Heute Nacht ist es wieder soweit, die Uhr wird umgestellt und jedes Jahr bin ich nicht ganz sicher ob vor oder zurück. Aber ich habe für Sie extra nochmal nachgeschaut und mich versichert, die Uhr wird heute Nacht um 3:00 Uhr eine Stunde zurückgestellt, Sie können also beruhigt eine Stunde länger schlafen.
Markus Wasmeier-Kolumne Themenseite: Markus Wasmeier, Sportler des Jahres und Goldmedaillengewinner im Skirennlauf ruft erfolgreich ein »altbayerischen Dorf« ins Leben
Die Sommerzeit ist schon ein sonderbares Konstrukt und wurde ursprünglich in Neuseeland erfunden. Bei uns gab es sie das erste Mal während dem ersten Weltkrieg. Nach einer Pause in den 50er Jahren wurde sie 1977 wieder eingeführt und wir müssen zweimal im Jahr an den Uhren drehen. Für Sie und für mich ist das kein Problem, aber in der Landwirtschaft müssen sich die Bauern etwas einfallen lassen, denn die Tiere haben kein Verständnis dafür, dass sie ihr Futter eine Stunde später bekommen oder gar später gemolken werden.
Alles hat einen eigenen Rhythmus, der sich nicht im Handumdrehen ändern lässt. Bei uns im Freilichtmuseum stellen wir die Höfe in einer Zeit dar, als die genaue Uhrzeit so und so nebensächlich war. Der Tagesablauf wurde von der Sonne bestimmt und so waren die Tage im Sommer einfach länger als im Winter. Uhren waren Luxusgegenstände. Um die Zeit einzuschätzen orientierte man sich am Sonnenstand und wenn es einmal genauer gehen sollte, achtete man auf den Glockenschlag der Kirchturmuhr. Eine genaue Uhrzeit wurde erst mit dem Siegeszug der Bahn nötig, da es im Fahrplan festgelegte Abfahrtszeiten gab. Das Zeitalter der Termine begann. Dass die Uhren genau gingen, darum kümmerte sich der Uhrmacher. Dieses sehr interessante Handwerk können Sie einmal im Monat bei uns im altbayerischen Dorf in Schliersee bestaunen. Unser Uhrmacher zeigt und repariert alte Uhren, egal ob Regulator oder Taschenuhr. Es ist schon eine filigrane Arbeit, da im Laufe der Jahre immer kleinere Uhren gefertigt wurden und es entwickelte sich die Taschenuhr und später die Armbanduhr.
Die Uhr bestimmt den Tagesablauf;
früher war das Aufgabe der Sonne
Die Taschenuhr wurde sogar regelrecht zum Statussymbol. Mir ist da eine Geschichte aus der Nachkriegszeit herangetragen worden von einem Bub, der eine Taschenuhr geschenkt bekommen hatte. Er war so stolz darauf, dass er sich an einem Nachmittag vor den Andenkenladen in Schliersee setzte und Passanten nach der Zeit fragte. Die meisten gaben bereitwillig Auskunft und er präsentierte dann mit großer Geste seine Uhr und sagte: »Danke, dann geht sie ja doch noch richtig«. So eine Freude hatte er, die Uhr zu zeigen. Doch wenn man messen kann wie schnell die Zeit vergeht, befällt viele auch ein Gefühl der Hektik. Natürlich, ganz ohne Uhr möchte ich auch nicht leben, aber wenn ich über das Museumsgelände streife, habe ich meistens keine dabei.
Denn im Museumsdorf gehen die Uhren sowieso anders. Wir drehen die Zeit nicht nur eine Stunde zurück, bei uns erleben Sie einen weit größeren Zeitsprung. Hier erleben Sie das Landleben wie vor 250 Jahren im Rhythmus der Jahreszeiten und des Sonnenlaufs. Besuchen Sie uns doch morgen, dank Zeitumstellung bestens ausgeschlafen, beim Kinderkulturherbst. Und während die Kinder bei Kasperls Spuikastl den Abenteuern lauschen, können Sie sich bei einer gemütlichen Brotzeit und einem frisch gezapften Museumsbier stärken, dabei gilt, egal ob Sommer- oder Winterzeit: Brotzeit ist dann, wenn Sie Hunger haben!