„Gewaltprävention fängt damit an, dass jeder Lehrer ein Auge darauf hat, dass Schülerinnen und Schüler nicht verspottet oder gehänselt werden“, erklärt Rainer Ammel entschieden. Der Oberstudienrat ist am Carl-Spitzweg-Gymnasium (CSG) in Germering nicht nur als Lehrer, sondern auch als staatlich geprüfter Schulpsychologe tätig. Für die schulpsychologische Tätigkeit stehen allerdings nur vier Anrechnungsstunden zur Verfügung, dazu kommen noch zwei Stunden für das Projekt „Lernen lernen“.
Das heißt, sechs Unterrichtsstunden für die schulpsychologische Arbeit im Bereich der Einzelfallberatung bei Lernschwierigkeiten, Legasthenie, Erziehungsschwierigkeiten, psychischen Erkrankungen, Mobbing usw. sowie für Mediation oder die „Förderung von Lern- und Arbeitsstrategien in der Unterstufe“. Bedenkt man, dass im Staatlichen Carl-Spitzweg-Gymnasium täglich mehr als 1400 Menschen zusammenkommen, um zu lernen und zu arbeiten, ist sofort klar, warum dies Rainer Ammel zu wenig erscheint: Sein Verband kämpfe momentan um eine Aufstockung der Stunden, orientieren würde man sich hier gerne an dem Modell der Stadt München, die für ihre eigenen Gymnasien acht schulpsychologische Anrechnungsstunden zur Verfügung stellt.
Froh ist Ammel darüber, dass er und Beratungslehrer Lothar Richter bereits ab diesem Schuljahr von der Diplompädagogin Evelyn Glück unterstützt werden, die im letzten Schuljahr bereits bei der Nachmittagsbetreuung tätig war und nun durch die Aufstockung auf eine Ganztagsstelle vormittags die Funktion einer Schulsozialarbeiterin übernehmen kann. „Grundsätzlich ist es gut, dass die Schülerinnen und Schüler jetzt eine Alternative haben, wenn sie lieber mit einer Frau über ihr Problem reden wollen. Hat zum Beispiel eine Schülerin Essstörungen, kommt sie vielleicht nicht zu mir, sondern spricht eher Frau Glück an“, betont Rainer Ammel.
Sensibilisiert durch die Amokläufe, käme von seiten der Eltern in letzter Zeit häufiger die Frage: „Was macht Ihr eigentlich präventiv?“. Gut funktioniert habe eine ganz Zeit lang das „ALF“-Programm zur Schulung „Allgemeiner Lebenskompetenz und Fertigkeiten“ sowie zur Suchtvermeidung. Dies sei jedoch der Einführung des G8 zum Opfer gefallen, seither habe man nicht mehr genügend „zeitliche Spielräume“. Die vor sieben Jahren ins Leben gerufene Streitschlichtungsgruppe arbeitet dagegen nach wie vor erfolgreich, dafür werden alle zwei Jahre neue Schüler/innen am CSG von einem speziell geschulten Team, bestehend aus Lehrern und Schülern, ausgebildet.
Dann gibt es ein gutes Konzept zum Thema „Klassenklima“, das von Rainer Ammel für das CSG entwickelt und inzwischen auch von anderen Schulen übernommen wurde: Dieses „Programm zur Verbesserung des Klassenklimas“, bestehend aus anonymen Umfragen, Auswertungen und Rückmeldungen, kommt aber meist erst zum Tragen, wenn die Stimmung im Klassenklima durch leichteres Mobbing oder andere Störungen bereits am Kippen ist. „Dadurch ist es zwar immer noch sehr hilfreich, wird aber eher zur Intervention, denn als Prävention genutzt“, so Ammel, der sich wünscht, dass dieses Programm in Zukunft auch häufiger präventiv und unter stärkerer Schülerbeteiligung eingesetzt wird.
Eine Idee, die er in die Schulentwicklung einbringen will. Seit rund drei Jahren gibt es nämlich am CSG ein Schulentwicklungsteam, das sich natürlich auch mit dem Thema Gewaltverhinderung auseinandersetzt. Eine „große Chance“ sieht Ammel im Projekt „Zeit für uns“, das an anderen Schulen schon erfolgreich durchgeführt wird und das es seit dem laufenden Schuljahr nun auch am CSG gibt: Hier bekommen die Klassen in regelmäßigen Abständen während der Unterrichtsstunden Zeit, um sich über selbstgewählte Themen zu unterhalten oder sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Da die Klassensprecher manchmal nur „Alphatiere“ seien, die nicht unbedingt sehen, „wer leidet“, schwebt Ammel zudem vor, zukünftig in jeder Klasse zwei Schüler für das Thema Mobbing besonders zu sensibilisieren und auszubilden.
Neu und ein wichtiger Baustein in der Gewaltprävention ist ab diesem Schuljahr auch der „Time-Out-Raum“ im CSG, der von Evelyn Glück den ganzen Vormittag über betreut wird. Hierher können Lehrer nun bei Auffälligkeiten und Störungen einzelne Schüler mit einem Laufzettel schicken. Diese müssen dann bei Glück einen „Rückkehrplan“ erstellen, also aufschreiben, was los war und was sie besser machen können. Oft reicht das; kommt ein Schüler das zweite Mal zur „Auszeit“ werden die Eltern verständigt, beim dritten Mal gibt es ein Gespräch mit den Erziehungsberechtigten. Verharmlosung nütze nichts: „Sehr schwierige Schüler sind immer auch potenzielle Gewalttäter“, weiß Schulpsychologe Rainer Ammer – der Auszeit-Raum biete jetzt zumindest eine Option für Evelyn Glück, diese rechtzeitig kennen zu lernen und individuell betreuen zu können.