Wenn am kommenden Freitag, 13. Februar, die Zwischenzeugnisse vergeben werden, sind in vielen Familien Streit und Tränen, Verzweiflung und Ratlosigkeit vorprogrammiert. Eltern sollten das Zwischenzeugnis nicht überbewerten, raten Lehrerverbände. Doch das ist oft leichter gesagt als getan, in einer Zeit, in der sich alles um Noten und Berechtigungen dreht. Der Erfolgsdruck ist groß und kann dazu führen, dass Schüler Versagensängste entwickeln, die Freude am Lernen verlieren oder in ihrer Entwicklung blockiert werden. Zum Thema „Zwischenzeugnisse – Freude oder Frust“ veranstaltete der Werbe-Spiegel ein Round Table-Gespräch mit Elternbeiräten, Lehrern und dem Leiter eines Nachhilfeinstituts. Das eingeladene Kultusministerium sagte die Teilnahme ab.
Werbe-Spiegel: Die Ausgabe der Zwischen- und Übertrittzeugnisse ist eine heiße Zeit an den Schulen. Für manchen Schüler werden sie zu einer Zitterpartie, in vielen Familien zum all bestimmenden Thema, auch die Lehrer stehen unter besonderer Belastung. Was läuft falsch, dass Schule die Beteiligten so sehr strapaziert?
Hans-Joachim Migotsch: In den Grundschulen ist der Übertrittsdruck auf weiterführende Schulen das Problem. Schon ab der 2. oder 3. Klasse wird alles getan, damit die Kinder gut bleiben oder gut werden. Bei Haupt- und Realschulen habe ich keine besonderen Probleme festgestellt. Die größten Probleme diesbezüglich gibt es in den Gymnasien, da durch das G8 die Belastung enorm hoch ist. In den letzten Jahren war es auch so, dass die Bücher noch nicht alle da waren und somit kein Lehrmaterial zur Verfügung stand. Es wurde nur mit HandOuts gearbeitet. Als Leiter von Nachhilfeinstituten in Laim und Pasing bekomme ich die Probleme aus allen Schularten mit. G8 war und ist immer noch das große Problem.
Woher kommt es, dass zum Teil keine Bücher zur Verfügung standen?
Bettina Henne: Übergangslektüre für ein Jahr wurde nicht gezahlt. Das war ein großes Problem, weil eigentlich drei verschiedene Bücher gebraucht wurden – die Alten, die für das Übergangsjahr und die Neuen.
Das dürfte aber nicht das grundsätzliche Übel sein?
Margarete Bause: In erster Linie sollte es um die Frage gehen, wie muss Schule sein, damit Kinder gerne und gut lernen. Das ist nicht der Fall, denn bei uns verkommt Schule häufig zu einer Sortieranstalt. Und die Noten sind die Sortierinstrumente. Es geht nicht darum, einzelne Talente zu fördern. Deswegen sind die Noten ein Druckinstrument, weil sie Eingangsvoraussetzungen bzw. Ausschlusskriterien sind. Da ist es kein Wunder, dass sich zum Teil Dramen in den Familien abspielen. Denn die Noten in den Zeugnissen eröffnen entweder Chancen oder sie nehmen sie weg. Dass alle Kinder zur gleichen Zeit, in gleichem Tempo das Gleiche lernen, mit der gleichen Methoden, das ist antiquiert und trotzdem beherrschend in unserem Schulsystem.
Monika Schulte-Rentrop: Zum großen Teil liegt das Problem in unserem Schulsystem. Solange wir ein dreigliedriges Schulsystem haben, müssen wir uns nicht wundern, dass der Druck bereits in der 1. Klasse anfängt.
Henne: Ich habe eine Tochter in der 1. Klasse und einen Sohn in der 4. Klasse. Die Klassenstärke beträgt im Schnitt 27 Kinder, die wirklich wild durcheinander gewürfelt in die 1. Klasse kommen. Teilweise auch mit großen sprachlichen Lücken. Es ist einfach in meinen Augen nicht in Ordnung, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Die Lehrkräfte sind einem unglaublichen Druck ausgesetzt, da sie versuchen müssen, alle Kinder auf ein gleiches Level zu bringen. Und das ist auch noch in der 4. Klasse so: Alle Kinder sollen die gleiche Leistung bringen, haben aber nicht die gleichen Grundvoraussetzungen mitgebracht. Wie soll ein Kind zum Beispiel ein Boot malen können, wenn es gar nicht weiß, was ein Boot ist. Das frustriert doch ungemein.
Frau Schulte-Rentrop, Sie sind Leiterin einer Übergangsklasse mit 20 Kinder aus 18 Nationen. Wie sehen Sie dieses Problem?
Schulte-Rentrop: Das ist genau die Krux, sich vorzustellen, dass alle Kinder auf dem gleichen Level sein sollen. Daran krankt unser Schulsystem. Aber die Alternative ist nicht, die Kinder auszusortieren, sondern sie entsprechend ihrer Fähigkeiten besser zu fördern. Kann man das auch für die Gymnasien so sagen?
Johanna Gronenberg: Gymnasien haben ja ein etwas leistungshomogeneres Klientel, was auf Ursachen zurückzuführen ist, die eben schon genannt wurden. Die Zwischenzeugnisse geben einen Überblick auf einen Zeitraum, ab dem es schwierig wird das Kind bis zum Jahreszeugnis wieder aus dem Brunnen zu holen. Benotungen und Gefährdungen sind für mich so lange nicht ausreichend viel wert, solange nicht eine entsprechende Förderung entgegengesetzt wird. Und daran scheitert es zwangsläufig auch aus Lehrermangel und Budgetknappheit. Daher sind Zeugnisse für mich eher ein Frustrationsinstrument.