„Unsere Schüler sollen optimal auf das Berufsleben vorbereitet werden und auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Chancen haben wie andere Jugendliche in ihrem Alter”, beschreibt Jürgen Walther eines der wichtigsten Ziele der Arbeit des Kollegiums und der Schulfamilie. Er ist Schulleiter an der Hauptschule an der Wiesentfelser Straße in Neuaubing, die auch häufig als Brennpunktschule bezeichnet wird, da 80 Prozent ihrer Schüler aus Familien mit Migrationshintergrund stammen. „Ein Wort, das ich selbst allerdings niemals in den Mund nehmen würde”, erklärt Walther.
Mit einem breit gefächerten Förderprogramm, das sich an den Grundprinzipien eines durchdachten Leitbildes orientiert, wollen er und seine Kollegin Elsbeth Zeitler ihre Schüler optimal ausbilden, egal ob sie deutscher oder ausländischer Herkunft sind. Den Erfolg ihrer Arbeit können beide mit einer beinahe sagenhaften Quote belegen: „Rund 50 Prozent unserer Schulabgänger schaffen es nach der neunten Klasse direkt in ein Ausbildungsverhältnis”, erklärt Walther.
Doch auch die andere Hälfte stehe nicht auf der Straße, wie der Schulleiter betont. Einige besuchen weiterbildende Schulen, manche Schüler nehmen auch an berufsqualifizierenden Maßnahmen teil. Für ihr Engagement und das vielfältige Projektangebot wurde die Hauptschule an der Wiesentfelser Straße nun als eine von drei Schulen mit dem Förderpreis „Münchner Lichtblicke 2009” ausgezeichnet.
Die Arbeit des Kollegiums und der ehrenamtlichen Helfer orientiert sich im Wesentlichen an drei Säulen. „Zunächst ist es wichtig, dass die Kinder wieder Spaß an der Schule bekommen”, erklärt Walther. Viele der Schüler, die nach der Grundschule in die fünfte Klasse der Hauptschule kämen, seien häufig entmutigt. Sie haben einen ernüchternden Ausleseprozess hinter sich, den sie nach eigenem Empfinden verloren haben. „Um die Freude am Lernen und am Schulbesuch wieder zu stärken, suchen wir zum Beispiel bewusst externe Lernorte auf. Wir organisieren unter anderem zahlreiche Schulfahrten und Exkursionen”, so Walther weiter.
Um die Bildungs- und Berufschancen ihrer Schützlinge zu erhöhen, bietet die Schulgemeinschaft zudem ein großes Förderprogramm zur Ausbildung der Sprachkompetenz an, wie etwa Deutschförderkurse. Auch die Nutzung der hauseigenen Schülerbücherei, die an drei Tagen in der Woche geöffnet hat, soll die Lese- und Sprachkompetenz der Schüler verbessern.
Ab der siebten Klasse sollen die Schüler zudem direkt auf die Anforderungen der Berufswelt vorbereitet werden. So haben Schüler der achten Klassen an der Hauptschule an der Wiesentfelser Straße in den letzten Jahren drei Schülerfirmen gegründet. 2009 entstand etwa die Schülerfirma „Schulkleidung”: Zusammen mit der Kunstlehrerin Katja Peroutka entwickelten die Achtklässler nicht nur ein neues Logo der Schule in den typischen Schulfarben, sondern ließen dieses auch auf T-Shirts drucken, welche sie in der Pause und auf Schulveranstaltungen verkaufen.
Wie in einer richtigen Firma übernehmen die Schüler hier die Aufgaben der Geschäftsführung, erledigen Bankgeschäfte, koordinieren die Ein- und Ausnahmen und müssen letztendlich auch Gewinn erzielen. Walther und Zeitler legen großen Wert darauf, dass die einzelnen Schülerfirmen, zu denen auch die Schülerzeitung und ein Vorlesedienst gehören, nicht nur kurzfristig bestehen. „In manchen Schulen werden die Firmen nach einiger Zeit wieder abwickelt, aber wir halten es für wichtig, dass die Firmen langfristig betrieben werden, denn dadurch wird den Schülern Beständigkeit vermittelt”, so Walther.
Über den mit insgesamt 3000 Euro dotierten Schulsonderpreis des Förderpreises „Münchner Lichtblicke”, den sich die Hauptschule an der Wiesentfelser Straße mit der Grundschule an der Eduard-Spranger-Straße und der Städtischen Wilhelm-Busch-Realschule teilt, freuen sich Walther und Zeitler besonders. Die ideelle Unterstützung sei dabei aber mindestens genauso groß und wichtig wie die materielle Hilfe.
Mit dem Förderpreis „Münchner Lichtblicke”, der in diesem Jahr zum zehnten Mal vom Ausländerbeirat , der Stadt München und vom Verein Lichterkette verliehen wurde, werden Initiativen, Projekte, Einzelpersonen und seit 2008 auch Schulen ausgezeichnet, die sich Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entgegenstellen und sich in vorbildlicher Weise für ein friedliches Miteinander, Toleranz, Zivilcourage und kulturelle Vielfalt einsetzen.
Der mit 1500 Euro dotierte Preis in der Kategorie Einzelperson ging an den Kenianer und Akrobaten David Rashid für seine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Der Ideenwettbewerb „Diskriminierung geht alle an” des Kreisjugendrings München-Stadt gewann den mit 2500 Euro dotierten Preis in der Kategorie Projekt.
In der Kategorie Einrichtung mit 5.000 Euro wurde der Verein „Rechtshilfe für Ausländerinnen und Ausländer München” ausgezeichnet. Dort berät ein Fachteam von ehrenamtlichen Rechtsanwälten Migranten zu Fragen des Ausländerrechts, wie etwa, ab welchem Zeitpunkt eine Ausländerin, die mit einem Deutschen verheiratet ist, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommt oder wie viel ein ausländischer Student in Deutschland nebenbei arbeiten und verdienen darf.
Allein im vergangenen Jahr haben 579 Ausländer und Ausländerinnen aus allen Teilen der Welt Verständnis und Rat bei der Rechtshilfe gesucht: „Viele Migranten haben bei vor allem bei heiklen rechtlichen Themen Verständigungsprobleme oder Hemmungen, überhaupt einen Anwalt aufzusuchen. Hinzu kommt natürlich, dass sie meist auch nicht viel Geld haben”, erzählt Michael Sack, einer der ehrenamtlichen Anwälte. Für ihn ist die Rechtshilfe ein „Ariadne-Faden im Labyrinth des Aufenthaltsrecht”.
Der Vorsitzende des Ausländerbeirats, Cumali Naz, machte in seiner Ansprache zum Jahresempfang, in dessen Rahmen die Preisverleihung stattfand, deutlich, dass es im Bereich der Integration von Migranten noch viel zu tun gibt. Er zitierte in diesem Zusammenhang auch eine neue OECD-Studie, nach der Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten als deutsche Bürger mit gleichen Qualifikationen. Zudem kritisierte er, dass Kinder aus Migrantenfamilien oft quasi automatisch der Hauptschule zugeordnet werden. „Wir sollten integrieren, nicht separieren”, appellierte er an seine Zuhörer.