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Wie schaffen wir das?
München hilft den Flüchtlingen jetzt – und in Zukunft?
Erschöpft nach tagelanger Flucht kommen täglich tausende Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an. Foto: A. Wild
München · München ist nach wie vor das Drehkreuz für Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen und um Asyl bitten. Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea, Flüchtlinge aus den armen und wirtschaftlich schwachen Ländern des Balkans wie Kosovo und Albanien.
Am vergangenen Wochenende kamen über 20.000 Asylsuchende am Hauptbahnhof an. Am Mittwoch waren es über 5.000. Die enorme Zahl der Menschen hat zu einer unübersichtlichen Situation geführt. Regierungspräsident Christoph Hillenbrand erklärte am Mittwoch, die Lage habe sich deutlich weiter stabilisiert. »Vor allem die bundesweiten Weiterleitungen laufen jetzt deutlich zügiger und stabiler«, berichtete er.
Allerdings müsse München durch die Einrichtung weiterer Drehkreuze entlastet werden. Hier geht es schlicht um die Menge der Menschen. Jeder hat seine eigene Geschichte. Je nach Herkunftsland ähneln sich diese Geschichten. So flüchten die Menschen vor Gewalt oder vor Armut. Armut ist in Deutschland kein Asylgrund. Wer mit diesem Hintergrund Asyl beantragt, hat wenig Aussichten auf Erfolg. Das betrifft vor allem die Menschen vom Westbalkan, aus Albanien, Montenegro, Kosovo. Sie werden in der Regel nach einem beschleunigten Verfahren zurückgeschickt, sind nur wenige Wochen in Deutschland. Der Bundestagabgeordnete Johannes Singhammer (CSU) berichtet aus eigener Erfahrung: »Die albanische Regierung sagt: Wir wollen, dass die Menschen in Albanien bleiben, wir brauchen sie für die Entwicklung unseres Landes dringend.«
Aber was ist mit den Menschen, die ganz offensichtlich vor Gewalt fliehen, hauptsächlich aus dem Bürgerkriegsland Syrien? Niemand spricht ihnen die Hilfsbedürftigkeit ab, aber die große Anzahl macht den Menschen hierzulande auch Sorgen. »Wenn hunderttausende Menschen innerhalb kürzester Zeit in unsere Städte kommen, verunsichert das die Bürger. Ihre Ängste sind sehr verständlich und ernstzunehmen«, fasst der Bundestagabgeordnete Hans-Peter Uhl (CSU) zusammen.
Sein Parlamentskollege Florian Post (SPD) sagte uns hierzu: »Wir müssen
den Bürgern erklären, warum so viele Menschen bei uns Schutz suchen.« Die
Gründe glauben viele zu kennen, doch oft gibt es ein Informationsdefizit.
Auch darüber, wie es weitergeht.
Post: »Wir brauchen einen klaren
Fahrplan, der den Bürgern zeigt, dass wir imstande sind, mit dieser Situation
umzugehen.«
Zuerst mal aber gilt es, auf die direkte Verunsicherung in der Stadt einzugehen. Die Situation am Hauptbahnhof ist chaotisch und geordnet zugleich. Die Bundespolizei, die für die Sicherheit des Bahnverkehrs zuständig ist, nimmt die Flüchtlinge in Empfang und kümmert sich um die Weiterleitung an Busse, die die Flüchtlinge in Erstaufnahme-Einrichtungen bringen. »Die Busse fahren hier im Minutentakt ab«, erklärt Simon Hegewald, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion München.
Bis dahin haben die Flüchtlinge in der Regel einige Stunden am Hauptbahnhof zugebracht. Sie halten sich in der Wartezone auf, dürfen diese nicht verlassen. Über Nacht, so erklärt Hegewald, sollte kein Flüchtling am Hauptbahnhof bleiben müssen.
Keine Vorbehalte oder Ängste zeigen die Münchner, die spontan zum Hauptbahnhof kommen, Spielzeug und Lebensmittel mitbringen und bei der Versorgung mithelfen. Sie bekommen vonseiten der Politik Lob und Anerkennung. »Ich bin überwältigt von der Hilfsbereitschaft Münchens«, sagte die Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend (SPD) angesichts der Welle der Hilfsbereitschaft. Ihr Kollege Wolfgang Stefinger (CSU) ist ähnlich überwältigt: »Diese in alle Welt transportierte Botschaft der offenen und hilfsbereiten Weltstadt mit Herz macht mich auch stolz.«
Nicht übersehen werden darf dabei die Problematik, die Flüchtlinge zu integrieren. Das ist eine langwährende Mammutaufgabe, bei der keiner ganz genau weiß, wo er steht. Der Bayerische Flüchtlingsrat, der sich als Menschenrechtsorganisation für alle Flüchtlinge einsetzt, bremst die teilweise überbordende Euphorie, die in den Worten »Wir schaffen das« Ausdruck findet. Letztlich bleibt die Frage, jetzt und in Zukunft: WIE schaffen wir das?
»Ich sehe durchaus auf Seiten der Einheimischen wie auch der Flüchtlinge
einen Bedarf an Information, an gegenseitigem Verständnis und wir stellen
auch immer wieder Kommunikationsschwierigkeiten fest«, berichtet Stephan
Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. »Wir befürworten unbedingt Begegnungsmöglichkeiten,
wo Einheimische und Flüchtlinge die Gelegenheit haben, einander kennenzulernen.
Das ist das beste Mittel, um Vorurteile und Fantasien abzubauen.«
Das kann die Grundlage der anstehenden Integrationsbemühungen sein. Aber Florian Post sagt ganz klar: »Es wird über Jahre hinweg eine große Aufgabe für Politik und Zivilgesellschaft bleiben, die Flüchtlinge, die aufgrund eines Asylrechtsanspruches in unserem Land bleiben werden, in unsere Gesellschaft zu integrieren.« Von Carsten Clever-Rott
Artikel vom 12.09.2015Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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