Ende Juni stellten sich zahlreiche Vereine und Institutionen aus dem Stadtviertel beim bunten Sommerfest Allmenzing am Oertelplatz vor. Darunter war auch der IB (Internationaler Bund), der in der Georg-Reismüller-Straße mit zwei Projekten der Wohnungslosenhilfe vertreten ist. Es gehe darum, Berührungsängste abzubauen, hatte Felix Preuß damals erklärt. Der 28-jährige Sozialpädagoge ist in der Langzeit- und Übergangshilfe, in der bis zu 76 Männer selbstbestimmt in Einzelappartements leben, unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Am IB-Stand waren auch einige der Bewohner anzutreffen, man konnte ins Gespräche kommen oder eines der hübschen Vogelhäuschen oder anderen Holzarbeiten kaufen, die in der hauseigenen Werkstatt entstehen.
Die Männer, die Wohnraum in der Langzeit- und Übergangshilfe gefunden haben, werden aufgrund ihrer Vorgeschichte, ihres Alters oder ihres gesundheitlichen Zustands nicht ins Arbeitleben zurückkehren können, und eine eigene Wohnung außerhalb dieses geschützten Bereiches ist zwar offizielles Ziel, aber aufgrund der genannten Faktoren meist unrealistisch bis undenkbar. Wichtig sei es, ihrem Alltag eine gewisse Struktur zu geben, betont Felix Preuß.
Es gibt dazu zahlreiche Angebote, die wahrgenommen werden können. Allerdings müsse man auch respektieren, dass viele der Bewohner durch ihre Erfahrungen erst einmal misstrauisch gegenüber Institutionen seien, dass es viele Einzelgänger gebe und manche überhaupt Schwierigkeiten hätten, soziale Kontakte aufzubauen, fügt er hinzu. Da könne es dauern, bis Vertrauen entstehe.
Die kleinen Appartements beinhalten eine Küchenzeile und ein Bad. Die Männer haben die Möglichkeit sich selbst versorgen, es gibt aber auch eine Kantine, in der sie ihr Essen einnehmen können. Die Langzeit- und Übergangshilfe zielt darauf ab, die Eigenverantwortung der Bewohner zu stärken, gleichzeitig spannt sie ein helfendes Netz mit Sozialberatung, Ergotherapie, psychologischem Dienst und Gesundheitsteam.
„Die Verweildauer im Haus beträgt durchschnittlich vier bis fünf Jahre”, berichtet Felix Preuß. Durch die jahrelangen prekären Lebensumstände ohne adäquaten Zugang zum Gesundheitssystem, durch Alkohol- und Drogenmissbrauch komme es bei einer ganzen Reihe von Bewohnern zu einer sogenannten Voralterung. „Viele gehen schon mit 60 Jahren am Rollator. Etwa zwölf Bewohner sterben jedes Jahr”, erzählt er. Viele davon seien erst Ende 60 oder Anfang 70. Es gebe allerdings auch einen 84-Jährigen, der noch recht fit sei.
Während die Langzeit- und Übergangshilfe darauf abzielt, den Männern, die lange Jahre auf der Straße gelebt haben, einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen, liegt der Fokus im Nachbargebäude auf der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben und der Befähigung, erneut in einer eigenen Wohnung zu leben. Rund 80 Menschen finden dort in kleinen Appartements und Wohngruppen Unterkunft - einige weitere Wohnungen sind auch in anderen Stadtteilen angemietet.
Allerdings wird in diesem Bereich nicht von Appartements, sondern nur von Bettplätzen gesprochen. Die individuelle Gestaltung der Zimmer ist nicht erwünscht. Die Männer sind sozusagen auf der Durchreise. Mit rund 18 Monaten - manchmal auch etwas mehr - werde gerechnet, bis sie wieder ganz auf eigenen Beinen stehen können, erläutert Kristina Strom, die zum Team der Wiedereingliederungshilfe gehört.
In dieser Zeit werden mit professioneller Hilfe die überfälligen Themen angegangen, wie etwa behördliche Angelegenheiten, lebenspraktische Fähigkeiten, Schuldenabbau oder Arbeitsvermittlung. Manche der vorübergehenden Bewohner seien aber auch schon ganz gut integriert, hätten sogar einen Job, nur eine eigene Wohnung sei nicht zu finden. Auf jeden Fall müsse eine gewisse Hilfebedürftigkeit gegeben sein.
Die Wohnungsnot in München sei tragisch, konstatiert die 27-jährige Sozialpädagogin. Und wer wohnungslos sei und nur wenig Geld zur Verfügung habe, sei schwer zu vermitteln.
„Man muss zwischen wohnungslos und obdachlos unterscheiden”, erklärt Felix Preuß. Ein Teil der Männer habe nie auf der Straße gelebt, sondern sei bei Verwandten, Freunden oder in Wohnheimen untergekommen. Bei einigen würde auch nie jemand annehmen, dass sie in einem Haus der Wohnungslosenhilfe lebten. Gemeinsam sei aber allen Bewohnern in den beiden Einrichtungen, dass an irgendeiner Stelle in ihrem Leben etwas schief gegangen sei. „Es kann jeden treffen”, setzt er nachdenklich hinzu. Kristina Strom nickt zustimmend. Wenn tragende Säulen im Leben eines Menschen wegbrechen und dieser kein stabiles Netzwerk habe, so könne schon schnell eine Spirale nach unten in Gang gesetzt werden.