„Jugendsozialarbeit an Schulen“ (JAS) gibt es bei der Hauptschule an der Wiesentfelser Straße in Neuaubing zwar bereits seit dem Schuljahr 2004/2005, doch die eineinhalb Stellen reichen nicht aus. „Wir könnten viel mehr machen, wenn wir mehr Stunden zur Verfügung hätten“, betont Rektor Jürgen Walther, „für unsere Brennpunkt-Schule bräuchten wir mindestens zwei Vollzeitstellen.“ Dass die JAS-Arbeit trotzdem so gut gelingt, liegt an der Zusammenarbeit zwischen Schulleitung, Lehrerkollegium und den beiden für JAS zuständigen Sozialpädagoginnen Linda Matosoglu und Birgit Fazis: „Für uns sind die Beiden nicht irgendwelche ‚Sozpäds’, sondern Kolleginnen, mit denen wir auf Augenhöhe arbeiten und die jederzeit bei Konferenzen dabei sein können“, betont Herr Walther.
„Wir haben den selben Nenner: Es geht um die Schüler“, bestätigt dies auch Linda Matosoglu. Neben Einzelfallhilfe, individueller Krisenintervention und Familienarbeit bieten die beiden Sozialpädagoginnen auch viele Projekte an: „Jugendliche an die Hand nehmen“ (JADE) hilft den Jugendlichen ab der 8. Klasse bei der beruflichen Orientierung, ab der 9. Klasse wird dann intensiv gearbeitet an den Bewerbungsunterlagen und dem Vorstellungsgespräch; dann gibt es momentan für die 5. und 6. Ganztagsklassen ein medienpädagogisches Angebot in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Pasing und der Universität Augsburg sowie gemeinsam mit dem Jugendtreff Neuaubing das „Sarah-Wiener-Projekt“, bei dem Schüler/innen gesundes Kochen lernen.
Erstmals in diesem Schuljahr gehen beide Sozialpädagoginnen einmal wöchentlich über zwei Schulstunden gemeinsam in die neuen 5. Klassen, um ein Klassenprojekt zum „besseren Kennen lernen“ durchzuführen. „Wenn wir hier zum Beispiel merken, in einer Klasse gibt es Schwierigkeiten beim ‚Regeln einhalten oder sich anpassen’, dann machen wir hier spezielle Angebote zum jeweiligen Bereich“, so Fazis und Matosoglu. Froh ist man an der Schule auch über die AsA-Stunden („Alternatives schulisches Angebot): Ein Förderschullehrer und Konrektorin Elsbeth Zeitler haben hierdurch je fünf Schulstunden pro Woche die Möglichkeit, mit auffälligen Schülern zu arbeiten. Förderschullehrer Toni Lamprecht geht an einem Tag in der Woche bei Bedarf in den Unterricht, beobachtet Schüler, gibt Lehrern Tipps und arbeitet mit allen am Konflikt Beteiligten; Zeitlers AsA-Stunden sind auf mehrere Wochentage verteilt, damit sie schnell bei aktuell auftretenden Problemen reagieren kann – beide arbeiten jedoch auch längerfristig mit bekannt schwierigen Schülerinnen und Schülern. „Wir haben allerdings immer die Befürchtung, dass diese AsA-Stunden mal Einsparungsmaßnahmen zum Opfer fallen“, so Elsbeth Zeitler.
Zur Prävention gegen Gewalt gibt es an der Wiesentfelser Hauptschule, die sich selbst ein Leitbild und Schulprogramm unter dem Motto „Wir fördern Schüler“ erarbeitet hat, außerdem noch andere, bewährte Maßnahmen: Seit dem Schuljahr 2002/2003 werden bereits von jeder Klasse Streitschlichter gestellt, die genauso wie die Klassensprecher regelmäßig ausgebildet und geschult werden. Dann gibt es viele Arbeitsgemeinschaften (AG) und Projekte wie Schülerzeitung, Schülerfirma „Die Vorleser“, Büchereiprojekt, Deutschkurse, K.I.D.S oder Lesepatinnen; dazu kommt die gut funktionierende Vernetzung mit umliegenden Einrichtungen wie Jugendtreff, SOS-Mütter- und Kindertageszentrum, Kinder- und Jugendfarm oder Ambulante Erziehungshilfe – bald soll es auch ein von den „Sternstunden“ finanziertes für rund 50 Kinder kostenloses „Schülerfrühstück“ geben.
„Alles dies zusammen tut den Kindern gut“, haben Linda Matosoglu und Birgit Fazis festgestellt. „Die vielen Angebote greifen ineinander wie bei einem Zahnrad, dadurch entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das ungeheuer wichtig ist für unsere Schule“, betont auch Jürgen Walther. Auf die Frage, ob es eine Zunahme von Gewalt an der Schule gibt, antwortet Konrektorin Zeitler entschieden: „Nein. Gerade dadurch, dass wir so ein dichtes Netz an Angeboten und Hilfsmaßnahmen haben, ist es momentan so ruhig wie nie zuvor.“ Mit 268 Schüler/innen sei die Schule noch überschaubar, man kenne jedes Kind und jeden Jugendlichen beim Namen, der persönliche Kontakt sei gut. Gefährdet sehen sie und Schulleiter Walther dies alles durch die aktuell vom Kultusministerium angepeilte Umwandlung der Hauptschulen zu Mittelschulen.
Eine der Voraussetzungen für die Umbenennung zur Mittelschule ist nämlich die Einrichtung eines sogenannten M-Zuges, also einer Klasse, die gute Schüler/innen zum Mittleren Bildungsabschluss führt. „Das schaffen wir hier in Neuaubing nicht, durch das soziale Umfeld bringen unsere Schüler die Vorbedingungen einfach nicht mit“, bedauert Rektor Walther, „unsere Hauptschule wird dann endgültig zur Restschule degradiert.“ Ärgerlich für eine Schule, die sich in ihr Leitbild geschrieben hat: „Wir versuchen uns auf die heutige gesellschaftliche Situation der Hauptschule einzustellen und legen unser Hauptaugenmerk nicht mehr auf weitere Auslese, sondern wollen stattdessen die vorhandenen Stärken unserer Schüler fördern. Wir hoffen, dass dadurch Selbstbewusstsein und Motivation der Schüler, die bereits einen schwierigen Ausleseprozess hinter sich haben, nicht weiter wegen schulischer Misserfolge absinken.“