Die Biografien auf den Stellwänden im Gilchinger Schichtwerk-Museum stehen stellvertretend für die Opfer im Landkreis Starnberg, die im Dritten Reich umgebracht wurden, da sie behindert oder krank waren sowie für die als „erbkrank“ stigmatisierten Männer und Frauen, die zwangssterilisiert oder misshandelt wurden. Noch bis zum 22. Oktober ist die Wanderausstellung zum Thema „Euthanasie“ zu besichtigen. Anlässlich des Tags des offenen Denkmals gab es dazu gemeinsam mit „Pax Christi“ eine Gedenkveranstaltung vor dem Mahnmal am Ölberg.
Auf den Tafeln sieht man Fotos, Briefe und Lebensläufe, auch eine „Anstaltsordnung“, die den „Pfleglingen“ bei Fehlverhalten mit Strafen wie „Herabsetzung der Kost“ droht. Für ihre Recherchen hat Kreisarchivarin Friedrike Hellerer Archive, Gedenkstätten, Pflegeeinrichtungen, Einwohnermeldebehörden und Pfarrämter in ganz Deutschland besucht. Mit ihrer Ausstellung hat sie die Opfer aus der Anonymität geholt und ihnen ein Gesicht gegeben, aber auch die Vorgänge aufgezeigt, die damals zur „selektiven Auslese“ bestimmter Menschen und in der Folge zu deren Ermordung geführt haben.
Ein Beispiel ist der Gilchinger Landwirt Georg Bichler, der durch einen Unfall zum Pflegefall wurde. Der Amtsarzt wies den als „unnützen Esser mit hohem Pflegeaufwand“ Geschmähten, in die Anstalt Heim Eglfing-Haar ein, wo er wenige Monate später starb. Extra für Gilching wurden zwei weitere Tafeln für die Ausstellung angefertigt. Auf einer wird an das Schicksal von Juliana Meier erinnert. Ihr unkonventioneller Lebenswandel rückte sie ins Visier der Nazis. Juliana Meier starb 1944 im Konzentrationslager Auschwitz. Auch der Bruder des Gilchinger Malers Jules Werson, Joseph Werson, war ein NS-Opfer. Der Bürgermeister im französischen Malmedy wurde als Gegner des Nationalsozialismus im KZ Sachsenhausen umgebracht.
1933 wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ erlassen, Durch eine Art Zucht sollte eine sogenannte „Reinheit der Rasse” erhalten werden. Dabei wurden Menschen, die nicht in das Bild der Nazis passten, gerne als lebensunwert und geisteskrank abgestempelt und in Anstalten gesteckt. Dort wurden sie zu Tode gespritzt, sie verhungerten qualvoll oder starben wegen mangelnder Pflege und Versorgung. Bei der Gedenkveranstaltung am Ölberg zitierte Martin Pilgram von Pax Christi den Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier: „Vergessen wir nicht, dass die Inhumanität im Denken beginnt, sich in der Sprache fortsetzt und zu verbrecherischen Taten führt“. Pilgram appellierte, dass man „immer wieder unser eigenes Denken, Reden und Handeln über und gegenüber anderen Menschen“ überdenken soll.
Am Sonntag, 6. Oktober kommt Hellerer um 11 Uhr zur Finissage in das Wersonhaus, Brucker Straße 11, und spricht zum Thema „Zwangssterilisation im Landkreis Starnberg“.