Veröffentlicht am 09.05.2022 09:05

Musikalisches Gedenken


Von Susanne Hauck [ha] (susanne.hauck.icking@gmx.de, sha)
Karl Amadeus Hartmann in einer Aufnahme von 1941, mit einem Kreiderahmen fürs Passfoto. (Foto: Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft)
Karl Amadeus Hartmann in einer Aufnahme von 1941, mit einem Kreiderahmen fürs Passfoto. (Foto: Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft)
Karl Amadeus Hartmann in einer Aufnahme von 1941, mit einem Kreiderahmen fürs Passfoto. (Foto: Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft)
Karl Amadeus Hartmann in einer Aufnahme von 1941, mit einem Kreiderahmen fürs Passfoto. (Foto: Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft)
Karl Amadeus Hartmann in einer Aufnahme von 1941, mit einem Kreiderahmen fürs Passfoto. (Foto: Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft)

Es war ein seltenes Hörerlebnis für die vielen Besucher: die sogenannte Todesmarschsonate in voller Länge in Schloss Kempfenhausen im Gedenken an den Leidensweg der KZ-Häftlinge 1945 von Dachau über Starnberg nach Bad Tölz. Die junge Pianistin Lauriane Follonier hat das schwierige Stück in der von Elisabeth Carr und dem Landkreis Starnberg organisierten Veranstaltung meisterhaft und eindringlich gespielt. Sabine Leutheuser-Schnarrenberger und Rainer Hange vom Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie“ stimmten mit nachdenklichen Worten auf den Abend ein.
Karl Amadeus Hartmann war in den 1930er-Jahren einer der talentiertesten Musiker, der „Rising Star“ der deutschen Musikszene, wie es Andreas Hérm Baumgartner, der Vorsitzende der Hartmann-Gesellschaft, schilderte. Doch er entschloss sich, auf die Karriere zu pfeifen, er wollte nicht Teil des nationalsozialistischen Regimes sein. Mit seinen Werken leistete Hartmann so etwas wie musikalischen Widerstand, denn er spickte sie mit Anspielungen auf jüdische Musiker und Lieder. Aus Angst vor den Nazis versteckte sich Hartmann mit seiner Familie bei seinen Schwiegereltern in Kempfenhausen im Lüderitzweg 39. Dort war es auch, wo er Zeuge des Todesmarsches von Dachau wurde. Er hörte das klappernde Geräusch der Holzpantinen, das Bellen der Schäferhunde, die Schüsse der Wachen und sah heimlich vom Balkon aus die von der SS getriebenen Elendsgestalten. Ich habe meinen Vater noch nie so erschüttert gesehen, habe sich der damals zehnjährige Sohn Richard erinnert, berichtete Baumgartner. Noch ganz unter dem Eindruck des kaum zu begreifenden Grauens begann Hartmann noch am selben Tag mit der Komposition der Todesmarsch-Sonate. “Unendlich war der Strom, unendlich war das Elend, unendlich war das Leid”, überschrieb er das Klavierstück, dessen Bedeutung über die musikalische noch hinausgeht. „Er war einer der ersten Künstler, der sich der historischen Schuld thematisch zugewandt hat“, unterstrich Baumgartner. Nach dem Krieg wurde Hartmann Dramaturg an der Bayerischen Staatsoper und gründete die bekannte Konzertreihe Musica viva.

Zwischenwelten

Auch andere Starnberger wurden Zeugen des Todesmarsches. Für viele sei es das erste Mal gewesen, dass sie mit KZ-Häftlingen und SS-Gräueln konfrontiert gewesen seien, referierte Marita Krauss. Die Pöckinger Geschichtsprofessorin hielt einen höchst informativen Vortrag über die „Zwischenwelten“, die Monate April und Mai 1945, die Niemandszeit zwischen Kriegsende und Neuanfang. „Den Starnbergern sieht man an, dass sie das Entsetzliche nicht begreifen“, so schilderte es ein Zeitzeuge. Bei vielen Bürgern habe die Angst und die Scheu überwogen. Viele wagten nicht, sich den Häftlingen zu nähern, aber andere steckten ihnen Brot zu oder halfen Fluchtwilligen.

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