Veröffentlicht am 08.02.2022 15:06

„Lehrkräfte dürfen nicht mit Aufgaben überfrachtet werden”


Von red
„Nicht Herumlamentieren – das motiviert keine jungen Menschen”, findet Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands (brlv). (Foto: Marco Urban)
„Nicht Herumlamentieren – das motiviert keine jungen Menschen”, findet Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands (brlv). (Foto: Marco Urban)
„Nicht Herumlamentieren – das motiviert keine jungen Menschen”, findet Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands (brlv). (Foto: Marco Urban)
„Nicht Herumlamentieren – das motiviert keine jungen Menschen”, findet Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands (brlv). (Foto: Marco Urban)
„Nicht Herumlamentieren – das motiviert keine jungen Menschen”, findet Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands (brlv). (Foto: Marco Urban)

Der Bayerische Realschullehrerverband (brlv) ist die Berufsorganisation der Lehrerinnen und Lehrer, die an staatlichen, kommunalen und privaten Realschulen in Bayern tätig sind. Sein Vorsitzender Jürgen Böhm sieht neben dem Lehrkräftemangel weitere Baustellen:

„Das Problem ist komplexer”

Der Lehrkräftemangel ist das derzeit größte Problem im Schulbereich”, sagt Simone Fleischmann vom BLLV. Sehen Sie das für Ihren Bereich ähnlich?

Jürgen Böhm: Natürlich ist der derzeitige und zu erwartende Lehrkräftemangel grundsätzlich eine große Herausforderung, die wir gemeinsam lösen müssen. Allerdings gibt es in Punkto Bildungsqualität zahlreiche weitere, dringliche Baustellen. Im Kontext der bayerischen Realschule haben wir diese zum Jahresbeginn in einem Positionspapier gemeinsam mit dem Landeselternverband Bayerischer Realschulen (LEV-RS) und der Vereinigung Bayerischer Realschuldirektorinnen und -direktoren (VBR) adressiert. Darin fordern wir einen Ausbau der integrierten Lehrerreserve auf bis zu 2 +1 Lehrkräfte pro Realschule. Das Plus steht für eine zusätzliche Stelle, durch die pandemiebedingte Lerndefizite aufgeholt und differenzierte Förderangebote für Schüler erleichtert werden sollen.
Weitere Kernforderungen beziehen sich auf den Ausbau digitaler Grundstrukturen und die Optimierung von Raumkonzepten für Schulbauten. Die Schulen müssen bei der Digitalisierung sowohl fachlich als auch infrastrukturell am Puls der Zeit sein. Zusätzlich setzen wir uns für eine Anpassung der Klassengrößen auf durchschnittlich nicht mehr als 25 Schüler pro Klasse sowie zusätzliche Leitungszeit für das Realschulmanagement ein.
Sie merken, das Problem begrenzt sich nicht auf den Lehrkräftemangel, sondern ist weitaus komplexer. Wir als Bayerischer Realschullehrerverband stehen hier für realistische Lösungsangebote, nicht für Alarmismus.

„Diese Fächer sind essentiell”

Die Klemm-Studie sieht u.a. in den MINT-Fächern besonders große Lücken. Welche spezifischen Lücken sehen Sie in Ihrem Bereich?

Jürgen Böhm: Im Realschulbereich zeichnen sich ebenfalls Lücken in den naturwissenschaftlichen Fächern und im Fach Informationstechnologie ab. Hier gilt es diese zu schließen. Das geht zum Beispiel durch entsprechende Informations- und Kommunikationsangebote, die die Attraktivität des Lehrberufs in diesen Fächern authentisch transportieren. Aber auch das Kultusministerium muss liefern. Diese Fächer sind essentiell für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes!

„KMK hat sich schon des Öfteren verkalkuliert”

Die Prognosen der Studie zum Lehrermangel 2025 / 2030 fallen ganz anders aus als die weniger dramatischen der Kultusministerkonferenz (KMK). Welche halten Sie für belastbarer?

Jürgen Böhm: Die Planungsinformationen der Kultusministerkonferenz waren immer schon ein Thema für sich. In der Vergangenheit hat sich die KMK schon des Öfteren verkalkuliert. Man sprach ja auch schon von einer „demographischen Rendite“ und hat dabei die Zuwanderung und auch die Qualität der Bildung völlig aus den Augen gelassen.

„Lehrkräfte brauchen auch Freiräume”

Welche Maßnahmen wären in Ihren Augen die dringlichsten, um dem Lehrermangel zu begegnen?

Jürgen Böhm: Zunächst einmal müssen Motivationskampagnen für Nachwuchslehrkräfte verstärkt werden, auch seitens der Politik und der Universitäten. Der brlv hat bereits mehrere Awareness-Kampagnen für den Realschullehrerberuf durchgeführt und wird diesbezüglich auch in diesem Jahr wieder aktiv sein. Auch die Rahmenbedingungen vor Ort in den Schulen müssen kontinuierlich verbessert werden – es motiviert junge Menschen nicht den Lehrberuf zu ergreifen, wenn immer mehr Aufgaben an Lehrkräfte übertragen werden, wenn alle Probleme der Gesellschaft in der Schule gelöst werden sollen und Bildung „hinten runter fällt“. Lehrkräfte dürfen nicht mit Aufgaben überfrachtet werden und brauchen auch Freiräume für Weiterbildung und Zusatzqualifikationen.
Generell gilt, jetzt anpacken und Verbesserungen im Lehramt auf den Weg bringen! Nicht Herumlamentieren – das motiviert keine jungen Menschen!

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