um Zeichnungen, Skizzen und Briefe, die weniger Geld bringen dürften, gleichzeitig aber bedauerlicherweise für die museale Forschung verloren gehen. Ob Sammler Gerlinger wirklich seine Bilder bei jungen Sammlern am besten aufgehoben sieht, wie er sagt,weiß nur er allein. Ums Geld geht es dem als eigenwillig beschriebenen Kunstfreund jedenfalls nicht. Der Millionär will den Erlös aus der Auktion der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, dem Bund Naturschutz und der Stiftung Juliusspital in Würzburg spenden.

Für den guten Zweck

Gerlinger sammelte seit den 1950er-Jahren und hatte die berühmten Brücke-Künstler wie Karl Schmidt-Rottluff noch persönlich gekannt. Die 2017 geschlossene Vereinbarung mit dem Buchheim-Museum war von allen Seiten als riesiger Glücksfall und hervorragende Ergänzung des Bestands gepriesen worden, schließlich hatte Lother-Günther Buchheim selbst leidenschaftlich Expressionisten gesammelt. Mindestens zehn Jahre lang sollte das Museum die Bilder zeigen dürfen, und vielleicht länger: Eine „dauerhafte Heimstatt“ in Bernried für seine Bilder hatte sich Gerlinger bei der Eröffnung der ersten Ausstellung „Brückenschlag, Gerlinger + Buchheim“ damals gewünscht.

Letzte Gelegenheit

Nun hat die Verbindung nicht länger als vier Jahre gehalten und wurde mit Verweis auf „grundlegenderMeinungsverschiedenheiten über die Durchführung des Leihverhältnisses“ gelöst. Der Leihvertrag wurde im September 2021 beendet und die Werke wieder zurückgegeben. Die vorerst letzte Gelegenheit für alle Kunstfreunde, im Buchheim-Museum in den Genuss der Bilder zu kommen, bevor sie sich vielleicht in alle vier Himmelsrichtungen zerstreuen, ist die Ausstellung „Brücke und Blauer Reiter“ vom 16. Juli bis 13. November. Dafür durfte nochmals rund ein Dutzend Werke ausgeliehen werden.

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