Mit einem riesigen Chor, einem Orchester, das vor den Stufen zum Presbyterium kaum Platz fand, und mit einem Höhepunkt der Musikgeschichte feierte die Dommusik am Sonntagabend (20.10.2024) ihren musikalischen Abschluss des Festjahres „1.300 Jahre Korbinian in Freising“. Zur Aufführung kam Anton Bruckners „Te Deum C-Dur“. Zugleich wurde dem Komponisten Bewunderung und Ehre erwiesen, er wäre heuer 200 Jahre alt geworden. Das Publikum im ausverkauften Dom zu Freising war hin und weg, der Schlussapplaus war langanhaltend, z.T. frenetisch.
Der Domchor Freising, der Jugendchor der Domkantorei und Teile des „Universitätschor München“ hatten sich zusammengefunden, um Bruckners „Te Deum“ überhaupt aufführen zu können. Das Domorchester wurde verstärkt durch Holz- und Blechbläser sowie einen Paukisten. Bruckner selbst bezeichnete das Werk als den „Stolz seines Lebens“. Und in der Tat: Es ist eines der bedeutendsten Werke der Kirchenmusik! Im Freisinger Mariendom konnte man das erleben, mit Herz und Seele. Bruckner legte ein Zeugnis seines tiefen Glaubens ab, hörbar in allen fünf Abschnitten, und sichtbar in der Begeisterung der Sängerinnen und Sänger, sowie im Engagement der Musikerinnen und Musiker. Isabella Gantner sang die Sopran-, Gillian Crichton die Alt-Stimme. Bernhard Schneider und Micha Matthäus gaben den Tenor bzw. den Bass.
Feierlich und mit Kraft (C-Dur) beginnt das Werk mit dem Bekenntnis, das ihm den Namen gegeben hat: „Te Deum laudamus“ klingt es von den vollbesetzten Treppenstufen. Die Solisten versichern: „Dich, den ewigen Vater“, den die ganze Erde verehrt und dem die Cherubim und Serafim „mit niemals endender Stimme ihr „Heilig, heilig, heilig“ zurufen, lobt dann auch der riesige Chor. Nach diesem intensiven Lobgesang begeistert in Teil 2 (Moderato, f-Moll) nun auch ein Tenorsolo und ein ausdrucksvolles Violinsolo die Bitte um Hilfe: „Te ergo quaesumus (Dich also bitten wir), komm deinen Dienern zu Hilfe. Der Chor erhofft im dritten Teil, einem dramatischen Zwischenteil mit Endzeitstimmung, kraftvoll die Aufnahme der Gläubigen in die Schar der Heiligen (Allegro, d-Moll), bevor in „Salvum fac populum tuum, Domine“ (Teil 4, Moderator, f-Moll) ein Bass-Solo besonders begeistert. „Mach heil dein Volk, Herr“, hatte zunächst der Tenor gebeten, der Bass blickte in die Ewigkeit und flehte: „Et extolle illos usque in aeternum (und erhebe sie bis in Ewigkeit)“. Der Chor verstärkte noch: „Erbarme dich unser, Herr!“ Und dann der glorreiche Schlussteil. Das Quartett der Solisten beginnt mäßig bewegt (C-Dur) mit freudiger Fuge: „In te, Domine, speravi, non confundar in aeternum“ (Auf Dich, Herr, habe ich gehofft. Nicht vergehen werde ich in Ewigkeit!)“. Ein jubelnd, kraftvoller Schluss mit Chor und dem gesamten Orchester bringt die Domkirche fast zum Beben. Jubel und begeisterter Applaus branden auf, Teile des Publikums stehen und applaudieren.
Bei allem Jubel darf aber nicht vergessen werden, dass das Konzert mit der Sinfonie N. 7 h-Moll von Franz Schubert (1797-1828) eröffnet wurde, einem wichtigen Werk des Komponisten für Orchester, genannt „Die Unvollendete“ – weil sie nur aus zwei statt wie damals üblich aus vier Sätzen besteht. Fantastisch das wiederkehrende unisono der Bässe, das als Verbindungsthema fungiert. Die Oboe bringt das erste Thema, das zweite ist ebenso einprägsam und trägt volksliedhafte Züge – man glaubt es zu erkennen. Und dann die Überraschung! Die idyllische Atmosphäre wird von einer Generalpause (wenige Sekunden Stille) unterbrochen – es folgt ein fortissimo-Tutti-Einsatz des gesamten Orchesters. Der Dom bebt scheinbar, der Zuhörer ist perplex. Der zweite Satz bringt liedhafte Wärme ins Geschehen, er bringt zwei Themenkomplexe und eine ausgedehnte Coda (italienisch „Schwanz“, d. h ein angehängter, ausklingender Teil einer musikalischen Einheit).
Die drei ebenfalls vorgestellten Motetten von Anton Bruckner (1824-1896) erwiesen den wichtigsten Facetten des Mariendoms ihre Referenz. Er war vor nunmehr 300 Jahren durch die Gebrüder Asam in der heutigen Form ausgestattet worden. „Locus iste (WAB 23) a Deo factus est“ verwies auf den Ort, den Gott geschaffen hat und der deshalb „irreprehensibilis est“, an dem kein Fehl ist. Motette zwei „Os justi (WAB 30) bezieht sich auf den heiligen Korbinian, der die Weisung seines Gottes im Herzen hat (Lex Dei ejus in corde ipsius), während „Ave-Maria (WAB 6)“ an die früheste Patronin des Freisinger Doms erinnert, die Gottesmutter Maria. Der versammelte Chor brachte das „Gegrüßet seist Du, Maria“ herrlich zum Vortrag.
Vor Bruckners „Te Deum“ war auch noch Schuberts „Tantum ergo Es-Dur D 962 geschaltet, das für die Eucharistie, den Mittelpunkt der Kirche steht. Die Solisten beginnen, der Chor gesellt sich dazu – die meisten der Zuhörer werden es gekannt haben, wenn nicht gar auswendig hätten mitsingen können. Es ist ein gängiges Kirchenlied, im Dom interpretiert von Chor und Solisten im Wechsel. Wunderbar.
Die Gesamtleitung hatte Kirchenmusikdirektor Matthias Egger. Er und seine Instrumentalistinnen und Instrumentalisten, alle Sängerinnen und Sänger, sie haben Großes geleistet. Der Zwischen- und vor allem der Schlussapplaus haben hoffentlich alle für die aufgebrachte Zeit und alle Mühen entschädigt. Es war einfach gigantisch!
Das neue Kirchenjahr beginnt im Dom kirchenmusikalisch am 1. Dezember 2024 (17 Uhr) mit gregorianischer Choral- und Orgelmusik. Es gastiert die „Schola cantorum München“ unter der Leitung von Professor Stephan Zippe, die Orgel spielt Domorganist Simon Rager. Am 8. Dezember 2024 gastiert die Gruppe „Luz amoi“ mit zwei Vorstellungen (17 und 19 Uhr).