„Die Unternehmen haben das historische Allzeittief bei den Geschäftserwartungen vom Herbst überwunden, aber fundamentale Unsicherheiten bleiben”, sagt BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Im Vergleich zum Herbst, als noch eine Gasrationierung zu befürchten war, steigt der BIHK-Konjunkturindex deutlich um 24 Punkte und liegt mit 112 Punkten auf dem langjährigen Durchschnitt, so das Ergebnis der Konjunkturumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) zum Jahresbeginn unter 3.600 Unternehmen.
In der bayerischen Wirtschaft sind die Sorgen vor einer scharfen Rezession deutlich gesunken. Die Unternehmen blicken weniger pessimistisch als noch im Herbst auf die kommenden Monate. Wegen des Russland-Ukraine-Kriegs, der zunehmenden Spannungen zwischen USA und China sowie des schwindenden Vertrauens in den Wirtschaftsstandort Deutschland bleibt die Unsicherheit jedoch außergewöhnlich hoch.
„Zwar befinden sich die Gas- und Strompreise nicht mehr auf dem katastrophalen Allzeithoch vom Spätsommer letzten Jahres. Auch eine Gasmangellage ist bislang nicht eingetreten, weil mildes Winterwetter, alternative Versorgungsoptionen und betriebliche Anpassungen für volle Speicher gesorgt haben. Für eine nachhaltige Entwarnung gibt es aber keine Anzeichen. Die Energiefrage bleibt eine zentrale Herausforderung für Betriebe und auch private Haushalte. Die bayerische Wirtschaft bewegt sich somit auf dünnem Eis, jeder neuerliche Schock kann zum Einbrechen führen”, so Gößl.
Insgesamt beurteilen die Betriebe ihre aktuelle Geschäftslage besser als im Herbst. Der Saldo der Geschäftslage steigt um sieben Zähler und erreicht mit 32 Punkten in etwa das Niveau vor Kriegsbeginn. Industrie und Baugewerbe stützen sich auf bestehende Aufträge und können diese aufgrund nachlassender Lieferschwierigkeiten abarbeiten. Auch im Handel und bei den Dienstleistungen laufen die Geschäfte dank guter Nachfrage besser als im Herbst. Einzig der Tourismus ist angesichts des milden Winters weniger zufrieden. Mit Blick auf die kommenden Monate überwiegen nach wie vor die pessimistischen Einschätzungen. Der Saldo der Geschäftserwartungen hat nach seinem Allzeittief im Herbst 32 Zähler zugelegt, bleibt mit einem Wert von minus fünf Punkten aber weiterhin im negativen Bereich. Gestiegen ist vor allem der Anteil der neutralen Einschätzungen. Tourismus, Dienstleistungsbranche und Industrie sind deutlich weniger pessimistisch als noch im Herbst, das Baugewerbe und der Handel bleiben hingegen skeptisch. Durch die insgesamt bessere Stimmung steigt die Einstellungs- und Investitionsbereitschaft moderat. Beide Indikatoren drehen wieder leicht ins Plus. Somit bleibt der Arbeitsmarkt robust und die Betriebe werden wieder etwas stärker investieren.
Die größten Konjunkturrisiken sind der Arbeitskräftemangel und die Sorgen um die Energie- und Rohstoffpreise, die jeweils rund zwei Drittel der befragten Unternehmen nennen. „Die Lösung der Energiefrage und des Arbeitskräftemangels müssen absolute Priorität haben, wenn die Wirtschaft auf einen stabilen Wachstumspfad zurückkehren soll”, sagt BIHK-Präsident Klaus Josef Lutz. „Die Politik hat immer noch keine realistischen Strategien für die langfristige Energiesicherheit aufgezeigt. Eine konsequente Linie gibt es nur bei dem für die Energiesicherheit fatalen Verzicht auf die Nutzung heimischer Erdgasvorkommen, dem bevorstehenden Ausstieg aus der CO2-freien Kernkraft und dem für 2030 avisierten Abschalten der Kohlekraftwerke. Bei jeglichen Ausbauzielen, ob Stromleitungen, Wind- und Solaranlagen, energetische Gebäudesanierung, Wärmepumpen oder Ladesäulen, fehlt es an der erforderlichen Geschwindigkeit. Die Zeit läuft uns davon”, so Lutz.
Beim Arbeitskräftemangel vermisst der BIHK entschiedene Schritte, um Potenziale für mehr Erwerbsbeteiligung auszuschöpfen, darunter den Ausbau der flächendeckenden Kinderbetreuung und Anreize für Arbeitsaufnahme aus Arbeitslosigkeit. Auch bei der Zuwanderung gebe es zu wenig Annäherung an praxisnahe Regeln. „Die Visaerteilung für Arbeitskräfte muss massiv beschleunigt und gleichzeitig bei den Anerkennungsverfahren der überbordende Formalismus drastisch reduziert werden”, fordert Lutz. Der BIHK-Präsident mahnt zudem erneut einen umfassenden Bürokratieabbau an. „Die Wirtschaft braucht Entlastungen und weniger Bremsklötze, um sich möglichst schnell aus der aktuellen Krise zu bewegen. Die Zeiten der Überregulierung in allen Bereichen – von der Bankenregulierung bis zum Lieferkettengesetz – müssen ein Ende haben. Der Staat steht vor allem in der Pflicht, durch Bürokratie verursachte Investitionsstaus unverzüglich aufzulösen. Dies betrifft besonders den Ausbau der Stromnetze, der erneuerbaren Energien, der Verkehrsinfrastruktur und den so dringend notwendigen Wohnbau”, so Lutz.