Veröffentlicht am 05.08.2014 15:05

„Das ist brutale Arbeit”


Von sb
Foto: imp
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Deutschland ist Fußball-Weltmeister! Durch den Titel der DFB-Elf ist ein Boom zu erwarten, der viele Fußball-Vereine in der Landeshauptstadt vor große Probleme stellen dürfte. Schon im Februar haben die Münchner Wochenanzeiger untersucht, wie es um die Sportstätten in München und Umgebung bestellt ist. Viele Vereine klagen über Platzmangel und schlechte Ausstattung. In unserem Sommergespräch haben wir die aktuelle Situation der Fußballvereine erörtert, aber auch darüber gesprochen, wie sich die Initiative „Fairplay München“ (die Münchner Wochenanzeiger sind hier Medienpartner des Bayerischen Fußball-Verbandes BFV), die sich um ein Miteinander im Amateurfußball bemüht, im ersten Jahr ihres Bestehens entwickelt hat.

Gewaltthemen sind verschwunden

„Wir waren sehr erfolgreich“, erklärt Bernhard Slawinski, BFV-Kreisvorsitzender und Initiator von „Fairplay München“, „und haben es geschafft, dass der Amateurfußball wieder von seiner schönen Seite gezeigt wird. Die Gewaltthemen sind, mit wenigen Ausnahmen, komplett von unseren Fußballplätzen verschwunden.“ Damit dies in der Kürze der Zeit gelingen konnte, waren viele Gespräche notwendig. „Wir müssen Verständnis fördern und Vorurteile abbauen. Das ist der Großteil unserer Arbeit.“ Durch die vielen internationalen Vereine sei der Münchner Fußball grundsätzlich schon sehr lange interkulturell offen. „Entscheidend ist, dass der BFV erkannt hat, dass man nicht nur verwalten darf. Wir müssen vor Ort sein. Und das haben wir mit Fairplay schneller geschafft, als wir geplant hatten.“

Spaß sollte im Vordergrund stehen

Michael Franke stand der Initiative „Fairplay München“ zu Beginn skeptisch gegenüber: „Die Gewalt-Thematik fand ich nicht dramatisch“, betont der 1. Vorstand der FT München-Gern. Wichtig ist seiner Ansicht nach dennoch, dass weiter darüber geredet wird und auch eine entsprechende Berichterstattung erfolgt. „Nur so kann man die Problematik in den Griff bekommen. Wir müssen grundsätzlich wieder dahin kommen, dass es um den Fußball geht. Keiner kämpft hier um sein Leben – der Spaß sollte immer im Vordergrund stehen.“

Ein Spielabbruch war der Grund, weshalb der TSV Großhadern mit „Fairplay München“ in Kontakt kam. „Da ging es nicht um das Thema Gewalt, sondern um eine Unsportlichkeit eines unserer Spieler gegenüber dem Schiedsrichter“, erklärt Herbert Sammer, Leiter der Fußballabteilung. „Die Initiative ist gut“, sagt Sammer. „Insgesamt hat sich die Problematik auf den Plätzen beruhigt.“

Große Herausforderung

Auch die Stadt München zeigt sich zufrieden mit „Fairplay München“. Man müsse das Thema Gewalt auf Fußballplätzen sehr ernst nehmen, konstatiert Verena Dietl. „Einen großen Dank von Seiten der Stadt an die Initiative ‚Fairplay München.“ Die Arbeit, die die Münchner Fußballvereine täglich leisten, sei eine große Herausforderung – verbunden mit einem hohen Anteil an Integrations- und an Sozialarbeit, so die SPD-Stadträtin. Viele Vereine hätten sich alleine gelassen gefühlt und nicht gewusst, wie sie mit dem Thema Gewalt umgehen sollen.

Katastrophaler Zustand

Doch mit welchen Problemen kämpfen die Fußballvereine vor Ort noch? Herbert Sammer beschreibt den Zustand der Bezirkssportanlage in der Ludwig-Hunger-Straße als Katastrophe. „Wir haben nicht nur einen Platz mit roter Erde, sondern auch noch den ältesten Kunstrasenplatz Münchens. Auch unsere zweite Anlage in der Heiglhofstraße pflegen wir seit Jahren selbst.“ Früher habe die Stadt die Kosten übernommen, mittlerweile gebe es einen Zuschuss.

Sammer hat nach eigenen Angaben Probleme mit der sogenannten Prioritätenliste der Stadt, in der festgelegt wird, wann welche Sportanlage saniert wird. „2012 waren wir auf Platz fünf und im Frühjahr auf Platz 3. Beim Zustand unserer Anlage kommen nur noch die wenigsten zu uns, zumal wir in fünf Kilometer Luftlinie den TSV Neuried haben. Eine Gemeinde, die in ihren Verein enorm investiert. Da können wir nicht mithalten und sind für viele Spieler, Kinder und Jugendliche, aber auch Betreuer unattraktiv.“

Viel persönliche Energie

Besser aufgestellt ist dagegen der TSV Solln, der in den letzten Jahren unter anderem seine Bezirkssportanlage in der Herterichstraße gemeinsam mit der Stadt saniert, umgebaut und erweitert hat. „So haben wir jetzt super eigene Sportanlagen mit drei Kunstrasenplätzen in verschiedenen Größen“, berichtet Hans Bauer, der 1. Vorsitzende. „Hier steckt 15-jährige unheimliche persönliche Energie dahinter, mit vielen zu überwindenden Hindernissen und Klimmzügen, damit diese Objekte auch finanziell gestemmt werden konnten. Und das ist in einer Großstadt mit 700 Sportvereinen um vieles schwieriger als in Gemeinden mit nur einem Sportverein.“

Die Sportanlage hat der Verein am 1. Juli 2012 auf Basis eines Erbbaurechtsvertrags für 25 Jahre in Eigenregie und -verantwortung übernommen. Mit 40 Mannschaften – außer dem TSV Solln mit seinen 35 Mannschaften, davon 30 Jugendteams, nutzen noch drei weitere Vereine die Anlage – stoße man hier schon wieder an die Grenzen der möglichen Nutzungskapazitäten. „Sollte die WM einen neuen Boom auslösen, wird es eng“, so Bauer.

„Da tun sich viele Vereine schwer”

Einen vernünftigen Kunstrasenplatz anstelle des im Moment mit Flutlicht ausgestatteten Ascheplatzes wünscht sich auch Christian Brey vom ESV Neuaubing, nur so könne man angemessen und modern trainieren sowie Mitglieder gewinnen oder halten. „Unser Plus ist gleichzeitig unser Minus: Uns gehört fast das komplette Vereinsgelände. Das heißt, dass zur Erhaltung bereits Investitionen nötig sind, die dann nicht mehr für Neuerungen vorhanden sind.“

Komplett in Eigenregie ist auch die FT München-Gern für ihre Sportanlage zuständig. „Der Unterhalt einer Anlage hängt an einer zentralen Funktion, weil man Marketing, Werbung und Sponsoring in der Hand hat“, erklärt Michael Franke. „Das ist ein wichtiger Punkt, den man exzessiv verfolgen muss. Wir brauchen jedes Jahr zusätzlich 30.000 Euro aus Sponsoring, um die Anlage zu betreiben. Wenn wir das nicht hätten, würde es nicht funktionieren. An das Geld ranzukommen ist eine brutale Arbeit. Da tun sich viele Vereine schwer“, weiß der 1. Vorsitzende des Vereins. „Mich ärgert es allerdings, dass wir bei Ausschusssitzungen im Verein mittlerweile zu 80 Prozent über Verwaltung reden. Es geht nicht mehr um den Fußball.“

„Wir zehren vom Ehrenamt”

Man müsse sehen, was die Vereine leisten. „Das ist enorm“, so Franke. „Nur, welchen Gegenwert bekommen wir? Das passt nicht zusammen. Wir könnten soviel an Nachsorge und Betreuung sparen, wenn wir richtig präventiv arbeiten könnten und die Vereine super tolle Anlagen hätten. Das kostet einen Haufen Geld, wäre aber eine geniale Investition.“ Seiner Meinung nach sollte jeder größere Verein zwei hauptberufliche und von der Stadt bezahlte Trainer haben, die alles organisieren. „Da könnte man ganz anders arbeiten. Wir zehren so vom Ehrenamt – das geht auf lange Sicht nicht mehr gut.“

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