Seit mehr als 20 Jahren verbreitet sich auf der Welt eine Krankheit, deren Name inzwischen zu einem Synonym für unendliches menschliches Leid wurde: AIDS. Inzwischen tragen nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit mehr als 40 Millionen Menschen das HI-Virus in sich, das die Immunschwäche auslöst. Fast 95 Prozent der Betroffenen leben in Entwicklungsländern, davon mehr als ein Viertel allein in Afrika südlich der Sahara. In einigen Ländern ist etwa ein Drittel der Erwachsenen infiziert. Die Pandemie bedroht mittlerweile die Existenz ganzer Gesellschaften, zahlreiche Kinder werden zu AIDS-Waisen und leben auf der Straße. Sie gehen weder zur Schule, noch haben sie später eine Chance auf einen Beruf. Acht Jahre ist es her, dass Andreas Triebel in München den Grundstein für das „Baobab Family“-Projekt gelegt hat – mit dem Ziel, den Straßenkindern in Kenia zu helfen.
Namensgeber für das Projekt war der Affenbrotbaum, Afrikas sagenumwobener Lebensbaum, der während kurzer Regenzeiten Wasser für Dürreperioden sammelt und zudem den Menschen Nahrung, Baustoff, Kleidung, Medizin und Schutz bietet. Der Baobab wächst langsam, wurzelt aber fest und hat die Kraft, lange Trockenzeiten zu überdauern. Im Projekt steht der Baum sinnbildlich für das Gedeihen einer Vision, dauerhafte und wirksame Entwicklungshilfe zu leisten. Ziel des Vereins ist es, die „Baobab Family“ langfristig in ein sich selbst tragendes System zu führen. „Unser Grundsatz war von Anfang an Hilfe zur Selbsthilfe“, erzählt Andrea Kern. Die 24-Jährige betreut zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Claudia die Ortsgruppe in München. Alle anfallenden Vereinsarbeiten werden ausschließlich von ehrenamtlichen Helfern erledigt. „Das Gute ist, dass wir sehr eigenständig arbeiten und konkrete Dinge ins Rollen bringen können.“ Der Verein ist in den letzten acht Jahren stark gewachsen. Was in München anfing, hat mittlerweile eine internationale Dimension erreicht.
Erstes Projekt des Vereins war ein Kinderhaus in Mikindani, einem kleinen Ort in der Nähe der kenianischen Hafenstadt Mombasa. Baubeginn war 2001, ein Jahr später wurde das Erdgeschoss fertiggestellt. In dem Waisenhausprojekt leben nur Jungen, insgesamt 33. In Kenia können Kinderheime entweder nur Mädchen oder nur Jungen aufnehmen. Dies ist es gesetzlich vorgegeben. Das Haus in Mikindani ist noch nicht ausgelastet. Insgesamt könnten 50 Jungen beherbergt werden. „Aufgrund unserer finanziellen Situation können wir momentan nicht mehr Buben aufnehmen“, betont Claudia Kern, die wie ihre Schwester Pädagogik studiert. „Wir könnten sonst die einzelne Versorgung nicht mehr gewährleisten.“ Mehrere kenianische Mitarbeiter kümmern sich vor Ort darum, die Kinder in die Gemeinschaft zu integrieren. Anfang 2006 wurde der erste Stock fertiggestellt – nach langem hin und her mit den kenianischen Behörden. Die Baukosten konnten dank vieler Aktionen in Deutschland aufgebracht werden. Jedes Stockwerk ist mit sanitären Anlagen ausgestattet und verfügt über eine Gemeinschaftsküche. Zur Wasserversorgung sind vier Tanks installiert, die auch die geplanten weiteren Stockwerke mit fließendem Wasser versorgen werden.
Neben Straßenkindern werden in Mikindani auch allein erziehende Mütter und HIV-Kranke unterstützt. Hierfür gründete der Verein eigens eine Produktion. Anfangs wurden aus alten Dosen Öllampen und Gießkannen hergestellt. Mittlerweile hat sich das Angebot auf 15 Artikel – zum Beispiel Schmuck, Kunsthandwerk, afrikanische Zahnbürsten – erweitert. Die Produkte werden dann in Deutschland an Baobab-Infoständen und auf Benefizkonzerten verkauft. So trägt der Verein zur Sicherung des Arbeitsplatzes und des Lebensunterhaltes der aidsinfizierten Menschen und der beteiligten Straßenmütter bei. Die Dringlichkeit der Lage – auch in Mikindani und Umgebung – hat den Verein außerdem dazu veranlasst, ein eigenes „Baobab Family“-HIV-Präventions- und Hilfe-Projekt ins Leben zurufen. „Die Mitarbeiter setzen sich aus gesunden und HIV-infizierten Menschen zusammen, die durch ihr eigenes Schicksal und die damit verbundenen Erfahrungen viel nachhaltiger mit dieser Problematik umgehen können“, sagt Claudia Kern. „Durch ihre Anstellung leisten wir zudem aktive Unterstützung für HIV-Infizierte.“ Rund zwei Millionen Kenianer sind mit dem HI-Virus infiziert. Nach Angaben von UNICEF haben bereits 300000 Kinder in Kenia durch Aids einen Elternteil oder beide verloren. Mit der Kampagne will der Verein den Betroffenen Mut im Umgang mit ihrer schwierigen Situation geben und sie darüber hinaus finanziell absichern. Der Fokus liegt insbesondere darauf, präventive Aktionen in Slums, Schulen und an anderen öffentlichen Orten durchzuführen und damit wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten.
Für die Deckung der monatlichen Kosten sucht der Verein Mitglieder, Paten und Sponsoren. „Patenschaften können sowohl für Kinder als auch für Projekte übernommen werden“, betont Andrea Kern. „Auf ein Kind kommen bei uns je drei Paten, die pro Person 30 Euro im Monat zahlen. Nur so ist die Versorgung des Kindes gewährleistet. Nach unseren Erfahrungen ist es nicht möglich, mit nur 20 Euro ein Kind zu versorgen.“ Zudem können die Paten Kontakt zu den Kindern aufnehmen: „Das ist gerade für die Kinder sehr wichtig, da die meisten keine Familie mehr haben“, sagt Andrea Kern.
Und noch ein weiteres Projekt ist geplant: Das „Baobab Family“-Village in Homa Bay am Victoriasee. „Dort ist demnächst Baubeginn“, erzählt Andrea Kern. „Schirmherr ist Daniel Porsche, ohne dessen Hilfe das Ganze nicht so schnell hätte realisiert werden können.“ Geplant ist anfänglich ein Kinderdorf für Mädchen, die im vom HI-Virus schwer betroffenen Westen Kenias ihre Eltern verloren haben. „Das Village soll sich so schnell wie möglich selbst tragen“, so Andrea Kern. „Das Land ist sehr fruchtbar, so dass es möglich ist Landwirtschaft zu betreiben.“ Der erste Bauabschnitt umfasst die Errichtung eines Haupt- sowie drei Schlafhäuser für jeweils zehn Kinder. Nach und nach sollen, ähnlich wie in Mikindani, ein HIV-Aufklärungs- und Hilfeprogramm verbunden mit einer zweiten „Baobab Family“-Produktion für afrikanisches Kunsthandwerk entstehen. „Auch in Homa Bay ist es angedacht, Straßenmütter zu integrieren.“
Die Hilfsorganisation legt größten Wert darauf, alle Planungen, Entscheidungen und Investitionen sowohl für die Beteiligten in Kenia als auch für die Mitglieder in Deutschland transparent zu machen. „Wir haben nur knapp fünf Prozent Verwaltungsausgaben“, sagt Andrea Kern. „Zudem können täglich im Internet sowohl alle Buchführungsvorgänge als auch die Kontoführung eingesehen werden. Wir versuchen, gerade was die Transparenz betrifft, neue Wege zu gehen.“ Große Probleme bereitet die Korruption. Andrea Kern: „Viele Hilfsorganisationen zahlen vor Ort Schmiergeld, um die unterschiedlichen Vorgänge oder Entscheidungen zu beschleunigen. Das machen wir nicht. Daher dauern die Dinge bei uns zum Teil länger.“
Die Arbeits- und Verwaltungsstruktur des Vereins sollte von Anfang an möglichst unkompliziert gehalten werden. So entstand die Idee eines „virtuellen Büros“, das es in Form des „Baobab Family“-Forums seit zwei Jahren im Internet gibt. Dort kann jeder aktiv werden und in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen – von Fundraising über Redaktion, Marketing und Wegadministration bis hin zu verschiedenen Events – aktiv werden. „Wir sind immer auf der Suche nach ehrenamtlichen Mitarbeitern“, so Claudia Kern. „Zum Beispiel brauchen wir immer wieder Leute für Übersetzungen. Das kann ja gerade für Schüler, aber auch für Senioren, sehr interessant sein.“
Wer die”Baobab Family” unterstützen möchte, bekommt weitere Informationen unter Tel. 30709594 sowie per email: akern@baobab-family-project.org. Spendenkonto: Baobab Family e.V., Bank für Sozialwirtschaft, Konto-Nummer 8896400, BLZ: 70020500. Informationen im Internet: www.baobabfamily.org.