Kinder und Jugendliche wollen gefordert werden. Das lässt sich im Multikulturellen Jugendzentrum (MKJZ) in der Westendstraße gut beobachten. Dort verbringt der Nachwuchs aus über 25 Nationen seine Freizeit. Die Kinder und Jugendlichen fühlen sich für „ihren” Treff verantwortlich. Das macht ihnen doppelt und dreifach Freude, weil sie bei allem, was ihre Belange betrifft, mitbestimmen dürfen. So wählen sie seit drei Jahren in geheimer Wahl alljährlich einen Kinder- und Jugendrat. Am Nachmittag des vorigen Freitag war es wieder einmal soweit: Gespannt verfolgten Mädchen und Jungen, wer gewählt worden war, um im Jahr 2010 ihre Interessen zu vertreten. Der Wahlvorstand zählte 90 abgegebene Stimmen. Acht neue „Räte” werden sich nun für ein Jahr lang ganz besonders fürs MKJZ verantwortlich fühlen.
Dem neuen Kinderrat gehören die Mädchen Selam und Hannan sowie die Jungen Meriton und Admir an. In den Jugendrat wurden Javier, Samet, Fatih und Mönchl gewählt. Wie bei den Gremien der Erwachsenen gab es bei den Wahlen zum Kinder- und Jugendrat „Teams“ und „Wahlprogramme“. Und wie bei den „Alten” gibt es auch im Jugendzentrum die Möglichkeit, „nachzurücken“. Falls Räte ausfallen, rücken die Kinder nach, die in den Wahlen die nächstmeisten Stimmen erhalten haben. Dadurch, so Ismail Sahin, Leiter der Einrichtung, sei gewährleistet, dass sowohl der Kinder- als auch der Jugendrat nachhaltig und dauerhaft arbeiten können. Sahin bringt es mit der Formel: „Integration durch Verantwortung“ auf den Punkt.
Dass sie gemeinsam entscheiden dürfen, festige das Verhältnis „der jungen Leute” zu „ihrem” Zentrum, ist Ismail Sahin überzeugt. Es habe sich zum Beispiel längst als günstig für den Zusammenhalt aller Gruppen erwiesen, dass „wir die Hausregeln mit den Kindern und Jugendlichen aufgestellt haben.“ Es werde ebenfalls zusammen entschieden, wenn es darum gehe, welche Konsequenzen Regelverstöße nach sich ziehen sollen. Sahin: „Das ist eine Simulation unserer Gesellschaft” oder „Demokratie im Kleinen”. Die „Anhörung“, so Sahin, habe sich hervorragend bewährt. Bei den Kindern sei ein Lernprozess zu beobachten: „Die Kinder, die aus den unterschiedlichsten Kulturen kommen, sehen dass sie einen Spielraum haben. Das erzeugt soziale Balance.“ Sobald sie sich anerkannt und respektiert fühlten, seien sogar schwierige Jugendliche bereit und in der Lage, um Verzeihung zu bitten, wenn sie „Mist gebaut haben”. Das gelte auch für das Verhältnis zwischen ihm und den jungen Leuten. Sahin: „Die entschuldigen sich und hören zu. Weil das ‚Wir-Gefühl’ da ist, klappt es, in Frieden zusammenzuleben.“
In vielen Bereichen werde alles versucht, die Wünsche der Jugendlichen in die Tat umzusetzen, erzählt Sahin. So sei es gelungen den „Traumhof“, eine vielfältig nutzbare Freizeitfläche und einen Bio-Garten entstehen zu lassen. Mit dem Projekt „Architektur mitten im Leben“ – einer Kooperation des MKJZ und der Hochschule für Architektur werde beispielsweise ein Farb- und Raumkonzept entworfen, mit dessen Hilfe das Haus des Zentrums verschönert werden soll. Absolut wichtig ist Sahin die Geschlechtergerechtigkeit: „Es geht um Kinder- und Menschenrechte.“ Unbestritten ist für ihn die Vorbildfunktion der Kinder- und Jugendräte: „Das ist ein Lernprozess.
Der 14-jährige Javier Tahenti ist einer der neuen Jugendräte. Er hat auch bisher stets geholfen, den Betrieb des Zentrums am Laufen zu halten. Umso mehr freut es ihn, dass er jetzt mitbestimmen und sich einmischen darf. Beim Thekendienst sieht er die Chance, Geld zu sparen, um fällige Reparaturen zu bezahlen. Javier: „Unser Kicker ist kaputt. Entweder wir können ihn reparieren oder wir müssen einen neuen kaufen.“ Der Kauf von Disco-Lampen sei gleichfalls überfällig. Der neue Jugendrat Samet Özel, 17, betreut jüngere Gäste des Zentrums bei den Hausaufgaben. Und – er hat im Keller ein Musikstudio aufgebaut. Samet: „Die Kinder schauen zu und lernen dabei. Sie sind ja unsere Nachfolger.“
Meriton, 9, gehört wie Javier zu denen, die an Samstagvormittagen für andere Kinder und Jugendliche das Frühstück zubereiten – mit Semmeln und Marmelade oder nach den Vorlieben anderer Nationalitäten. Das nennt Sahin: „Soziales Lernen“. Nach seinen Wünschen befragt, bekommt Meriton leuchtende Augen. Ein Ausflug mit den Betreuern des Jugendzentrums zum Skyline-Park hat sich ihm unauslöschlich eingeprägt. „So einen Ausflug würde ich gerne mal wieder machen“, strahlt er.