Mit einem Gesamtkonzept will Bayern Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker bei der Integration ins Schulleben unterstützen und zu mehr Bildungserfolg verhelfen. Migrantenkinder schneiden regelmäßig bei den verschiedenen internationalen Vergleichstests wie PISA unterdurchschnittlich ab. Bayerns Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle kündigte eine Optimierung bestehender Einzelmaßnahmen, ihre Bündelung sowie einen zielgerichteten Ausbau des Förder- und Integrationsangebots an. „Es ist unser Ziel, die Chancen für Kinder aus Migrantenfamilien in unseren Schulen spürbar zu erhöhen und diesen Begabungsschatz zu heben”, so Spaenle.
Dabei spiele die deutsche Sprache als Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft eine ganz zentrale Rolle. Weitere wichtige Handlungsfelder des Gesamtkonzepts zur schulischen Integration seien der Aufbau interkultureller Kompetenzen bei allen Schülerinnen und Schülern, die kulturelle Integration durch eine nachhaltige Werte- und Demokratieerziehung, die Beteiligung der Eltern am Schulleben und Verbesserungen an den Schnittstellen, besonders beim Übergang von der Schule zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Damit wolle er dem Ausbau von „Parallelgesellschaften” entgegenwirken.
Spaenle will Sprachförderung mit Deutschkursen im Vorschulbereich betreiben, die Ganztagsangebote ausbauen und die Klassenstärken senken. Der Kultusminister will zudem mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund gewinnen. Islamischen Religionsunterricht will Spaenle schrittweise in der Fläche ausbauen und im Rahmen eines Modellversuchs binnen fünf Jahren erproben. „Wir müssen die muslimischen Kinder dabei begleiten, eine geistig-geistliche Heimat in der Mitte der Gesellschaft zu finden und zu behalten”, betonte er.
Die Lehrerverbände begrüßen das Konzept des Kultusministers. „Für eine gelingende Integration ist Schulerfolg eine wichtige Voraussetzung. Schulerfolg und Bildungskarriere wiederum hängen von der sicheren Beherrschung der Verkehrssprache ab. Wir begrüßen daher alle staatlichen Maßnahmen, die darauf abzielen, die sprachlichen Defizite im Deutschen unter Migrantenkindern zu beheben und damit einer größeren Gruppe von Kindern mit Migrationshintergrund den Weg zu einer anspruchsvolleren Bildung und einem Hochschulstudium zu ebnen“. Mit diesen Worten kommentierte der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes (bpv) Max Schmidt das Konzept „Migration und Integration“.
Freude auch beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV): „Wir freuen uns vor allem darüber, dass das Kultusministerium unseren Vorstellungen und Ideen zur Ausweitung des Islamunterrichts an bayerischen Schulen gefolgt ist“, erklärte Präsident Klaus Wenzel. „Die zugesagte finanzielle Unterstützung lässt erkennen, dass die Politik die Dringlichkeit dieses wichtigen Anliegens erkannt hat und Taten folgen können.“ Auch Spaenles Ankündigung, Kindern aus zugewanderten Familien das Lernen in kleineren Klassen zu ermöglichen, wird vom BLLV „voll und ganz unterstützt“, sagte Wenzel.
Als größtes Problem bezeichnete Wenzel allerdings den Mangel an geeigneten Lehrkräften: „Solange der Lehrerberuf nicht attraktiver, die Lern- und Arbeitsbedingungen nicht besser und das Image nicht angehoben wird, bleibt es problematisch, überhaupt qualifizierten Nachwuchs zu finden. Wie in vielen anderen schul- und bildungspolitischen Bereichen ist auch hier die Gefahr groß, dass dringend notwendige Reformen nicht umgesetzt werden können, weil das dafür erforderliche Personal fehlt.“
„Eine Begrenzung der Schülerzahl in Klassen mit einem Migrantenanteil von mehr als 50 Prozent ist längst überfällig“, reagierte Cumali Naz, der Vorsitzende des Münchner Ausländerbeirates, auf Spaenles Ankündigungen. Die Forderungen des Ausländerbeirates, was die Chancengleichheit von Kindern aus Migrantenfamilien im hiesigen Schul- und Bildungssystem angeht, gehen jedoch noch viel weiter. Nur durch die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und die Einführung einer 8- bis 10-jährigen rhythmisierten Ganztagsschule sieht der Ausländerbeirat gewährleistet, dass der individuelle Förderbedarf von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt wird.
Eine weitere wichtige Forderung des Gremiums ist die Stärkung der muttersprachlichen Kompetenzen der Kinder und die Anerkennung der verschiedenen Muttersprachen in der Schule. „Auch wenn Deutsch unumstritten die wichtigste Sprache im Schulalltag ist und sein soll, so darf nicht länger ignoriert werden, welches Potential die verschiedenen Muttersprachen der Schülerinnen und Schüler darstellen. Zweisprachigkeit wird in dieser Gesellschaft in aller Regel als hohes Gut angesehen; dies sollte auch gelten, wenn die zweite Sprache Türkisch, Kroatisch, Serbisch, Griechisch oder eine andere Zuwanderersprache ist”, erklärt Cumali Naz. Und weiter: „Interkulturelle Kompetenz muss in absehbarer Zeit eine wichtige Rolle in der Lehreraus- und -fortbildung spielen. Darüber hinaus sollte gezielt um junge Migrant/innen für die Lehrtätigkeit geworben werden. Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind unverzichtbar für eine Schule, deren Klientel schon jetzt zu mehr als 50 Prozent selbst diesen Migrationshintergrund aufweist.”