Veröffentlicht am 06.11.2020 06:22

"Zur Freude der Bürger Ottobrunns"

"Da horchte ich nicht selten, wenn ich am Abend unsere Milch in der "Schwaige" holen musste, auf die kräftigen Männerstimmen, die sich aus dem Nebenzimmer, dem damaligen Probenlokal, vernehmen ließen." Dies sind die Erinnerungen des legendären bayerischen Volksschauspielers ("Brandner Kaspar") Fritz Straßner (1919-1993), der zeitlebens in Ottobrunn wohnte. Die Rede ist vom Sängerkreis Ottobrunn, der im selben Jahr gegründet wurde, in dem Straßner geboren wurde, nämlich 1919.
Die Zeiten haben sich geändert. Dennoch ist die geschilderte Szene auch heute noch vorstellbar: Auch heute kann, wer sich in ein bestimmtes Wirtshaus verirrt, meist wohlklingenden Männergesang vernehmen. Nur, dass es sich bei diesem Wirtshaus nicht mehr um das "Gasthaus zur Schwaige" in Ottobrunn handelt - dieses wurde 1976 abgerissen -, sondern um den "Alten Wirt" in Hohenbrunn. Dort hält der Sängerkreis Ottobrunn seit etwa 40 Jahren jeden Donnerstagabend (außer in den Sommerferien) seine Proben ab.
Singen hört man die wackeren Sänger oftmals auch noch nach den Proben. Ein Stockwerk tiefer, in der Wirtsstube, am viel dekorierten Stammtisch. Dann stehen vor allem Trinklieder auf dem Programm - und fallweise das eine oder andere Geburtstagsständchen. Grund zum Feiern hatten die Sänger in diesem Jahr schon mehrmals. Der Anlass, der am letzten Oktober-Wochenende festlich begangen wird, übertrifft jedoch alles: Der Sängerkreis Ottobrunn feiert sein Hundertjähriges! Prost!

Damals nicht weit von der Münchner Stadt, trafen sich sechs Sänger im Wald, im 'Gasthaus zur Schwaige' vom Edi Klas. Dezember war's und bitter kalt. Sie sangen Lieder bei Kerzenlicht, Lieder nach alter Weis'. Dann aber stimmten sie alle ein, zu gründen den Sängerverein. Damals vor einhundert Jahr." So heißt es in einem Lied, das Chorleiter Thomas Schmid zum 100-jährigen Jubiläum gedichtet hat. "Gasthaus zur Schwaige" oder auf gut bayrisch "D'Schwoag" - so nannte sich das Wirtshaus am nördlichen Ortseingang von Ottobrunn, also ungefähr da, wo heute der Büropark steht. In dem beliebten Ausflugslokal trafen sich damals nicht nur Sommerfrischler und Ausflügler, sondern zum Feierabend regelmäßig auch die dort bereits ansässigen Siedler.
Vermutlich war es so, dass eines Abends einige Männer dort begannen, miteinander zu singen. Und weil das gut klang und

nicht nur den Gästen, sondern auch dem Wirt und Gutsverwalter Eduard Klas, dem Großvater des heutigen Feuerwehrkommandanten gleichen Namens, ge-

fiel, kam bald die Idee auf,

einen Gesangsverein zu grün-den. In den folgenden Jahrzehnten verlief die Geschichte des Sängerkreises sozusagen in Oktavsprüngen - nach oben wie auch nach unten. 1969, im 50. Jahr seines Bestehens, erlebte er eine Blütezeit. Entsprechend ausgelassen wurde im Oktober 1969 im Casino von MBB das Jubiläumsfest gefeiert.
Es folgten aber auch wieder schwere Zeiten. Zu einer der größten Krisen kam es im Frühjahr 1983, als der Sängerkreis

zeitweise ohne Chorleiter da stand. Rettung in der Not kam in Person des damals 23-jährigen Studenten der Kirchenmusik, Thomas Schmid, der zwei

Jahre zuvor die Stelle als Chorleiter in der Pfarrkirche St. Magdalena übernommen hatte. Nach einer ersten Kontaktaufnahme seitens des damaligen Vorstands erklärte er sich bereit, einzuspringen. Das Engagement sollte sich vorerst jedoch auf die Auftritte zur bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit beschränken.

Weder Sänger noch Chorleiter ahnten damals wohl, dass das Engagement von Thomas Schmid der Beginn einer Ära sein würde, die bis heute andauert. Seit 36 Jahren drückt Thomas Schmid dem Sängerkreis Ottobrunn seinen unverwechselbaren Stempel auf.
Dass sich Thomas Schmid "zu-

fällig" in die Tochter eines Sängers verliebte, mit der er nun schon seit 33 Jahren verheiratet ist, hat die Bande zwischen

Chor und Chorleiter sicherlich gestärkt.
"Ich bin fest überzeugt, Ottobrunn wird auch noch das 100. Gründungsjubiläum seines wackeren Sängerkreises erleben

dürfen". Wie recht Fritz Straßner mit seiner Einschätzung doch hatte! Leider kann er seinen Hundertsten und den des Sängerkreises Ottobrunn nicht mehr erleben.
MO

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