Veröffentlicht am 12.02.2024 08:37

Gilchinger NS-Opfer

Jedes Jahr legt Martin Pilgram eine weiße Rose zum Jahrestag an den Juliane-Meier-Weg. (Foto: pst)
Jedes Jahr legt Martin Pilgram eine weiße Rose zum Jahrestag an den Juliane-Meier-Weg. (Foto: pst)
Jedes Jahr legt Martin Pilgram eine weiße Rose zum Jahrestag an den Juliane-Meier-Weg. (Foto: pst)
Jedes Jahr legt Martin Pilgram eine weiße Rose zum Jahrestag an den Juliane-Meier-Weg. (Foto: pst)
Jedes Jahr legt Martin Pilgram eine weiße Rose zum Jahrestag an den Juliane-Meier-Weg. (Foto: pst)

Vor 80 Jahren hat Juliana Meier den Tod im Konzentrationslager Auschwitz gefunden. An die Gilchinger Bürgerin erinnert ein Straßenschild. „Juliane-Meier-Weg“ heißt er, ein Schreibfehler. Ein Zusatzschild informiert, dass die junge Frau am 24. Januar 1911 geboren und am 7. Februar 1944 mit 33 Jahren im KZ gestorben ist. Aber wer war diese Frau? Seitdem vor etwa 15 Jahren ihr Todeshinweis in der Gemeinde aufgetaucht ist, ist die Kirchenhistorikern Monika Nickel auf Spurensuche gegangen. Jetzt stellte sie ihre Ergebnisse vor.

Jedes Jahr legt Martin Pilgram (Pax Christi) am Todestag der Gilchingerin eine weiße Rose zum Gedenken an das Straßenschild. Vielleicht kursieren aus diesem Grund Gerüchte, dass Juliana Meier Widerstandskämpferin gewesen sei. Das hält Monika Nickel für „unwahrscheinlich“. Ihre Rechercheergebnisse geben vielmehr einen Hinweis darauf, dass Juliana Meier ein Opfer des NS-Euthanasieprogramms gewesen war. Es hatte das Ziel „lebensunwertes Leben“ auszulöschen. Das Wort zeige die Menschenverachtung der Nazis, so Nickel. Dem stimmte Kreisarchivarin Friedrike Hellerer zu. Sie trug bei der Veranstaltung, die vom Verein Zeitreise und der Pax-Christi-Gruppe organisiert wurde, Fakten über die Euthanasie vor. Als „lebensunwert“ galten damals Menschen, die behindert waren, dabei war die Definition dessen willkürlich. Sogar eine posttraumatische Belastungsstörung eines Weltkriegsveteranen, „schwererziehbare“ Kinder oder eine Wochenbettdepression konnten darunter fallen. Wer nicht dem Bild der „gesunden deutschen Familie“ entsprach, wurde als „geisteskrank“, „schizophren“, „psychopathisch“ abgestempelt. Auch ein unkonventioneller, lockerer Lebensstil wie ihn wohl Juliana Meier hatte, war den Nazis ein Dorn im Auge.

„Gesungen und gepfiffen”

Nach ihren Recherchen hat Nickel Julianas Leben – allerdings aus Behördensicht – rekonstruiert. „Die Akten, auf die ich mich bezogen habe, spiegeln die Sicht der NS-Machthaber und ihrer Schergen im medizinischen Bereich, der sogenannten Fürsorgebehörden auf Juliana Meier“.
Juliana wurde als fünftes von sieben Kindern geboren. Als junges Mädchen geht sie nach München, arbeitet dort als Dienstmädchen und in Gastwirtschaften. „Ab 1935 geriet sie in das Visier der Behörden“. Viele Umzüge und ein „unsteter Lebenswandel“ sind vermerkt. Immer wieder steht in den Akten, dass sie heiter gewesen wäre, sogar „gesungen und gepfiffen“ habe - Pfeifen galt damals als unschicklich für Mädchen. Behördliche Auflagen hielt sie nicht ein, musste deswegen immer wieder in Haft und für zwei Jahre in ein Arbeitshaus. 1939 wurde sie als „haltlose asoziale Psychopathin“ wegen „Geisteskrankheit“ entmündigt. Juliana Meier versuchte sich aus den Fängen der Behörden zu befreien, ein Selbstmordversuch ist vermerkt. Wie und wann sie nach Auschwitz kam, weiß Nickel nicht. Fakt ist, dass 1944 aus Auschwitz die Meldung kam, dass die „Arbeiterin Juliana Meier“ am 7. Februar 1944 an „allgemeiner körperlicher Schwäche“ gestorben sei.

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