„Ich bin da angekommen, wo ich ursprünglich hinwollte”, sagt Maike Trui. Die Diplomsportlehrerin und Sporttherapeutin aus Schleswig-Holstein meint damit aber nicht ihren jetzigen Wohnort München sondern ihre Arbeit an der Montessori-Schule der Aktion Sonnenschein, wo sie im vierten Jahr unterrichtet. „Die Arbeit ist so, wie ich sie mit immer gewünscht habe. So stelle ich mir Sport mit Kindern vor”, bekräftigt sie. Hier könne sie spielerische, psychomotorische Elemente in den Sportunterricht einbringen und den Kindern Spaß an der Bewegung vermitteln. „Ich wollte schon im Studium in Richtung Förderschule gehen, aber es kam anders”, stellt sie fest. Maike Trui arbeitete Jahre lang in der ambulanten Reha und dann in einer Herz-Kreislauf-Klinik, bevor sie in München ihren Traumjob fand.
Der inklusive Sportunterricht der Grundschüler in der Heiglhofstraße unterscheidet sich von dem in Regelschulen nicht nur dadurch, dass immer zwei Sportlehrer und einige Praktikanten die Kinder engmaschig betreuen, sondern vor allem durch die Negierung des Leistungsprinzips. Es wird ersetzt durch eine individuelle Förderung der körperlichen Fähigkeiten. Da eben auch alle Kinder mit Förderbedarf an den Stunden teilnehmen und diese durch das eine oder andere Handicap eventuell gewisse Einschränkungen in der Schnelligkeit und Beweglichkeit haben, werden andere Schwerpunkte gesetzt. „Das Prinzip 'Wir laufen um die Wette' funktioniert hier nicht”, betont die Sportpädagogin.
Stattdessen können sich die Kinder ausprobieren, ihre eigenen Grenzen austesten, Erfahrungen machen und für sie vielleicht ganz neue Möglichkeiten entdecken. „Wir schauen, wo die Kinder stehen und unterstützen sie”, erläutert Maike Trui. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Melanie Jäger und drei Praktikantinnen von der kleinen Nestler-Nestler-Schule, einer Münchner Berufsfachschule für Gymnastik, hat sie an diesem Morgen im einen Teil der Turnhalle eine Bewegungslandschaft aufgebaut.
Klettergerüst, Seile und übereinander gestellte Bänke mit schrägen und geraden Ebenen zum Balancieren erwarten die Kinder. Bevor sie sich hier tummeln, erklingt aber die Handtrommel, die in den Unterricht einstimmt. Sie ist eines der festen Rituale, die den Sportunterricht gliedern.
Zum Rhythmus der Trommel laufen sich die Mädchen und Buben warm. Wenn das Instrument schweigt, bleiben sie stehen, hüpfen auf einem Bein, legen sich auf den Rücken – je nachdem, was Maike Trui ihnen zuruft. Wenn der Ton wieder erklingt, laufen sie weiter. Im Anschluss daran setzen sich alle im Kreis zusammen, schließlich gibt es ja auch im Sportunterricht bestimmte Themen zu besprechen.
Dann wird die Bewegungslandschaft ausgetestet. Manche Kinder schwingen begeistert an den Seilen, andere sind tolle Kletterer, wieder andere balancieren in aufrechter Haltung mit kleinen Säckchen auf den Köpfen schnurstracks über die Bankkonstruktionen. Es ist schnell offensichtlich, dass nicht jedes Gerät jedem Kind gleich gut liegt. Doch probieren geht bekanntlich über studieren. „Das Bewegungsangebot ist für den Augenblick verbindlich”, erläutert Maike Trui. „Die Kinder können aber ihre eigenen Schwerpunkte setzen.”
Nach einiger Zeit wollen einige Buben lieber Fußball spielen, was ihnen unter Aufsicht der Praktikantinnen im leeren Teil der Halle erlaubt wird. Gegen Ende der Stunde kommen nochmals alle zusammen. Zuerst gibt es ein Kreis- und Abklatschspiel: Bei „Schau nicht um, der Fuchs geht um” sind alle Kids mit Begeisterung dabei. Dann folgt ein kleines Konzentrationsspiel: Die Schüler gehen zu zweit zusammen und malen sich gegenseitig mit dem Finger Zahlen auf den Rücken Bei ruhiger Musik klingt schließlich die Stunde aus: Die Kinder legen sich bäuchlings auf den Boden, horchen in sich hinein, spüren ihren Atem und entspannen. Maik Trui bittet sie zum Abschluss, leise in die Umkleide zu gehen und sich umzuziehen.
Dass die Schüler bei dieser Art Sportunterricht, in dem sie sich ihre kleinen Freiräume schaffen können, manchmal ein ganz besonderes Potential entwickeln, wird an einem Beispiel deutlich. Einer ihrer Schüler habe, wann immer es möglich gewesen sei, sich auf das Waveboard gestellt, immer wieder geübt und sich so das Fahren selbst beigebracht, berichtet Maike Trui. Und was besonders auffällt, wenn man die herumspringenden Schüler betrachtet: Zwischen den Kindern herrscht ein völlig ungezwungener Umgang und gleichzeitig eine selbstverständliche Rücksichtnahme – dort wo es nötig ist.