Veröffentlicht am 04.06.2017 00:00

»Mir muss man nicht erklären, wie der Laden läuft«

Übergangspräsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger.  (Foto: Anne Wild)
Übergangspräsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)
Übergangspräsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)
Übergangspräsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)
Übergangspräsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)

Der Verwaltungsrat des TSV München von 1860 e.V. hat für den zurückgetretenen Peter Cassalette einen Übergangspräsidenten ernannt. Robert Reisinger (53), bislang stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzer, übernimmt bis zu einer Neuwahl das Amt. Die Münchner Wochenanzeiger konnten mit Reisinger über die jüngsten Ereignisse in Giesing sprechen.

Herr Reisinger, darf ich Sie beglückwünschen zum Amt, oder fühlt sich das nach den Chaostagen beim TSV 1860 für Sie nach Hohn an?

Sie dürfen – ich erhielt zahlreiche Glückwünsche. Vergnügungssteuerpflichtig ist die Aufgabe sicher nicht. Aber ich bin Löwe und kann mich nicht einfach wegducken, wenn mein Verein mich in schwerer Stunde braucht. Ich verstehe mich als Teamplayer und schätze meine Vize-Präsidenten Heinz Schmidt und Hans Sitzberger sehr; ohne sie würde ich das nicht machen.

Warum fiel die Wahl im Verwaltungsrat auf Sie?

Ich war von 2009 bis 2013 Fußballabteilungsleiter. Mir muss man nicht lange erklären, wie der Laden läuft – dafür wäre jetzt auch grad schlecht Zeit.

Was geschieht nun mit dem TSV 1860?

Die Zuständigkeit für die erste Mannschaft, zweite Mannschaft und die U19-Junioren liegt zunächst allein bei der KGaA. In der Öffentlichkeit besteht oft ein falsches Bild von der Rollenverteilung. Das Präsidium und der Verwaltungsrat des e.V. dürfen sich rechtlich zu keinem Zeitpunkt in das operative Geschäft der KGaA einmischen und tun das auch nicht. Das ist allein die Sache des dortigen Geschäftsführers. Das Allerwichtigste ist, dass der Verein, seine Profi-Fußballtochter und alle im Umfeld schnellstmöglich die Situation in der Regionalliga Bayern annehmen. Und zwar organisatorisch und mental. Es hilft nichts, verpassten Chancen aus der Zweitligasaison nachzuweinen. Jetzt heißt es, den Kopf hochzunehmen und die anstehenden Aufgaben anzugehen.

Woran sind die Verhandlungen mit der Investorenseite über die Drittliga-Lizenz gescheitert?

Unser Mitgesellschafter konnte oder wollte die erforderliche Summe nicht aufbringen. Über die Gründe will ich nicht öffentlich spekulieren. Wir waren bis zur letzten Sekunde bereit, im Rahmen der Statuten Einvernehmen herzustellen.

Im paritätisch besetzten Beirat der Geschäftsführungs-GmbH, der den Geschäftsführer für die GmbH & Co KGaA bestellt, soll eine Pattsituation herrschen?

Beide Gesellschafter haben Vorschläge für eine Neubesetzung des Geschäftsführerpostens gemacht. Eine Einigung kam im ersten Anlauf nicht zustande.

Hasan Ismaik will angeblich seinen Vertrauten Anthony Power erneut auf den Posten des Geschäftsführers beordern?

Normalerweise kommentiere ich Namen nicht öffentlich. Unser Mitgesellschafter hat seinen Personalwunsch jedoch selbst gegenüber der Presse öffentlich gemacht, deshalb kann ich das bestätigen.

Was kritisieren Sie an Power?

Der Verein hat als Gesellschafter schlicht andere Vorstellungen von einem Geschäftsführer – das ist legitim.

Wenn sich die Parteien nicht einigen können, greift dann die 50+1-Regel, die besagt, dass das letzte Wort beim Verein liegt?

Es gibt eine klare Regelung für einen solchen Fall, ja.

Noch einmal: Was geschieht mit der ersten Mannschaft des TSV 1860 München? Den Löwen scheint die Zeit davonzulaufen. Das ist es, was Fans und Mitglieder beunruhigt. Kann man dazu gar nichts sagen?

Wie bereits erwähnt: die Zuständigkeit liegt zunächst klar bei der KGaA. Über das weitere Procedere haben der Bayerische Fußballverband und die Vize-Präsidenten des TSV 1860 in ihrer Pressekonferenz ausführlich informiert. Sie dürfen fest davon ausgehen, dass die erste Mannschaft in der Regionalliga Bayern ein bayerisch geprägtes Gesicht haben und von Menschen mit hoher sportlicher Kompetenz trainiert und betreut werden wird, die sich hundertprozentig mit dem TSV 1860 München identifizieren. An diesem Ziel arbeiten alle Gremien und das wird klappen.

Sie sind dialogbereit mit der Investorenseite?

Als ich unter dem Präsidium Dieter Schneider und Geschäftsführer Robert Schäfer Fußballabteilungsleiter war, galt der damalige Vertreter des Investors in München auf der Geschäftsstelle noch als Persona non grata. Ich war derjenige, der damals gesagt hat, so kann man nicht miteinander umgehen und der sich intern mit deutlichen Worten dafür eingesetzt hat, den Mann respektvoll und anständig zu behandeln. Heute ist derselbe Mensch wiederum vom Investor zur Persona non grata erklärt worden. Eine Ironie des Schicksals. Ich habe zu einem Zeitpunkt, als die Fronten völlig verhärtet waren, für Dialogbereitschaft gestanden und tue das auch jetzt. Ich bin ein großer Freund des miteinander Redens, gerne auch der konfrontativen Diskussion unter Partnern – wenn es zielführend ist! Aber mit mir fährt niemand Schlitten, das kann ich Ihnen versprechen, und mich schüchtert auch keiner ein.

Wie reagieren die Sponsoren?

Wir sprechen mit allen unseren Partnern und erhalten positive Signale. Vor allem unser Hauptsponsor »Die Bayerische« engagiert sich in vorbildlicher Weise für den TSV 1860 München.

Die Fanszene wirkt in Teilen gespalten.

Ich appelliere dringend an alle Mitglieder und Fans, bei aller verständlichen Emotion und sicher auch unterschiedlichen Ansichten, sich fair und vernünftig mit Argumenten zu begegnen. Schließlich geht es »nur« um Fußball. Wer Hass schürt, Prügelknaben und Prellböcke präsentiert und gegen Funktionäre unseres Vereins hetzt, kann kein Teil der Löwenfamilie sein.

Wie geht es mit der Nachwuchsabteilung weiter?

Im vom e.V. zu verantwortenden Juniorenbereich ist alles im Lot – die kommende Saison bereitet uns keine Probleme. Die Dinge gehen dort ihren gewohnten Gang.

Ex-Präsident Peter Cassalette wäscht nach seinem Rücktritt schmutzige Wäsche – was bewegt ihn?

Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich kann nicht in Menschen hineinsehen. Hilfreich ist das sicher nicht. Cassalette hat alles auf eine Karte gesetzt und das ist schief gegangen. Vielleicht ist darin ein Motiv zu erkennen. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Jetzt geht es um die Zukunft des Vereins.

Wann ist mit Ergebnissen für die Zukunft zu rechnen?

Alle Gremien arbeiten fieberhaft an der Fortführung. Geben Sie uns bitte Zeit. Jede Presseanfrage ist mit Aufwand verbunden, um sie seriös zu beantworten; diese Zeit will ich aktuell für den TSV 1860 da sein. Ich bitte einfach um Verständnis. Ende der Woche sehen wir sicher klarer.

Interview: Alfons Seeler

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