Veröffentlicht am 16.07.2013 00:00

Maxvorstadt · 250 Mal sturer Bock


Von red
Über eine Stunde muss Alexander Duda (r.) in der Maske sitzen – ab und zu fängt der Bart aber trotzdem das Flattern an.	 (Foto: Arno Declair)
Über eine Stunde muss Alexander Duda (r.) in der Maske sitzen – ab und zu fängt der Bart aber trotzdem das Flattern an. (Foto: Arno Declair)
Über eine Stunde muss Alexander Duda (r.) in der Maske sitzen – ab und zu fängt der Bart aber trotzdem das Flattern an. (Foto: Arno Declair)
Über eine Stunde muss Alexander Duda (r.) in der Maske sitzen – ab und zu fängt der Bart aber trotzdem das Flattern an. (Foto: Arno Declair)
Über eine Stunde muss Alexander Duda (r.) in der Maske sitzen – ab und zu fängt der Bart aber trotzdem das Flattern an. (Foto: Arno Declair)

Wer in den bayerischen Himmel will, der darf kein Vegetarier sein. Weißwürste nämlich gibt es dort bis in alle Ewigkeit. Aber mag man deshalb gleich sterben? Der Brandner Kaspar jedenfalls mag nicht. »Ein richtig sturer Bock ist er und gerade deshalb spiele ich ihn so gerne«, sagt Alexander Duda, der am Münchner Volkstheater bereits zum 250. Mal in die Rolle des legendären bayerischen Grantlers schlüpft. Seit April 2005 hat das Münchner Volkstheater den »Brandner Kaspar und das ewig' Leben« im Programm.

Am Sonntag, 21. Juli, zum Spielzeitabschluss, wird das Jubiläum gefeiert. Und wieder einmal vor vollem Haus. »Das ist schon ein großes Geschenk für einen Schauspieler, da dabei zu sein«, sagt Duda. Er kennt das auch anders. »Es gab schon Stücke, da habe ich vor zehn oder 20 Leuten gespielt.«

Beim »Brandner« aber jubeln und klatschen und johlen nach jeder Vorstellung 500 Leute. »Man blickt in so viele leuchtende Augenpaare, dass es die reinste Freude ist«, erzählt der Hauptdarsteller. Was aber ist eigentlich das Erfolgsgeheimnis des Volksstücks? »Na, das steckt doch in uns allen drin, die Sehnsucht, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen«, meint Duda. Auch in ihm? »Freilich«, antwortet der Schauspieler lachend. Der Brandner jedenfalls versucht es mit Kerschgeist. Sein Plan, den Tod, der nur hochdeutsch so heißt und im Bairischen »Boandlkramer«, betrunken zu machen, geht auf.

Beim Kartenspiel schließlich luchst er ihm das Versprechen ab, ihn erst 16 Jahre später zu holen – aber bitteschön nicht jetzt. »Man freut sich unbandig mit dem Brandner, dass ihm das gelingt«, sagt Duda. »Man schaut aber auch dem Boandl unglaublich gerne zu.« Gespielt wird der von Maximilian Brückner. Der so ganz anders ist, als es das Klischee besagt. In der Volkstheater-Version ist der Boandlkramer ein rechter Treibauf, springt auf den Tisch, rennt herum, barfuß, mit Zahnlücken und nur ein paar dunklen Haarsträhnen auf dem Kopf. Die Riederinger Musikanten treten als bayerische Putten auf. Unter der Regie von Intendant Christian Stückl dauert die Inszenierung drei Stunden und zehn Minuten und ist vor allem eins: a rechte Gaudi.

Doch eigentlich hatte Stückl überhaupt nicht vor, den Brandner Kaspar auf den Spielplan zu setzen. Weil er, dem Brandner nicht unähnlich, seine ganz eigenen Vorstellungen davon hat, wie etwas zu laufen hat. Und vorschreiben lässt sich Stückl nichts, auch nicht vom damaligen Intendanten des Residenztheaters, Dieter Dorn. An dessen Haus nämlich lief seit der Premiere im Jahr 1975 über 1000 Mal die ­gefeierte Kult-Inszenierung von Kurt Wilhelm mit Toni Berger in der Titelrolle. Als Dorn den Brandner aber 2001 absetzte, ging ein Aufschrei durch München. Die Leute wollten den Brandner unbedingt zurück. Dorn, der sich unter Druck gesetzt fühlte, verwies auf das Volkstheater: »Dann soll ihn der Stückl machen, da passt er auch hin.« Das aber wollte der sich nicht diktieren lassen und machte unmissverständlich klar: »Dieter, mach du deinen Spielplan und ich mach meinen.« Drei Jahre später rang sich Stückl dann doch durch: »Jetzt mach man halt. Und zwar so bled wie möglich.« So bled, dass auch die Brasilianer darüber schallend lachten. In Rio de Janeiro sahen rund 1800 Zuschauer die Münchner Inszenierung – mit »Untertiteln«.

Bei dieser Kooperation mit den Brasilianern werden die Untertitel über-, unterhalb oder seitlich per Projektor eingeblendet. In München selbst kamen bisher zirka 170.000 Zuschauer, um den Brandner zu sehen, und fast alle Vorstellungen waren ausverkauft. Dazu kommen Gastspiele in Bozen, Riedering und Oberammergau. Und jede Vorstellung fordert die Höchstleistung von den Schauspielern. »Das geht vor allem auf die Stimme«, berichtet Duda, der als Brandner in einer anderen Tonlage spricht als sonst. Auch vor jeder Aufführung ein nicht unbeträchtlicher Aufwand. Über eine Stunde muss Duda in der Maske sitzen, damit sich sein Gesicht in ein Brandner-Gesicht verwandelt: Falten, Augenringe, rote Nase, Perücke und Vollbart – der übrigens wird Stück für Stück angeklebt, damit er beweglich ist. Doch selbst der beste Mastix-Kleber kann nicht verhindern, dass sich der Schnauzer manchmal selbstständig macht. »Der fängt dann an zu flattern. Das sieht schon komisch aus«, erzählt Duda. »Aber ich tue dann einfach so, als ob das dazu gehört. Da ist so viel Gaudi auf der Bühne, das fällt dann überhaupt nicht auf.«

Sylvie-Sophie Schindler

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