Stellen Sie sich einen Ort nur für Männer vor, einen geschützten Raum, an dem sie unter sich sein, ihre Erfahrungen austauschen, sich Rat holen und gegenseitig helfen können. Moment mal, gibt es das nicht schon zu genüge? Schließlich ist Geschlechterexklusivität das Prinzip vieler Clubs, Kneipen, Vereine, Verbindungen und Orden. Aber das Münchner Informationszentrum für Männer, kurz MIM, ist anders. Hier treffen sich zum einen diejenigen, die in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt erfahren haben, gegen die Gewalt ausgeübt worden ist oder die sich freiwillig im Rahmen einer Selbsthilfe- und Selbsterfahrungsgruppe mit ihrem Rollenverständnis und ihrer Männlichkeit auseinandersetzen möchten. In der Fachstelle wird auch mit Männern gearbeitet, die durch Straßengewalt oder sexualisierte Gewalt aufgefallen sind. „Das Hauptstandbein des MIM ist jedoch die Arbeit mit Männern, die häusliche Gewalt gegen ihre (Ex-)Partnerin, sprich Partnerschaftsgewalt verübt haben. Das sind allein in diesem Bereich ca. 200 Männer im Jahr”, sagt Andreas Schmiedel, Leiter der Einrichtung. Er erklärt, wieso diese Täterarbeit wichtig ist, wie sie vonstattengeht und wie es mit der Erfolgsquote aussieht.
Die Wenigsten kämen freiwillig ins MIM, erklärt der Diplom-Sozialpädagoge: „Im Bereich der häuslichen Gewalt ist der ganz überwiegende Teil zum Beispiel aufgrund einer gerichtlichen oder amtlichen Weisung da, Selbstmelder sind eher selten.” Deshalb müsse Vertrauen und eine Arbeitsgrundlage geschaffen werden: „In einer Vorgesprächsphase klären wir auch den persönlichen Gewinn durch die Sitzungen, sodass die Männer mit einem positiven Sinn in die Einzelgespräche und die anschließende Gruppenphase einsteigen. Der Versuch die 'Zeit absitzen' ist zwar legitim, aber solche Menschen schaffen es nicht in unsere Gruppen. Die Männer müssen schon an sich arbeiten wollen.” Der erste Schritt sei daher immer die Verantwortungsübernahme: „Wir machen den Leuten klar: Du bist ein handelnder Mensch und für deine Handlung trägst du die Verantwortung. Das gilt für die Frau analog, aber wir arbeiten jetzt mit dir. In dem Moment, in dem du zuschlägst, machst du einen Fehler. Nur mit dieser Einsicht kannst du dein Verhalten künftig ändern.”
Nach den Einzelgesprächen folgt die Gruppenphase, in der acht Teilnehmer und zwei speziell ausgebildete Fachkräfte wöchentlich zusammenkommen. „Wir arbeiten mit den Männern ihre Gewalttaten auf und schauen uns ihre Biografien an. Viele waren selbst in Familien, in denen es Gewalt gab. Wir gehen also davon aus, dass dieses Verhalten abgeschaut bzw. erlernt ist.” Neben der Beleuchtung individueller Auslöser für Gewalt, werden auch das Zulassen und Benennen von Gefühlen trainiert. „Die Teilnehmer lernen insgesamt, ihre Konflikte zu bemerken, sie zu kommunizieren und sich auch durchzusetzen, aber eben konstruktiv statt mit Gewalt. Gemeinsam erarbeiten wir eine Art Notfallkoffer mit Tipps und Tricks, wie man aus akuter Rage rauskommt.” Ein Jahr nach Abschluss sehe man die Männer nochmal: „Wir schauen, ob es problematische Situationen gab und ob sie das Erlernte umsetzen konnten. Für uns ist das eine gewisse Evaluation und für die Männer Backup und Absicherung. Sie wissen, sie können sich nochmal Hilfe holen.”
Bei Partnerschaftsgewalt sind die Teilnehmer also insgesamt ca. 15 Monate in 26 wöchentlichen Einzelsitzungen und davon ca. neun Monaten Gruppenphase eingebunden. Fehlzeiten darf es dabei so gut wie keine geben. „Das ist schon eine Hausnummer”, gesteht Andreas Schmiedel, „aber sehr wirksam. Von den Männern, die das Gruppenprogramm erfolgreich abschließen, haben zwei Drittel keinen Gewaltrückfall mehr - und wenn, dann von der Intensität her einen signifikant geringeren als zuvor. Beim letzten Drittel sind wir uns über den Erfolg nicht sicher, weil sie nur noch schlecht mit uns in Kontakt sind.”
Für die Zukunft des MIM und der Täterarbeit generell wünscht sich Andreas Schmiedel politisch und gesellschaftlich mehr Bekanntheit und Akzeptanz: „Letztendlich wird unsere Einrichtung nur mit den Tätern assoziiert, aber faktisch sind wir aktiver Opferschutz. Durch unsere Arbeit klären wir über erlerntes gewalttätiges Verhalten auf und helfen damit zu verhindern, dass Gewalt von Generation zu Generation weitergegeben wird. Zudem wünsche ich mir eine öffentliche Wahrnehmung von häuslicher Gewalt als Teil unserer Gesellschaft: Täter sind nicht immer 'Ausländer', 'Assis', 'Randgruppen' oder 'die anderen'. Häusliche Gewalt findet in allen Schichten unserer Gesellschaft statt: in unserer Nachbarschaft, in unsren Familien und in unserem sozialen Umfeld. Hierfür gilt es, politisch und gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen!”
Münchner Informationszentrum für Männer e.V.
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