Veröffentlicht am 05.06.2008 11:50

„Diskriminierung beginnt im Kopf”


Von SB
Die Antidiskriminierungskampagne der Landeshauptstadt will dort ansetzen, wo Diskriminierung beginnt – im Kopf der Menschen. (Foto: pi)
Die Antidiskriminierungskampagne der Landeshauptstadt will dort ansetzen, wo Diskriminierung beginnt – im Kopf der Menschen. (Foto: pi)
Die Antidiskriminierungskampagne der Landeshauptstadt will dort ansetzen, wo Diskriminierung beginnt – im Kopf der Menschen. (Foto: pi)
Die Antidiskriminierungskampagne der Landeshauptstadt will dort ansetzen, wo Diskriminierung beginnt – im Kopf der Menschen. (Foto: pi)
Die Antidiskriminierungskampagne der Landeshauptstadt will dort ansetzen, wo Diskriminierung beginnt – im Kopf der Menschen. (Foto: pi)

Über Lesben und Schwule gibt es viele Vorstellungen – manche davon schon seit Jahrhunderten und viele davon sind nicht sehr freundlich. Obwohl sich die deutsche Gesellschaft in weiten Bereichen verändert, geöffnet und modernisiert hat, finden sich diese alten – und meist falschen – Bilder in vielen Köpfen wieder. Oftmals versteckt unter einer mehr oder weniger dicken Schicht von Toleranz, den Betroffenen manchmal selber gar nicht so recht bewusst – aber doch die eigene Haltung und das Verhalten prägend. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude hat in diesem Zusammenhang kürzlich den Startschuss für die Kampagne „Diskriminierung beginnt im Kopf” gegeben. Die Aktion findet im Rahmen der 850-Jahr-Feierlichkeiten der Landeshauptstadt statt.

„In der Öffentlichkeit findet das Thema Diskriminierung und Ausgrenzung von Lesben, Schwulen und Transgender kaum mehr Beachtung, es herrscht die Annahme: 'Denen geht es doch gut'. Demgegenüber stehen die Erfahrungswerte der Koordinierungsstelle, der Beratungsstellen und die Ergebnisse mehrerer Studien aus den letzten Jahren, die auf eine Zunahme von abwertenden Haltungen und Gewalt gegen Homosexuelle sowie eine hohe Quote an Diskriminierungserfahrungen hinweisen“, betont Ude.

„Große Probleme im Bereich der Arbeitswelt”

Nach Ansicht des Oberbürgermeisters ereignen sich aber neben diesen so plakativen Ereignissen in unterschiedlichsten Bereichen immer noch zum Teil massive Ausgrenzungen und Benachteiligungen bis hin zur Gewalt ab: „Da sind unsere Schulhöfe, auf denen 'schwule Sau' oder 'Kampflesbe' zum Alltags-Sprachgebrauch der Jugendlichen gehört und sich niemand wirklich um die Auswirkungen dieser Entgleisungen auf die betroffenen Jugendlichen kümmert. Da ist die Arbeitskollegin, die nach Jahren gemeinsamer Büronutzung völlig ausflippt und einen eigenen Raum verlangt, weil die andere Kollegin eine Lebenspartnerschaft eingeht und sich als Lesbe outet. Hier sei angemerkt, dass gerade im Bereich Arbeitswelt ausgesprochen große Probleme bestehen und ein schwules oder lesbisches Coming Out für Viele Nachteile bedeutet.” Zudem finde sich allenthalben mangelnde Sensibilität, wenn über Lesben und Schwule gesprochen wird. Es werde schlicht nicht daran gedacht, dass ein(e) Betroffene(r) anwesend sein könnte und sich gekränkt, beleidigt, ausgeschlossen fühlen könnte. Auch kirchlich-religiös motivierte Angriffe auf die schwullesbische Bevölkerungsgruppe, die sie zu Menschen zweiter Klasse erklären und ihre Partnerschaften als 'Gefahr für die abendländische Kultur' bezeichnen, kritisierte Ude. „Gerade diese homosexuellenfeindlichen Äußerungen finden viel Aufmerksamkeit in den Medien und verstärken dadurch schon vorhandene abwertenden Haltungen.“

„Vorurteile und homophobe Haltungen”

Was sich so anhöre wie die Aufzählung bedauerlicher Einzelfälle, sei in Wirklichkeit viel mehr als das – „es ist Ausdruck der in vielen Köpfen vorhandenen Vorurteilen und homophoben Haltungen, die oft gar nicht richtig bewusst sind – aber doch das eigene Verhalten bestimmen“, so Ude. Selbst in den meisten Fachdiskussionen zum Thema Diskriminierung konzentriere man sich hauptsächlich auf Phänomene wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus usw. Homosexuellenfeindlichkeit finde dagegen kaum Beachtung.

Die Kampagne verwendet sowohl beim Plakatmotiv als auch bei der Bebilderung der Broschüre und Internetseiten Hinterköpfe – und das nicht ohne Hintergedanken: „Die Kampagne soll deshalb dort ansetzen, wo Diskriminierung beginnt – im Kopf der Menschen“, erklärt Ude. Denn homophobe Einstellungen und Haltungen sind unabhängig von den Gesichtern, von den eigentlichen Personen vorhanden. Sie unterscheiden nicht nach „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“, sondern wirken in den Köpfen der Menschen – und bewirken bei den Betroffenen oft Unsichtbarkeit, Rückzug, Vermeidung und Vorsicht. Das Hinterkopfmotiv soll dies deutlich zum Ausdruck. Im Rahmen der Antidiskriminierungskampagne wird in den kommenden Wochen und Monaten das Plakat vor allem im öffentlichen Raum (Litfaßsäulen, Plakatflächen usw.) sowie in städtischen Gebäuden veröffentlicht. Zudem werden der Flyer und die Broschüren in den städtischen Dienststellen und sonstigen Informationsstellen ausgelegt. Für Ende 2008 bis Anfang 2009 ist eine Erweiterung der Plakatkampagne mit neuen Motiven geplant.

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