Veröffentlicht am 09.02.2022 13:06

„Es werden zu wenige eingestellt”


Von Johannes Beetz [job] (johannes.beetz@muenchenweit.de, job)

Der Bayerischer Philologenverband e.V. (bpv) wirkt als Verband der Lehrkräfte an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen an der Gestaltung des Bildungswesens unter besonderer Berücksichtigung dieser Schulen mit. Wie sieht er auf den Lehrermangel?

Die Situation ist unterschiedlich

„Der Lehrkräftemangel ist das derzeit größte Problem im Schulbereich”, sagt Simone Fleischmann vom BLLV. Sehen Sie das für Ihren Bereich ähnlich?

bpv:Ja und nein, denn für die Gymnasien und Beruflichen Oberschulen gäbe es aktuell in den meisten Fächern noch genügend qualifizierte Lehrkräfte. Doch werden - mit Blick auf die anstehenden und zukünftigen Herausforderungen - zu wenige eingestellt. Im Grund-, Förder- und Mittelschulbereich bietet dagegen der Stellenmarkt bereits jetzt niemanden. Richtig ist: Zur Bewältigung der coronabedingten Probleme bräuchten wir in allen Schularten mehr Köpfe.

Seit vielen Jahren ein Problem

Die Klemm-Studie sieht u.a. in den MINT-Fächern besonders große Lücken. Welche spezifischen Lücken sehen Sie in Ihrem Bereich?

bpv: Die MINT-Fächer sind schon seit vielen Jahren ein Problem, insbesondere Physik und Informatik. Die Aufwertung der Informatik im Lehrplan des neuen neunjährigen Gymnasiums wird das zusätzlich verschärfen. Doch in den letzten Jahren mangelte es z.B. auch an Musik- und Kunst-Lehrkräften.

Die Wahrheit in der Mitte

Die Prognosen der Studie zum Lehrermangel2025 / 2030 fallen ganz anders als als die weniger dramatischen der Kultusministerkonferenz (KMK). Welche halten Sie für belastbarer?

bpv: Die Wahrheit wird wohl in der Mitte liegen, denn bei den Schülerzahlen und dem daraus abgeleiteten Lehrerbedarf unterscheiden sich beide Studien nur wenig. Dagegen liegen sie bei den Annahmen über die Anzahl der zur Verfügung stehenden Lehrkräfte deutlich auseinander. Hier ist aber auch ein gehöriges Maß an Spekulation enthalten, denn zukünftige, politische Beschlüsse werden sicher zum einen den Lehrerbedarf, zum anderen aber auch das Verhalten der Studierenden beeinflussen.

Lehrerreserve deutlich aufstocken

Welche Maßnahmen wären in Ihren Augen die dringlichsten, um dem Lehrermangel zu begegnen?

bpv:Langfristig führt kein Weg daran vorbei, die integrierte und mobile Lehrerreserve deutlich aufzustocken. Die aktuelle Reserve von etwa 1-2% der Lehrkräfte im Bereich Gymnasium und Realschule ist definitiv zu wenig – wir fordern 10%. Kurz- und mittelfristig bleiben nur die aktuellen Maßnahmen wie Nachqualifizierungen von Quereinsteigern oder Aushilfskräfte.
Man darf nicht vergessen, dass die Abiturientinnen und Abiturienten von heute erst in frühestens sieben Jahren – also nach 2029 – als Lehrkräfte einsatzfähig sind.

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