Veröffentlicht am 18.02.2010 09:51

„Sprache ist Voraussetzung für Integration“


Von TG
Sind froh darüber, dass es die „Mercator-Stiftung” gibt. (v.l.): Saskia Heinisch, Sozialreferent Friedrich Graffe,  Martina Fiedler, Eldina Sarcevic, Dilara Dede, Kerstin Lehner, Projektmanagerin, Mikhail Kranaperov, Viktoriia Mikheieva. (Foto: tg)
Sind froh darüber, dass es die „Mercator-Stiftung” gibt. (v.l.): Saskia Heinisch, Sozialreferent Friedrich Graffe, Martina Fiedler, Eldina Sarcevic, Dilara Dede, Kerstin Lehner, Projektmanagerin, Mikhail Kranaperov, Viktoriia Mikheieva. (Foto: tg)
Sind froh darüber, dass es die „Mercator-Stiftung” gibt. (v.l.): Saskia Heinisch, Sozialreferent Friedrich Graffe, Martina Fiedler, Eldina Sarcevic, Dilara Dede, Kerstin Lehner, Projektmanagerin, Mikhail Kranaperov, Viktoriia Mikheieva. (Foto: tg)
Sind froh darüber, dass es die „Mercator-Stiftung” gibt. (v.l.): Saskia Heinisch, Sozialreferent Friedrich Graffe, Martina Fiedler, Eldina Sarcevic, Dilara Dede, Kerstin Lehner, Projektmanagerin, Mikhail Kranaperov, Viktoriia Mikheieva. (Foto: tg)
Sind froh darüber, dass es die „Mercator-Stiftung” gibt. (v.l.): Saskia Heinisch, Sozialreferent Friedrich Graffe, Martina Fiedler, Eldina Sarcevic, Dilara Dede, Kerstin Lehner, Projektmanagerin, Mikhail Kranaperov, Viktoriia Mikheieva. (Foto: tg)

Deutsche Sprache – schwere Sprache! Diesen Eindruck müssen aus dem Ausland stammende Kinder gewinnen, die mit ihren Eltern noch nicht lange in Deutschland leben. Für sie gerät der Schulunterricht zur Tortur, weil sie viele Begriffe nie zuvor gehört haben. Das Wort „Gewackel“ zum Beispiel, das in einem Gedicht von Michael Ende vorkommt, gehört zu den Vokabeln, die sie nicht kennen. Auf die Zeile: „Durch Wüstensand trabt mit Gewackel ein seltenes Tier der Dromedackel“ können sich die Schüler also keinen Reim machen.

Die elfjährige Viktoriia ist vor zweieinhalb Jahren aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Sie geht in die fünfte Klasse des Michaeligymnasiums. Das aufgeweckte Mädchen spricht ein akzentfreies klares Deutsch. Dennoch sagt sie: „Es gibt Wörter, die ich nicht verstehe und bei denen ich nicht weiß, wie sie geschrieben werden.“ Vor allem bei Fremdwörtern tue sie sich schwer. Zum Beispiel bei dem Wort: „Recycling“. Die gleichaltrige Dilara besucht dieselbe Klasse wie Viktoriia. Sie ist zwar in München geboren worden, hat aber Lücken, wenn es beispielsweise um Sachtexte über die Römer geht. Auch sie gesteht: „Da gibt es Wörter, bei denen ich nicht weiß, was sie bedeuten. Meine Mutter kann mir das manchmal auch nicht erklären.“ Für die beiden hoch motivierten Mädchen ist es „toll”, dass sie ihre Angst vor schwierigen Wörtern und vor Prüfungen dank der Stiftung „Mercator“ mittlerweile verloren haben.

Bildungschancen verbessern

Seit März 2009 haben Kinder von Zuwanderern wie Dilara und Viktoriia in München die Gelegenheit, am kostenlosen Deutsch-Förderunterricht der Stiftung „Mercator“, benannt nach dem aus Flandern stammenden Kartografen Gerhard Mercator (1512-1594), teilzunehmen. Über 300 Schülerinnen und Schüler an 17 Münchner Schulen kommen so in den Genuss, ihre sprachlichen Fähigkeiten in allen Fächern und damit ihre Bildungschancen zu verbessern. Sechs Hauptschulen, drei Realschulen, fünf Gymnasien, zwei sonderpädagogische Förderzentren und eine Wirtschaftsschule haben sich in München der Idee geöffnet, Kinder in kleinen Gruppen individuell zu fördern. Sie werden von 75 Studierenden der Ludwig-Maximilians-Universität, die ins Lehramt wollen, unterrichtet. Bundesweit finanziert die Stiftung seit dem Jahr 2004 mit zehn Millionen Euro an 35 Standorten den Unterricht schulpflichtiger Kinder von Migranten. Vordringliches Ziel des Vorhabens ist es, den Schülerinnen und Schülern ein besseres Verständnis der deutschen Sprache zu vermitteln.

Zu einem ersten Erfahrungsaustausch trafen sich kürzlich ein Team der Stiftung und Kooperationspartner in der städtischen Carl-von-Linde-Realschule im Westend – die nimmt teil am „Mercator-Projekt”. Schulleiterin Maria Asenbeck-Falkenstein – „Sprache ist Voraussetzung für Integration“ – begrüßte neben dem Team den Sozialreferenten Friedrich Graffe, Vertreter des Kultusministeriums und der LMU, Lehrkräfte Münchner Schulen sowie die „Initiativgruppe Interkulturelle Begegnung und Bildung”.

„Müssen erst alphabetisiert werden”

Angelika Loders, Schulleiterin am Michaeligymnasium zog Bilanz: „Wir nehmen seit Herbst an diesem Projekt teil. Es hat sich gezeigt, dass die Kinder seitdem sehr viel selbstsicherer geworden sind.“ Die 16 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler aus der fünften Jahrgangsstufe seien selbstständiger geworden. Sie trauten sich, mehr zu sprechen. Auch Klassenlehrer Harald Kraus – er koordiniert das Projekt an der Carl-von-Linde-Realschule – berichtete Positives. Mikhail zum Beispiel, der erst vor einem Jahr von Russland nach München gekommen sei, habe es vom Gastschüler auf Probe geschafft, als Regelschüler in die fünfte Klasse aufgenommen zu werden. „Wir sind unendlich froh, dass es diese Stiftung gibt.“ Angelika Thuri Weiss, Leiterin der Hauptschule „Simmerschule“ erzählte von den Schwierigkeiten einer Schule mit 230 Schülern aus 30 verschiedenen Nationen in Schwabing. „Viele Kinder haben in ihrer Heimat noch keine Schule besucht. Die müssen erst alphabetisiert werden.“ Sie habe deswegen sofort „Ja“ gerufen, als es die Chance gab, die Sprachförderung an die Schule zu holen. Thuri Weiss: „Das ist eine große Unterstützung für uns.“

Nur 40 Prozent der Schüler können dem Unterricht folgen

Friedrich Graffe unterstrich, wie wichtig und hilfreich das „Mercator-Projekt” für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund ist. Stiftung und Sozialreferat arbeiteten Hand in Hand. Graffe: „In München leben mehr als 98.000 Kinder und Jugendliche mit diesem Hintergrund. Das sind 50 Prozent der Münchner Jugend bis 18 Jahre.“ Im Vergleich zu Mitschülerin seien sie häufig benachteiligt. So habe eine Untersuchung ergeben, dass nur rund 40 Prozent der nicht aus Deutschland stammenden Kinder dem Unterricht folgen könnten. Aber, so Graffe: „Gute Abschlüsse entscheiden über Perspektiven und Chancen.“ Weil das Fach „Deutsch“ als zweite Fremdsprache an der Universität explodiert sei, forderte Professor Klaus H. Kiefer, vom Lehrstuhl für die Didaktik der deutschen Sprache, mehr Personal. Das Kultusministerium und die Hochschulleitung, so Kiefer, machten zu wenig für die Lehrerbildung. Professor Ewald Kiel, vom Lehrstuhl für Schulpädagogik, sieht ein „Riesenproblem“ in einer intensiveren Lehrerausbildung: „Wir können das von der Kapazität her nicht leisten. Da muss sich was ändern.“

Tobias Haaf vom Referat für Integrationsfragen des Kultusministeriums räumte ein, dass es bei diesem Thema Nachholbedarf gebe, bat aber um Geduld. Das „Mercator- Projekt” ist für ihn ein wichtiger Baustein eines Gesamtkonzeptes, die Integration von Schülern zu verbessern. „Es ist eine große Chance, Praxiserfahrungen zu sammeln“, erklärte Lehramtsstudentin Saskia Heinisch. Sie findet das Projekt überzeugend. Die Arbeit mit den Schülern sei wirklichkeitsgetreu. Diese Erfahrung könne die Universität nicht vermitteln. Und: „ Wir haben die Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern zu helfen. So werden sie wirksam gefördert. Das ist eine sinnvolle Sache.“ Ihr gehe es nicht um die zehn Euro, die sie dafür pro Stunde vergütet bekomme.

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