Veröffentlicht am 31.01.2011 00:00

Bogenhausen · Mae West zickt rum


Von red
Sonntagabend war es dann doch endlich so weit: Im Beisein der nach eigener Aussage »sehr nervösen« Künstlerin Rita McBride und des Projektleiters vom Baureferat, Johann Wittmann (re.), wurde der Oberkörper endlich mit dem Unterleib vereint.	 (Foto: ikb)
Sonntagabend war es dann doch endlich so weit: Im Beisein der nach eigener Aussage »sehr nervösen« Künstlerin Rita McBride und des Projektleiters vom Baureferat, Johann Wittmann (re.), wurde der Oberkörper endlich mit dem Unterleib vereint. (Foto: ikb)
Sonntagabend war es dann doch endlich so weit: Im Beisein der nach eigener Aussage »sehr nervösen« Künstlerin Rita McBride und des Projektleiters vom Baureferat, Johann Wittmann (re.), wurde der Oberkörper endlich mit dem Unterleib vereint. (Foto: ikb)
Sonntagabend war es dann doch endlich so weit: Im Beisein der nach eigener Aussage »sehr nervösen« Künstlerin Rita McBride und des Projektleiters vom Baureferat, Johann Wittmann (re.), wurde der Oberkörper endlich mit dem Unterleib vereint. (Foto: ikb)
Sonntagabend war es dann doch endlich so weit: Im Beisein der nach eigener Aussage »sehr nervösen« Künstlerin Rita McBride und des Projektleiters vom Baureferat, Johann Wittmann (re.), wurde der Oberkörper endlich mit dem Unterleib vereint. (Foto: ikb)

Die Dame hat sich etwas geziert, aber jetzt steht sie endlich die Großskulptur am Effnerplatz! Das Aufsetzen des Oberkörpers durch einen 600 Tonnen schweren Spe­zialkran auf den Sockel ge­staltete sich weitaus schwieriger als geplant.

Zwei Stunden in zwei Minuten: Wie die Mae West auf ihren Sockel gehoben wird

Bogenhausens Kunstwerk »Mae West«

Bogenhausen · Mae West: die Strickliesl von Bogenhausen Themenseite zur 52 Meter hohen Skulptur »Mae West«, ihrer Planung, den Baufortschritten bis zur Vollendung

Die Arbeiten mussten am frühen Sonntagmorgen bei minus zehn fallend auf minus 14 Grad abgebrochen werden, wegen der Eiseskälte, des Nebels und der Feuchtigkeit, unerwarteten technischen Schwierigkeiten und der ­körperlichen Erschöpfung der Monteure. Sonntag am späten Abend wurde die Montage wieder aufge­nommen.

Hier das Protokoll der nächtlichen Großaktion:

Sonntag, 30. Januar, 0.10 Uhr: Mehr als 400 Interessierte versammeln sich rund um den aus Sicherheitsgründen weitläufig abgesperrten Effnerplatz, um das Spektakel zu verfolgen, harren stundenlang aus, ohne dass sich etwas Sehenswertes tut. Ab und an geht die Beleuchtung aus. Der Korb eines Hubwagens steht minutenlang am Kranz des Oberkörpers. »Ist da was defekt?«, fragt laut ein junger Mann. Er erhält keine Antwort. Später erzählt ein Techniker, dass er am Freitag eine Dreiviertelstunde oben im Korb eingesperrt war. Die Hydraulik des Hubwagens hatte wohl versagt. »Da oben«, ergänzt der Arbeiter, »ist’s wirklich eisig kalt«.

Sonntag, 30. Januar, 4.28 Uhr: Die zwei oberen von vier Montageplattformen werden im Zeitlupentempo aus dem Brustkorb des Oberteils gehievt. Dieser Vorgang hat sich um etwa zwei Stunden verzögert: Die Schrauben der vor drei Monaten installierten Arbeitsfläche waren fest eingerostet.

Sonntag, 30. Januar, 5.58 Uhr: Nichts geht mehr. Nach kurzer Beratung und Check mit dem Kreisverwaltungsreferat sowie der Polizei wird der Aufbau abgebrochen. Die für Planung und Realisierung zuständige Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus der Künstlerin Rita McBride und der CGB Carbon Großbauteile, hat den Aufwand offensichtlich unterschätzt, die Monteure sind am Ende ihrer Kräfte.

Neuer Anlauf: Sonntagabend um 20 Uhr.

Sonntag, 30. Januar, 20.31 Uhr: Ein raunendes »Aahh!« von mehreren hundert Beobachtern bei klirrender Kälte und Blitzlichtgewitter: Der Oberkörper wird flott in die Höhe gezogen, schwebt ganz langsam Richtung Unterbau.

Sonntag, 30. Januar, 22.09 Uhr: Metall reibt leicht auf Metall, die Zapfen des Oberkörpers gleiten in die Fugen des Unterkörpers. Der 74 Tonnen schwere, 37 Meter hohe Aufsatz passt millimetergenau auf den 15 Meter hohen Unterkörper, wird verschraubt, verankert. Jubelschreie – endlich ist die Mae West komplett.

Höchstes Kunstwerk Deutschlands

Die gewagte Monumentalplastik, entworfen von Rita McBride aus Des Moines im US-Staat Iowa, die in Düsseldorf lebt und lehrt und kaum ein Wort Deutsch spricht, präsentiert sich nach jahrelangen Vorbereitungen dem Betrachter. Das neueste Aushängeschild Münchens, das mit 52 Metern höchste Kunstwerk Deutschlands, 1,54 Millionen Euro teuer, finanziert aus dem städtischen Programm Kunst am Bau, wobei knapp 0,5 Prozent der 320 Millionen Euro Baukosten für die Tunnelbauten in das Kunstbudget investiert wurden.

Zeltdach auf dem Olympiastadion, HypoVereinsbank-Wolkenkratzer, BMW-Vierzylinder und BMW-Welt – Mae West reiht sich nahtlos in die modernen Highlights der Stadt, obwohl es sich nicht um ein architektonisches, sondern ein künstlerisches Werk handelt. Eine Skulptur dieser Größenordnung aus Karbonstangen – eine der Röhren wiegt etwa 550 Kilogramm, ein entsprechendes Stahlrohr mehr als drei Tonnen – ist weltweit einzigartig. Benannt nach der kurvenreichen US-Schauspiel-Ikone, einem Sexsymbol der Dreißiger Jahre, legendär für ihre langen Beine, ihre schlanke Taille, ihre Erotik, aber auch für ihr loses Mundwerk. Der Broadway-Star Mary Jane West, Mae West genannt, hatte bayerische Wurzeln. Ihre Mutter Matilda Dölger stammt aus dem Freistaat.

Auch die Maße der Münchner Mae West können sich sehen lassen: Höhe 52, Oberweite knapp 20, Taillenweite 7,5, Umfang am Boden 32 Meter. Zum Vergleich: Der HypoVereinsbank-Tower ist 114 Meter hoch, das Westin Grand Hotel 75 Meter.

Das korsettartige Oberteil der Diva besteht aus 32 gekreuzten schwarzen Karbonrohren. Jedes Rohr ist knapp 40 Meter lang und hat beginnend am Mittelsockel exakt 27,5 Zentimeter Durchmesser, der sich zur Spitze hin um fünf Zentimeter verjüngt. 128 Schrauben halten Ober- und Unterteil zusammen. Knapp 150 Tonnen wiegt die »Strickliesl«, die auf einer nur 1,5 Meter dicken Decke steht – darunter rauscht der Verkehr durch den Effnertunnel.

Umstrittene Dame von Anfang an

Im April 2004 hatte der Stadtrat mit 40 Stimmen der Christsozialen, Grünen sowie Liberalen, PDS und Republikaner gegen 35 Stimmen der Sozialdemokraten und ÖDP das damals bereits als »Eierbecher« bezeichnete Kunstwerk beschlossen. Ob des Votums, der 1,5 Millionen Euro Kosten und der strikten Ablehnung dieser Art von Kunst am Bau durch Oberbürgermeister Christian Ude knirschte es damals gewaltig in der rot-grünen Koalition. »Die Größe des Kunstwerks liegt vor allem in der Höhe – und das ist mir zu wenig«, meinte seinerzeit Ude.

Viele Bürger sind allerdings begeistert von der filigran wirkenden Figur, andere lehnen es wie Ude kategorisch ab. Kommentare wie »Welche Funktion hat das denn, ist das ein Förderturm, wird hier nach Erdöl gebohrt?« waren zu vernehmen. Oder: »Wir sind doch hier in Bogenhausen, im Osten Münchens, dann müsste das Ding doch Mae East heißen!« Auch »symbolische Bedeutungslosigkeit« wurde dem Projekt attestiert.

Wenig charmant wird das Werk wahlweise auch so genannt: Schirmständer, Drahtverhau, Mikadohaufen, Badehocker, Kraftwerk-Kühlturm, Bienenstock, Taubennest, Wäschekorb, Netz-

strumpf, AKW Ost. OB Ude, meinte 2004 spitzzüngig, dass es solche Skulpturen auch im Baumarkt als Blumenständer gebe, aber nicht aus Karbon, sondern aus Bambus. ikb

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