Wenn Sie glauben, in den Berchtesgadener Bergen wandern nur Touristen, dann irren Sie. Erst in den letzten Tagen war eine ganze Almhütte auf Wanderschaft. Ja wirklich, die Hütte selbst, besser gesagt ihre Einzelteile.
Markus Wasmeier-Kolumne Themenseite: Markus Wasmeier, Sportler des Jahres und Goldmedaillengewinner im Skirennlauf ruft erfolgreich ein »altbayerischen Dorf« ins Leben
Aber ich muss von vorne anfangen: Auf der Gotzenalm stand besagte Hütte, eine Käserei in Form eines sogenannten Seitkasers, den es in dieser Form nur in Berchtesgaden gibt. Das heißt, er bestand ursprünglich aus einem Raum, in dem der Käse hergestellt wurde, dem eigentlichen Kaser und seitlich davon im Freien einem Platz, wo man die Kühe angebunden hat. Im Laufe der Zeit wurde die Freifläche überdacht und so entstand eine stattliche Hütte in Blockbauweise, die Mensch und Tier vor der Witterung schützte. Doch selbst auf der Alm hält der Fortschritt Einzug und jetzt sollte ein neues, moderneres Gebäude gebaut werden.
Da allerdings die Anzahl der Häuser, die man auf der Fläche der Gotzenalm bauen darf, begrenzt ist, sollte der Seitkaser aus dem 19. Jahrhundert weichen. Zudem ist er für die moderne Kuh, die deutlich größer ist als vor hundert Jahren, einfach zu klein. Sie können sich vorstellen, wie traurig mir als Museumsinitiator des Schlierseer Bauernhofmuseums zumute war. Mir tut es immer leid, wenn ich ein Stück Kulturgeschichte verschwinden sehe. Aber es gab eine Lösung die Hütte zu retten, nämlich die Umsiedlung zu uns ins Freilichtmuseum nach Schliersee. Ich war sofort begeistert, denn dort können wir sie der ursprünglichen Bestimmung wieder zuführen und als Käserei betreiben. Ich freue mich auf diese weitere Attraktion in unserem altbayerischen Dorf, denn die Käseherstellung ist ein interessantes und gleichzeitig gut zu demonstrierendes Handwerk. Und so ist meine Vorstellung von einem lebendigen Museum, nicht nur ausstellen, sondern leben und somit erlebbar machen.
Jetzt sagen Sie natürlich, dass man so eine Almhütte nicht einfach Huckepack mit ins Tal nehmen kann und Sie haben Recht damit. Man muss sie natürlich zerlegen und anschließend wie ein Puzzle wieder zusammensetzen. Dazu muss das Gebäude am Anfang vollständig dokumentiert werden. Das heißt, jeder Balken wird nummeriert und seine Lage genau in einem Plan verzeichnet. Zusätzlich werden eine Menge Fotos gemacht, die ebenfalls beim Wiederaufbau helfen. Dadurch, dass das Haus im Laufe der Jahre erweitert wurde, mussten wir besonders aufpassen nichts zu übersehen. Das größte Problem beim Seitkaser der Gotzenalm war allerdings der Transport ins Tal. Ich habe schon etliche Häuser transloziert, auch deutlich größere, aber noch keines mit so einem schwierigen Anfahrtsweg. Denn obwohl man auf einem Weg bis an die Hütte kommt, wäre es viel zu gefährlich gewesen, die über acht Meter langen Balken per Lkw zu transportieren, da das Gelände teilweise unheimlich steil ist. Stellen Sie sich nur einmal vor, der Laster sitzt an einer steilen Stelle auf und verliert die Bodenhaftung! Dieses Risiko ist kein Haus der Welt wert. So mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen und haben einen Helikopter zu Hilfe genommen. Gebündelt zu Paketen von je einer Tonne kam die Hütte damit sicher ins Tal und ist mittlerweile bei uns im Museum in Schliersee.
Möglich sind Aktionen in diesem Umfang jedoch nur mit starken Partnern. Für den Seitkaser hat sich die Privatkäserei Bergader als Pate zur Verfügung gestellt und was würde bei einer Käserei auch besser passen, als unsere neue Almhütte. Den Aufbau wollen wir nun so schnell als möglich beginnen, denn ich kann es kaum erwarten, den ersten selbstgemachten Käse zu probieren!