Etwas anzuzeigen war schon vor Jahrhunderten ein großes Bedürfnis – insbesondere in Zeiten, da sich Handel und Geldwirtschaft aufschwangen, gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben. So wundert es nicht, dass Vorläufer der kostenlosen Wochenzeitungen im frühen 18. Jahrhundert erschienen, als das Wort Anzeige zuallererst Nachricht bedeutete.
Diese historisch verbriefte enge Beziehung zur Wirtschaft prägt noch heute das Geschäftsmodell der modernen Anzeigenzeitungen, das darauf gründet, durch den Verkauf von Annoncen wöchentlich erscheinende Zeitungen – regional begrenzt, aber dort flächendeckend – in die Haushalte zu bringen. Neben den gedruckten Anzeigen sind es Prospekte, die, den Zeitungen beiliegend, wesentlich zur Finanzierung von Redaktion, Druck und Logistik beitragen und die Zeitung so für den Leser kostenlos machen.
Auch im digitalen Zeitalter scheint dies ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell zu bleiben. Heute gibt es mehr als 100 Verlage – vom kleinen Familienbetrieb bis zum großen Medienkonzern, die über 330 Titel in ganz Deutschland verteilen. Damit erreichen sie über 50 Millionen Leser im Alter über 14 Jahre.
Knapp zwei Drittel dieser Verlage haben sich im 1987 gegründeten Bundesverband kostenloser Wochenzeitungen (BVDA) organisiert – wohlwissend, dass sie eine gewichtige Stimme in der deutschen Medienlandschaft besitzen. „Der Verband nimmt einerseits die politische Interessenvertretung seiner Mitglieder wahr“, sagt BVDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Jörg Eggers, „strebt also die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit der Anzeigenblattverlage an. Andererseits wirbt er aber auch für mehr Akzeptanz und die Aufwertung des Images der Mediengattung.“
Keine leichte Aufgabe. Denn das Spektrum, das die kostenlosen Wochenzeitungen in puncto Inhalt und Qualität einnehmen, ist sehr groß. Der überwiegende Teil von ihnen definiert sich heute aber als Lokalzeitung mit journalistischem Anspruch. Eine folgerichtige Entwicklung seit den späten 1980er-Jahren, da die einzelnen Titel in begrenzten Gebieten erscheinen und somit Themen aus kleinen ländlichen Gemeinden oder städtischen Quartieren aufgreifen können, die in anderen Medien eher am Rande behandelt werden. Eine Besonderheit, die auch von vielen kommunalen Institutionen zur Information ihrer Bürger genutzt wird.
Daraus resultiert aber auch ein großes Selbstbewusstsein der Blattmacher. So sehen sich viele Verlage seit Jahren als wichtige Fürsprecher des Ehrenamts. Seit 2012 ist der BVDA Medienpartner der Woche des bürgerschaftlichen Engagements und zugleich Mitglied des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement. Im BVDA besteht ein breiter Konsens darüber, dass seine Mitglieder mit ihren Publikationen die Arbeit von Ehrenamtlichen, Vereinen und Organisationen sichtbar machen und damit zur Anerkennung und Wertschätzung dieser Tätigkeiten für das Gemeinwohl beitragen – und das ganz lokal und konkret.
Wer vor Ort so tief verankert ist und gleichzeitig eine so hohe Reichweite besitzt, sollte auch nicht die „großen“ Themen scheuen, meint Michael Simon. Der Vorsitzende des BVDA-Arbeitskreises Redaktion ist Initiator der Kampagne „Das geht uns alle an“, die die Verlage 2013 ins Leben riefen. Zu einem verabredeten Erscheinungstermin widmen sich die Redaktionen der Verlage einem bestimmten Gegenstand von bundesweiter Bedeutung. Themen wie Lehrermangel, Waldsterben, Geschlechtergerechtigkeit oder Mülltrennung werden in Artikelserien verlags- und titelübergreifend behandelt oder in Einzelbeiträgen lokal auf das Erscheinungsgebiet heruntergebrochen. „Wochenblätter berichten aus lokaler Perspektive, was Menschen deutschlandweit bewegt“, so Simon. „So machen wir die oft komplexen und abstrakten Themen für die Leserinnen und Leser vor Ort erfahrbar und begreifbar. Das ist ein wichtiger Beitrag für die Teilhabe der Menschen an gesellschaftlichen Prozessen.“
In dem Bewusstsein, Woche für Woche viele Millionen Leser zu erreichen, sind aber auch zahlreiche Kooperationen und Partnerschaften entstanden, wie beispielsweise mit der Initiative der dualen Systeme „Mülltrennung wirkt!“ und der Naturschutzorganisation WWF Deutschland. Seit 2020 arbeitet der BVDA zudem mit CORRECTIV zusammen. Kernstück sind dabei die in vielen Verlagen regelmäßig erscheinenden Faktenchecks, mit denen das gemeinnützige Recherchezentrum und die kostenlosen Wochenzeitungen etwas der gezielten Desinformation und den Falschmeldungen, die vor allem in Sozialen Netzwerken vermehrt kursieren, entgegensetzen. Simon Kretschmer, der als damaliger CORRECTIV-Gesellschafter den Start der Kooperation begleitete, sagt: „Für uns ist wichtig, dass wir mit unserer journalistischen Arbeit in Form der investigativen Recherchen, mit den vielen partizipativen Bürgerprojekten und den Faktenchecks Wissen vermitteln und Aufklärung betreiben. Entscheidend ist dabei, dass wir alle Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft erreichen. Hier wirkt unsere Kooperation mit den Publikationen des BVDA durch ihre flächendeckende Verbreitung und hohe Zugänglichkeit besonders stark. Schließlich ist gerade in Zeiten von massenhaft geteilten Falschmeldungen und hoher Unsicherheit eine gut informierte Öffentlichkeit der beste Schutz für unsere Demokratie.“
Insoweit seien kostenlose Wochenzeitungen ein unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Medienlandschaft, betont BVDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Jörg Eggers. „Aus der großen Reichweite resultiert natürlich eine besondere gesellschaftliche Verantwortung, der die kostenlosen Wochenzeitungen durch ihr Engagement für eine aktive Zivilgesellschaft und für den Zusammenhalt in Deutschland gerecht werden.“
Mehr zum Selbstverständnis der kostenlosen Wochenzeitungen in Deutschland lesen Sie im Internet auf wir-sind-anders.site.