Schon bevor man den Bibliothekssaal des Deutschen Museums betritt, sieht man hohe Bücherstapel vor sich aufragen: Sie sind Teil der neuen Sonderausstellung „Open Up! Wie die Digitalisierung die Wissenschaft verändert“. Die Wanderausstellung wurde zum 100. Geburtstag der „ZBW - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft“ erstellt. Die frühere „Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften“, weltweit die größte Spezialbibliothek für wirtschaftswissenschaftliche Literatur, erklärt hier, wie wissenschaftliches Publizieren in Zukunft funktionieren könnte, was die Aufgaben einer Bibliothek in Zeiten der Digitalisierung sind – und was das alles mit Open Data zu tun hat. Die Ausstellung ist bis zum 18. September täglich von 9 bis 17 Uhr im Vorraum der Bibliothek des Deutschen Museums zu sehen.
Eins vorweg: Es ist keine Ausstellung für jedermann – sie richtet sich an ein Publikum, das sich dafür interessiert, wie Wissenschaft funktioniert. Aber im Vorraum dieser Bibliothek, der größten Museumsbibliothek Deutschlands mit einem einmaligen Bestand wissenschaftlicher Literatur, ist sie gut aufgehoben. Die Themen: Wie zeitgemäßes wissenschaftliches Publizieren ausschaut, wo die Probleme liegen, und wie Künstliche Intelligenz bei der Lösung dieser Probleme helfen könnte.
An einer Stelle der Ausstellung kann man am Bildschirm einen sehr hübschen Selbsttest machen: Man beurteilt einen Zeitschriftenaufsatz dahingehend, wie wissenschaftlich er ist. Nur aufgrund seines Layouts, seines Äußeren. Das Ergebnis liegt nahe: Je mehr Formeln auf der Seite zu sehen sind, für umso wissenschaftlicher wird der Aufsatz gehalten. Je mehr Fotos auf der Seite sind, für umso unwissenschaftlicher. Das geht nicht nur dem Tester so – sondern den meisten Menschen, die sich an dieser Umfrage am Computerbildschirm beteiligt haben.
Aber nicht nur in solchen Umfragen, sondern auch in der Realität haben Forschende, die wissenschaftlich publizieren oder auch nur bestimmte wissenschaftliche Veröffentlichungen finden wollen, ein Problem. 90 Prozent aller wissenschaftlichen Aufsätze werden niemals zitiert, und es spricht viel dafür, dass sie auch nie gelesen werden. Die Auffindbarkeit im digitalen Web-Dschungel ist ein großes Problem. Google und das digitale Publizieren machen es leichter, Aufsätze zu finden, aber zugleich auch schwerer: Mithilfe von Google findet man häufig nicht das, was man eigentlich gesucht hat, weil die Suchalgorithmen nicht für Wissenschaftler ausgelegt sind. Und wenn man bedenkt, dass alle 20 Sekunden ein Forschungsaufsatz erscheint, werden die meisten Recherchen immens zeitaufwendig, weil man alles Mögliche findet – nur nicht das, wonach man gesucht hat.
Auch auf der anderen Seite wird’s schwierig. Das Publizieren nach dem Peer-Review-Prinzip ist störanfällig, die meisten Fachzeitschriften weigern sich, Studien mit einem Negativ-Ergebnis zu veröffentlichen, die Zahl der Datenfälschungen steigt – und kommerzielle Journale, die gegen Geld alles veröffentlichen, sorgen für weitere Negativ-Schlagzeilen. Kurz: Die Glaubwürdigkeit der Wissenschaftler und wissenschaftlichen Veröffentlichungen sinkt dramatisch.
Aber „Open Up!“ liefert nicht nur Fragen und Probleme, sondern auch Antworten. Neue, wissenschaftlich organisierte Suchmaschinen können dabei helfen, fachübergreifend die richtigen Veröffentlichungen zu finden. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, die Texte zu finden, in denen auch tatsächlich etwas Neues steht. Open Data und Open Access heißen dabei die Zauberwörter für das Publizieren von morgen.
Und am Ende ist vielleicht eine Bibliothek kein Ort mehr, an dem riesige Stapel von Büchern verwahrt und ausgeliehen werden. Sondern ein Ort, an dem man digital recherchieren kann und dabei von einer freundlichen Künstlichen Intelligenz dabei unterstützt wird, genau das zu finden, was man auch gesucht hat. Oder etwas, von dem man noch nie gehört hat, das aber für die eigene Forschungsarbeit besonders wichtig ist.
„Die Ausstellung passt sehr gut hierher“, sagt Helmut Hilz, der Leiter der Bibliothek des Deutschen Museums. „Auch für uns wird die Digitalisierung immer wichtiger, die Auffindbarkeit, die Notwendigkeit, viel mehr Forschungsmaterial zur Verfügung stellen zu müssen. Ich freue mich, dass die ZBW hier erste Lösungen für die Probleme der Bibliotheken aufzeigt – und dass unsere Besucher, von denen ja viele wissenschaftlich arbeiten, davon profitieren können.“
„Open Up! Wie die Digitalisierung die Wissenschaft verändert“. Zu sehen in der Bibliothek des Deutschen Museums. Eingang: gegenüber des Museumseingangs, Museumsinsel 1, 80538 München. Täglich von 9 bis 17 Uhr, Ausnahmen siehe www.deutsches-museum.de. Der Eintritt ist frei.