Veröffentlicht am 24.04.2008 11:46

Das Ende ist ein Übergang


Von BB
Franz Schröther, Blindeninstitutsleiterin Karin Stecher-Stepp und der Schatzmeister des St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Vereins, Wolfgang Kehrmann, (v.l.) präsentieren die Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum vor der Gedenktafel für Peter Dörfler, den langjährigen Direktor (von 1915 bis 1955) des Marien-Ludwig-Ferdinand-Heims. (Foto: bb)
Franz Schröther, Blindeninstitutsleiterin Karin Stecher-Stepp und der Schatzmeister des St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Vereins, Wolfgang Kehrmann, (v.l.) präsentieren die Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum vor der Gedenktafel für Peter Dörfler, den langjährigen Direktor (von 1915 bis 1955) des Marien-Ludwig-Ferdinand-Heims. (Foto: bb)
Franz Schröther, Blindeninstitutsleiterin Karin Stecher-Stepp und der Schatzmeister des St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Vereins, Wolfgang Kehrmann, (v.l.) präsentieren die Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum vor der Gedenktafel für Peter Dörfler, den langjährigen Direktor (von 1915 bis 1955) des Marien-Ludwig-Ferdinand-Heims. (Foto: bb)
Franz Schröther, Blindeninstitutsleiterin Karin Stecher-Stepp und der Schatzmeister des St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Vereins, Wolfgang Kehrmann, (v.l.) präsentieren die Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum vor der Gedenktafel für Peter Dörfler, den langjährigen Direktor (von 1915 bis 1955) des Marien-Ludwig-Ferdinand-Heims. (Foto: bb)
Franz Schröther, Blindeninstitutsleiterin Karin Stecher-Stepp und der Schatzmeister des St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Vereins, Wolfgang Kehrmann, (v.l.) präsentieren die Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum vor der Gedenktafel für Peter Dörfler, den langjährigen Direktor (von 1915 bis 1955) des Marien-Ludwig-Ferdinand-Heims. (Foto: bb)

Er ist einer der altehrwürdigen Vereine Münchens, eine Neuhauser Institution, die stets das Wohlergehen von benachteiligten Kindern in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellte: der St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Verein. 151 Jahre ist er heuer alt und älter wird er auch nicht werden, denn er ist mitten in seiner Auflösung begriffen. Das nicht unbeträchtliche Vermögen, das unter anderem aus dem großen Anwesen im Geviert Roman-, Lachner-, Winthir- und Renatastraße besteht, — erhält das Blindeninstitut, mit dem der St.-Marien-Ferdinand-Verein seit Jahren eine gute Zusammenarbeit pflegt und das seit 1987 auf dem Areal untergebracht ist.

Als Höhepunkt und Zeichen des Übergangs findet am kommenden Dienstag, 29. April, ein großer Festakt mit geladenen Gästen in der Orangerie von Schloss Nymphenburg statt. Unter der Schirmherrschaft von Prinzessin Beatrice von Bayern wird nachträglich das 150-jährige Bestehen des St.- Marien-Ludwig-Ferdinand-Vereins und gleichzeitig 30 Jahre Blindeninstitut München gefeiert.

Im Schutz der Wittelsbacher

Dass die Prinzessin die Schirmherrschaft für den Festakt übernommen hat, ist nicht verwunderlich. Die Wittelsbacher fungierten während vieler Jahre ununterbrochen als Protektoren des Vereins. 1885 übernahm Prinzessin Maria de la Paz, die Ehefrau des Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern, als erste dieses Amt und übte es mehr als 61 Jahre lang aus.

Im Sommer 1881 hatte Gräfin Victorine Butler-Haimhausen ,die Gründerin des St.-Marien-Vereins (wie er damals noch hieß) die „Hadermannsölde” in Neuhausen gemietet, um dort einen „Kinderpflegehof” für 50 Mädchen zu eröffnen. Anfang 1883 kaufte der Verein das Anwesen, dessen Anschrift durch zwischenzeitlich neu vergebene Hausnummern nun Winthirstr. 24 lautete. In den folgenden Jahren wurden weitere angrenzende Wiesen und Höfe dazu erworben und auf dem Gelände Neubauten nach Plänen von Emanuel Seidl errichtet. Seit 1891 besteht die jetzige äußere Form mit Anstaltskirche und Verwaltungsgebäude, die die beiden Weltkriege nahezu unbeschadet überstand.

Auf Bitte des Vereins hatte Ludwig Ferdinand von Bayern 1890 das Protektorat für die neu eingerichtete Knabenabteilung übernommen und damit den Namen St. Marien-Ludwig-Ferdinand-Verein geprägt. Nach seinem Tod 1949 wurde seine Tochter Prinzessin Pilar die Nachfolgerin ihrer Eltern.

„In den Jahren zwischen 1895 und 1914 erlebte der St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Verein seine Blütezeit”, schreibt Franz Schröther von der Geschichtswerkstatt Neuhausen in der Festschrift, die er zum 150-jährigen Jubiläum für den Verein erstellt hat. 1905 lese sich das Mitgliederverzeichnis wie ein 'Who is Who' der Münchner Gesellschaft. Allein elf Prinzesinnen und Prinzen seien verzeichnet gewesen, dazu „Adel ohne Ende” , gut situierte Bürger und die Großbauern Neuhausens, konstatiert der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt, der für die Festschrift sämtliche Protokolle des Vereins gelesen und die Historie zu einer interessanten Lektüre verarbeitet hat.

Zum Wohle der Kinder

Eine extra Seite hat Franz Schröther der Gründerin Victorine Butler gewidmet, die er als „Wohltäterin, Sozialreformerin und Frauenrechtlerin”, kurz als „wichtige Persönlichkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts” bezeichnet. Ihr Aufruf zur Gründung des Vereins belegt dies. Er beginnt mit den Worten: „Unter allen Fragen, deren Lösung als eine Aufgabe der Gegenwart und nächsten Zukunft vorliegt, ist keine, deren Wichtigkeit und Dringlichkeit in allen Ständen der bürgerlichen Gesellschaft mehr und allseitiger anerkannt wird, als die der Fürsorge für die verwahrloste Jugend der untersten Schichten der Gesellschaft”.

„Mit dem Übergang an das Blindeninstitut ist der Gründerwille auch nach 150 Jahren noch sichtbar”, betont der Schatzmeister des St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Vereins, Wolfgang Kehrmann. „Sinn und Zweck des Blindeninstituts ist die Sorge um Kinder.” Und Kindern zu helfen, sei immer auch die Aufgabe des Vereins gewesen.

Der Verein hat für diese Aufgabe verschiedenste Wege beschritten. Über 100 Jahre lang leiteten die Franziskaner-Schwestern von Maria Stern das Kinderheim in Neuhausen. 1987 wurden sie in ihr Mutterhaus in Augsburg zurückberufen. Schon Ende der 60er Jahre waren die Anmeldezahlen für das Heim stark zurückgegangen und der St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Verein hatte noch unter Leitung der Schwestern mit einem Förderprogramm für lernschwache Kinder einen neuen Schwerpunkt gesetzt.

Neue Aufgaben

Nach dem Weggang der Schwestern suchte der Verein eine neue Nutzung, die dem Vereinszweck entsprach und vergab die beiden Häuser in der Renata- und Winthirstraße in Erbbaurecht an die Blindeninstitutsstiftung, die damals Räume in München suchte. Außerdem unterstützte er die Kinderklinik an der Lachnerstraße, indem er auf seinem Gelände Schwesternappartements und eine Arztwohnung ausbaute und sie weitgehend kostenlos der Klinik überließ. 1993 wurde außerdem ein betriebsnaher Kindergarten für die Lachnerklinik, den 3. Orden, das Krankenhaus Neuwittelsbach und das Blindeninstitut eingerichtet, der auch Kinder aus dem Viertel aufnimmt. Im „Kinderhaus Ferdinand” werden derzeit 80 Kinder betreut.

1996 wurde das Innenleben der auf dem Gelände befindlichen Kirche umgewandelt, eine Zwischendecke eingezogen und Büroräume für das Blindeninstitut eingerichtet. 2006 beteiligte sich der Verein am Umbau der Schwesternappartements, die Gruppenräumen Platz machten. Vier neue Gruppen konnten so an der Romanstraße unterkommen. Im Dachgeschoß entstanden fünf Mutter-Kind-Appartements, in denen Eltern kostengünstig unterkommen können, die ihr Kind in München besuchen oder mit ihm zu einer längeren Untersuchung müssen.

Würdiger Nachfolger

Nachdem nun alle Teile des Areals vom Blindeninstitut genutzt werden, beschloss der St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Verein am 2. Juli 2007 seine Auflösung. Längst war seine Mitgliederzahl zusammengeschrumpft. Zuletzt bestand er noch aus rund 20 Mitgliedern. 1905 während der Blütezeit waren es 1040.

Das Blindeninstitut München entwickelte sich dagegen innerhalb der letzten 30 Jahre von kleinen Anfängen zu einer beachtlichen Institution, in der schwer mehrfachbehinderte blinde und sehbehinderte Kinder aus dem südbayerischen Raum von der Vorschule über die Grund- und Hauptschule bis zur Berufsschule betreut und gefördert werden. Darüberhinaus gibt es eine heilpädagogische Tagesstätte, ein Fünf-Tage-Wohnheim sowie ein Ganzjahres- und Kurzzeitheim.

Institutsleiterin Karin Stecher-Stepp freut sich, dass das Blindeninstitut als langjähriger Partner nun die Nachfolge des Vereins antritt. „Es ist schön, dass das Blindeninstitut die Tradition fortführen kann”, sagt sie. Mit dem Festakt wolle man noch einmal ein Zeichen setzen. Schließlich dürfe der St.-Marien-Ludwig-Ferdinand-Verein nicht sang- und klanglos verschwinden.

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