„Skandalös”


Von ES
Besucht wurde die Sondersitzung zum Thema „Schulsituation im 22. Stadtbezirk“ nahezu ausschließlich von Stadtteilpolitikern und beruflich oder ehrenamtlich im Schulbereich Tätigen. (Foto: Schraft)
Besucht wurde die Sondersitzung zum Thema „Schulsituation im 22. Stadtbezirk“ nahezu ausschließlich von Stadtteilpolitikern und beruflich oder ehrenamtlich im Schulbereich Tätigen. (Foto: Schraft)
Besucht wurde die Sondersitzung zum Thema „Schulsituation im 22. Stadtbezirk“ nahezu ausschließlich von Stadtteilpolitikern und beruflich oder ehrenamtlich im Schulbereich Tätigen. (Foto: Schraft)
Besucht wurde die Sondersitzung zum Thema „Schulsituation im 22. Stadtbezirk“ nahezu ausschließlich von Stadtteilpolitikern und beruflich oder ehrenamtlich im Schulbereich Tätigen. (Foto: Schraft)
Besucht wurde die Sondersitzung zum Thema „Schulsituation im 22. Stadtbezirk“ nahezu ausschließlich von Stadtteilpolitikern und beruflich oder ehrenamtlich im Schulbereich Tätigen. (Foto: Schraft)

Rund um das Thema „Schule und Bildung“ brodelt es seit geraumer Zeit im Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied: Sehen sich Grund- und Hauptschulen, bei mangelnder Unterstützung im räumlichen und finanziellen Bereich, einem immer höher werdenden Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund gegenüber, so gibt es im gesamten Stadtbezirk 22 keine Realschulen oder Gymnasien. Hinzu kommt noch, dass zunehmend Schülerinnen und Schüler, die von ihren Eltern in den umliegenden Stadtbezirken an Realschulen und Gymnasien angemeldet wurden, wegen Überfüllung nicht aufgenommen werden konnten und nun einen relativ weiten Schulweg zurücklegen müssen. Deshalb hat der Bezirksausschuss am Donnerstagabend eine Sondersitzung mit dem Thema „Schulsituation im 22. Stadtbezirk“ durchgeführt.

Die Sondersitzung „Schulsituation im 22. Stadtbezirk“ war auf Anregung des Unterausschusses (UA) „Soziales, Bildung, Kultur und Sport“ des Bezirksausschusses 22 Aubing-Lochhausen-Langwied zustande gekommen, weshalb die UA-Vorsitzende Anne Hirschmann auch die Moderation übernahm. Zwar war die Veranstaltung als öffentliche Sitzung angekündigt worden, doch nur rund 50 Besucher fanden den Weg in die Turnhalle der Grundschule an der Wiesentfelser Straße. Außerdem interessierte die Sondersitzung anscheinend fast ausschließlich Personen, die sich für das Thema Schule bereits beruflich oder ehrenamtlich engagieren.

Flächenmäßig größter Stadtteil

So konnte der BA-Vorsitzende, Stadtrat Josef Assal, neben seinem Stadtratskollegen Mario Schmidbauer, den Schulräten Isolde Kulzer-Seewald und Hans-Arnold Bauer vom Staatlichen Schulamt, sowie Uwe Grossmann und Wolfgang Brehmer als Vertreter des Münchner Schulreferats, auch Rektoren und Rektorinnen zahlreicher Schulen sowie viele Elternbeiratsvorsitzende begrüßen. Eingeladen waren auch Vertreter des Bayerischen Kultusministeriums, doch gekommen war angeblich aus zeitlichen oder krankheitsbedingten Gründen niemand. Helmut Albig aus dem Westkreuz, ein engagierter Bürger, der schon mehrfach Anträge zur Schulsituation im BA gestellt hatte, brachte die Meinung vielen Anwesender dazu auf den Punkt: „Ich finde es skandalös, dass der Stadtbezirk 22 als flächenmäßig größter Stadtteil Münchens keine weiterbildenden Schulen hat. Genauso skandalös ist es, dass heute Abend kein Vertreter des Kultusministeriums gekommen ist – die lassen uns einfach allein!“.

An seine Begrüßungsrede hängte Josef Assal noch ein paar statistische Zahlen an: Der Stadtbezirk 22 hat rund 40.000 Einwohner, darunter etwa 3300 Kinder im Alter von sechs bis 15 Jahren, also im ungefähren Alter der Erst- bis Neuntklässler, mit einem Migrantenanteil von 31,2 Prozent. Mit zirka 350 Geburten im Jahr befinde sich der Stadtbezirk außerdem in einer Aufwärtsentwicklung, das zeige auch eine Zuwanderung von jährlich rund 200 Einwohnern. Im April 2007 habe der BA erstmals einen Schulantrag zu Freiham gestellt.

Etwas ganz Besonderes

Anne Hirschmann betonte als Sprecherin des Unterausschusses, dass alle Schulanträge immer einstimmig von allen im BA vertretenen Fraktionen beschlossen worden seien: „Wir sind die Problematik unter einem Dach, in einem Raum gemeinsam angegangen, das ist etwas ganz Besonderes! Es zeigt deutlich, dass wir unsere Kinder hier in den Mittelpunkt stellen!“. Innerhalb des BA sei es sehr schwer nachvollziehbar, wenn Schüler in den jeweiligen Schulen angemeldet würden, diese dann aber nicht besuchen könnten, weil die Klassen überfüllt sind. „Es muss doch möglich sein, rechtzeitig festzustellen, wie viele Kinder mit sechs Jahren eingeschult werden, und dann ebenfalls rechtzeitig mit allen Beteiligten eine Prognose zu finden, wie viele Kinder auf welche weiterführenden Schulen wechseln werden“, so Anne Hirschmann.

Uwe Grossmann, beim Schulreferat der Stadt München zuständig für Bedarfsplanung, antwortete hier direkt: Bei weiterführenden Schulen wie Realschule oder Gymnasium gebe es „keine Zuordnung zu bestimmten Bereichen“, also keine Schulsprengel wie bei der Hauptschule. Aufgabe des Schulreferates sei es, allen Kindern in München in der jeweiligen Schulart einen Platz anbieten zu können, ein Anspruch auf eine bestimmte Sprachfolge oder Ausrichtung, wie zum Beispiel musisch oder sozial-wissenschaftlich, gebe es nicht. So seien heuer von einem Gymnasium besonders viele Kinder abgewiesen worden, alle hätten jedoch Plätze auf anderen Gymnasien bekommen. Vor einigen Jahren habe die Stadt München die Zahl der Eingangsklassen auf ihren städtischen Gymnasien auf 50 und bei den städtischen Realschulen auf 48 beschränkt, der Rest müsse von staatlichen Schulen abgedeckt werden.

Umetikettierung

Prognosen seien natürlich für Grundschulen am besten zu erstellen, für den Übertritt müsse man dann die Erfahrungswerte aus den Schulen heranziehen. Momentan gebe es münchenweit zwei Strömungen zu beachten: In Grundschulen steigen die Schülerzahlen wieder an und der Anteil von Schülern, die ein Gymnasium besuchen wollen, werde auch höher. Höre man von Problemen, reagiere man natürlich, aber die Planung für eine neue Schule dauere mindestens fünf Jahre. Vor zwei Jahren sei der Beschluss für drei neue städtische Gymnasien gefallen, eines solle nach Freiham kommen; außerdem sei das Schulreferat dabei, die Kapazität an sechs Gymnasien bereits für das nächste Schuljahr auszuweiten, sei es durch Container oder Anbauten.

Von Seiten der örtlichen Rektorinnen und Rektoren der Grund- und Hauptschulen wurden insbesondere die fehlenden Räumlichkeiten für den Ausbau oder Aufbau von Ganztagsklassen bemängelt; die Schulleitung der Wiesentfelser Hauptschule sprach darüber hinaus ihre Probleme mit dem zunehmenden Migrantenanteil von rund 80 Prozent an und ihre Befürchtungen betreffs einer „Umetikettierung“ zur Mittelschule: „Wir kämpfen jetzt schon mit deutschen Eltern, die Gastschulanträge hinaus in den Landkreis stellen“, betonte Rektor Jürgen Walther, „letzten Endes entwickeln wir uns zu einer reinen ‚Türkenschule’.“

„Lernen vor Ort”

In Aufbruchstimmung gab sich dagegen Wolfgang Brehmer, beim Schulreferat der Stadt München zuständig für Strategie: Er sei gerade aus Berlin zurückgekommen von der dortigen Auftaktveranstaltung zum Förderprogramm „Lernen vor Ort“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Es werde ganz massiv am „Aufstieg durch Bildung“ gearbeitet, auch mit Unterstützung durch finanzielle Mittel. Es gehe jetzt darum, für alle Kinder bedarfsgerechte Plätze zu schaffen und auch in München Bildungsbündnisse herzustellen. Bildungspolitik solle von nun an bundesweit Priorität haben, die Münchner Auftaktveranstaltung von „Lernen vor Ort“ finde am 27. November an den drei ausgewählten Standorten statt. „Aubing ist hier allerdings wieder nicht dabei“, das müsse sie mit Wehmut feststellen, konterte hier Anne Hirschmann, gut, dass man bereits einen „Bildungspakt Aubing“ initiiert habe.

Viele Anregungen und Forderungen aus dem Plenum bezogen sich auf die Freihamplanungen. Hier stellte Grossmann klar, dass es sich bei dem ganzen Schulzentrum um ein „Riesengelände“ handle, für das jetzt ein Realsierungswettbewerb laufe, der 2010 abgeschlossen werden soll. Erst dann könne man mit den Planungen beginnen. Sicher sei, dass der Stadtbezirk vorher weder eine Realschule noch ein Gymnasium bekomme, da es münchenweit ausreichend Plätze gebe. Sicher könne man aber auch sein, dass die Stadt München keine anderen Schulen mehr neu baue, als solche, deren Räumlichkeiten für eine rhythmisierte Ganztagsschule geeignet seien.

Bildungspakt Aubing

„Was uns im BA auch besonders wichtig ist, das ist die Hauptschule an der Wiesentfelser Straße mit ihrem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Ob hier die Umbenennung die Lösung des Problems ist, halte ich für fraglich – das wird sicher ein Thema bleiben. Ein wichtiger Diskussionspunkt ist sicher: Bündnisse suchen; mit dem ‚Bildungspakt Aubing’ haben wir bereits einen Anfang gemacht“, fasste Anne Hirschmann nach rund zweieinhalbstündiger Diskussion abschließend zusammen: „Wenn Banken crashen, ist es möglich, Millardenbeträge zu mobilisieren, dann muss es auch möglich sein, Millionenbeträge für unsere Kinder zu mobilisieren!“.

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