Die Thalkirchner Brücke gehört zu den 27 Brücken- und Unterführungsbauwerke in München, die dringend saniert werden müssen. Gründung und Raumfachwerk sind zwar in einem guten Zustand, der Überbau muss nach mehr als 30 Jahren aber instandgesetzt werden. Zudem ist der Brückenquerschnitt für die aktuellen verkehrlichen Anforderungen nicht mehr ausreichend; sprich: die Brücke ist zu schmal.
Eine Prüfung des städt. Baureferats ergab, dass man das tragende Raumfachwerk in Richtung Süden (flussaufwärts) verbreitern kann. „Unsere statischen Berechnungen haben die praktische Machbarkeit einer Verbreiterung bestätigt”, erklärte Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer. Die modulare Bauweise der Brücke lasse dies zu: „Der vorausschauende Entwurf des Architekten Richard Dietrich hat diese Option theoretisch vorweggenommen”, so Ehbauer.
Die Verbreiterung würde eine zusätzliche Breite am Überbau von 5,60 Meter ermöglichen. Das Erscheinungsbild der Thalkirchner Brücke müsste dafür nicht grundsätzlich verändert werden. Die Holzbrücke könnte weiterhin von Autos bis zu drei Tonnen Gewicht genutzt werden. Zusätzlich zu einer dann sicheren Querung per Fahrrad könnte auch der Minibus (Linie 135) über die Brücke fahren.
„Wer schon mal an einem schönen Ausflugsnachmittag die Thalkirchner Brücke überquert hat, weiß nur zu gut, wie sehr sich Fußgänger, Radfahrer und der Autoverkehr aneinander vorbeiquetschen müssen”, meinte Bürgermeister Dominik Krause. „Gerade weil hier viele Familien mit kleinen Kindern unterwegs sind, bedarf es einer sicheren Lösung.” Auch eine zweite Brücke für den Fuß- und Radverkehr wurde diskutiert, dies würde aber einen Eingriff in das sensible Isarbett nach sich ziehen. Die jetzt vom Baureferat aufgezeigte Verbreiterung sei der beste Weg, um die Tierparkbrücke zu erhalten und sicherer zu machen.
„Ich freue mich, dass die Thalkirchner Brücke erhalten und in ihrem Erscheinungsbild erweitert werden soll”, sagte Konstanze Hofinger. Sie ist die Tochter des 2019 verstorbenen Architekten Richard Dietrich und Erbin des Urheberrechts an der Brücke. Ihre Zustimmung macht den Weg für die Verbreiterung frei. „Dies wäre auch im Sinne meines Vaters: Als hätte er es geahnt, dass die Brücke später einmal erweitert werden soll. Denn mit seiner Idee ist dies tatsächlich leicht möglich. Die bestehende Brücken-Konstruktion kann im gleichen standardisierten System in die Breite erweitert werden”, fuhr sie fort.
„Die Thalkirchner Brücke ist ein Symbol seiner Auffassung von schön gestalteter und nachhaltiger Ingenieur-Architektur, erzählte Hofinger. „Er hat hier in München neben Wohnungsbauprojekten noch weitere Brücken realisiert, wie die Fußgängerbrücke über die Schenkendorfstraße, die Kettenbrücke in Neuperlach oder die St.-Emmeram-Brücke in Oberföhring. Mein Vater hatte schon in den 1970er Jahren mit seinem Bausystem Metastadt Architekturgeschichte geschrieben. Ein multifunktionales Stahlbau-System, das modular erweiterbar und zurückbaubar ist und damit eine städtebauliche Nachverdichtung für Wohnen und Gewerbe vorsah. Mit seiner Spezialisierung auf das Thema Brückenbau hat mein Vater ab den 1980er Jahren europaweit Brücken geplant und ausgeführt, darunter die längste Spannbandbrücke in Holz über den Main-Donau-Kanal und die Thalkirchner Brücke, die mit ihrer Gesamtlänge von 197 Metern nach wie vor als eine der längsten Holzbrücken der Welt gilt.”
Jeanne-Marie Ehbauer dankte den Familien Dietrich und Hofinger, „die es durch ihre urheberrechtliche Zustimmung ermöglicht, die zwingende Sanierung der Thalkirchner Brücke mit einer mehrwertstiftenden Verbreiterung verbinden zu können”. Nun könne daus städt. Baureferat die Abstimmungen mit den anderen städtischen Stellen, mit den Bezirksausschüssen und „Stakeholdern” angehen sowie mit der Vorplanung loslegen. Im Zuge dieser Vorplanung werde das Baureferat auch den weiteren Zeit- und Ablaufplan einer möglichen Umsetzung ausarbeiten.
Die Thalkirchner Brücke wurde als Raumfachwerk-Konstruktion nach den Plänen von Richard J. Dietrich von 1989 bis 1991 errichtet. Dieses Prinzip wurde damals erstmals für eine Brücke eingesetzt. Die Holzbrücke nutzte die Beton-Fundamente der Vorgängerkonstruktion, so dass kein Eingriff ins Flussbett erforderlich war. Das Fachwerk besteht aus Fichtenleim- und Lärchenvollholz und wird von Stahlknoten zusammengehalten. Insgesamt wurden 520 Kubikmeter Holz verbaut. Im Jahr 1992 erhielt die Brückenkonstruktion eine Auszeichnung beim Deutschen Holzbaupreis.