Als "apokalyptische Tiere" sind sie sogar in Thomas Manns weltberühmter Novelle "Der Tod in Venedig" von 1911 verewigt. Gleich im ersten Kapitel begegnen sie dem Held Gustav von Aschenbach bei einem Spaziergang durch den Englischen Garten zum Nordfriedhof: Zwei Sphingen flankierten dort damals das Portal des von Hans Grässel konzipierten und 1899 eröffneten Friedhofes. Doch dort sind die stattlichen Figuren schon lange nicht mehr zu finden, Mitte der 1950er Jahre waren sie plötzlich weg. Es konnte bis heute nicht geklärt werden, auf welchen Wegen sie die Stadt verlassen haben und wo sie sich heute befinden.
Im Rahmen des 200-jährigen Jubiläum des kommunalen Friedhofs- und Bestattungswesens, das vergangene Woche mit einer Ausstellung gestartet wurde, soll vorerst eine der beiden Figuren anhand alter Fotoaufnahmen wiederhergestellt werden und an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren. Die Entstehung der Sphinx kann jeder hautnah miterleben: Ab 11. April kann man vor dem Nordfriedhof Steinmetzmeister Wolfgang Gottschalk und Meisterschüler der Münchner Innung beim Steine klopfen zusehen. Dann beginnen sie mit der Fertigung der ersten Sphinx für den Friedhof: von 11. April bis 30. Juni, Donnerstag, Freitag, Samstag, 10 bis 17 Uhr, an der Bauhütte „Sphinx“, U-Bahn-Haltestelle Alte Heide, Ausgang Nordfriedhof. Im Rahmen eines Festaktes wird das handwerkliche Meisterwerk am 11. Juli feierlich enthüllt und seiner Ursprungsstätte am Haupteingang des Nordfriedhofs zurückgegeben. Die Sphinx ist ein Geschenk der Steinmetz- und Steinbildhauerinnung München und Oberbayern an die Münchner Bevölkerung. Die zweite Figur soll dann später auf Kosten der Stadt errichtet werden.
Die Jubiläumsausstellung „200 Jahre kommunales Friedhofs- und Bestattungswesen in München“ ist seit 29. März bis 23. Mai im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege zu sehen und präsentiert auf über 30 großen Schautafeln die 200-jährige Geschichte des kommunalen Friedhofs- und Bestattungswesens in München. Darüber hinaus zeigt sie einmalige Schwarz-Weiß-Fotografien des Künstlers Werner Bauer vom Alten Südlichen Friedhof sowie einen Film des Künstlers über die städtischen Friedhöfe in München. Die Fotos von Werner Bauer werden nur exklusiv in der Jubiläumsausstellung zu sehen sein.
Die geschichtliche Ausstellung der Städtischen Friedhöfe München versetzt die betrachtenden Personen zunächst zurück bis ins 13. Jahrhundert, um dann Schritt für Schritt in die Entwicklung bis zur Gegenwart zu führen. Besucherinnen und Besucher bekommen einen Eindruck von einstmaligen Leichenäckern und Kirchhöfen, vom Beginn der Verwendung von Särgen, von der Einführung der ersten Leichenwagen, von günstigen und teuren Bestattungsklassen und dem langen Weg zur Feuerbestattung.
„Die Ausstellung erklärt die außerordentliche Friedhofsarchitektur in München, die zur damaligen Zeit einmalig und europaweit wegweisend war. Sie dokumentiert den Wiederaufbau des Friedhofs- und Bestattungswesens nach zwei fürchterlichen Weltkriegen, das heutige Gedenken an die Gräueltaten der NS-Zeit sowie den Ausblick auf die Herausforderungen der Zukunft“, so die zuständige Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs. Der Eintritt zur Jubiläumsausstellung ist frei. Der Zugang ist barrierefrei. Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag, 11 bis 16 Uhr. Freitag, 11 bis 14 Uhr.
Daneben gibt es im Rahmen der Feierlichkeiten ein Kunstprogramm im öffentlichen Raum, Aktion „Before I die“ sind am 17. und 18. Mai am Odeonsplatz und 5. und 6. Juli am Wittelsbacherplatz. Das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die ihre letzte Ruhestätte im Friedhof am Perlacher Forst gefunden haben, bildet am 9. November 2019 den Abschluss des Jubiläumsjahres des Kommunalen Friedhofs- und Bestattungswesens. Mit mehr als 20 Veranstaltungen beteiligt sich auch die Erzdiözese München und Freising am Jubiläumsprogramm.
Schon in der Konstitution des Königreichs Bayern von 1808 und den ergänzenden Edikten wurden die Gemeinden als unterste Verwaltungsebene mit eingeschränkter Rechtsfähigkeit im Königreich Bayern festgelegt. Mit dem Gemeindeedikt von 1818 unter der Regierung von König Maximilian I. wurden die Selbstverwaltungsbefugnisse dieser untersten Verwaltungsebene gestärkt und ausgeweitet. Als Teil der Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung ist auch das Friedhofs- und Bestattungswesen im Jahr 1818 in kommunale Hand übergegangen. Im darauffolgenden Jahr, am 12. März 1819 wurde die städtische Leichenanstalt in München eingerichtet. Seit dieser Zeit ist es Aufgabe der Stadt, würdige Bestattungsplätze zu errichten und zu unterhalten, die der Bevölkerung zugänglich sind. Ebenso fällt es seither in den Zuständigkeitsbereich der Stadt, Grabstätten anzulegen sowie die Verstorbenen zu transportieren und zu versorgen.