Würde jemand Fußballwetten auf die Frauen-Bayernliga platzieren, hätte er sicher viel Geld verdienen können, wenn er im Winter auf den Klassenerhalt des FC Stern München gesetzt hätte. Von ihren ersten zehn Spielen gewannen die Truderingerinnen kein einziges – und steckten sogar bis Ostern am Tabellenende fest. Nach einer beeindruckenden Aufholjagd dürfen die „Sterne” aber auch 2023/24 in der Bayernliga starten.
Das wichtigste im Fußball sind Tore, Siege, kurz: Ergebnisse. Genau die konnte der FC Stern monatelang nicht liefern. Seit 2012 spielt der Traditionsverein aus Trudering durchgehend in der Bayernliga – doch 2022/23 drohte die letzte Saison in der vierthöchsten deutschen Spielklasse zu werden. Dort gibt es nur 22 Spieltage, wobei die Sterne in ihren ersten zehn Partien kümmerliche drei Unentschieden sammelten. Der letzte Platz war die logische Konsequenz. Der Abstieg in die Landesliga drohte, schien gar unausweichlich. „In der Hinrunde gab es etliche enge Spiele, wo uns das Quäntchen Glück gefehlt hat. Vorne haben wir gute Chancen nicht verwertet, hinten wurden Fehler sofort bestraft”, sagt der Teammanager des FC Stern, Ferdinand Stern. Vieles sei Kopfsache gewesen, die vielen Niederlagen hätten das Selbstvertrauen der Spielerinnen schwinden lassen, ergänzt Stern: „Wir haben aber immer an die Mannschaft geglaubt.”
Was dann passierte, das kann „man nicht zu 100 Prozent erklären”, meint der erfahrene Teammanager. Fakt ist, dass der FC Stern in den folgenden elf Partien acht Mal als Sieger vom Platz ging (einmal trat der Gegner nicht an) und nach und nach vom letzten Platz ins Mittelfeld kletterte. Das 12. Jahr in der Bayernliga war damit sogar schon vor dem letzten Spieltag gesichert. Nun gab es im Fußball schon Vergleichbares, zum Beispiel bei den Zweitliga-Profis des FC St. Pauli, die in der Rückrunde mit einem neuen Trainer eine Rekord-Siegesserie hinlegten und vom Abstiegs- zum Aufstiegskandidaten avancierten. Der FC Stern nahm jedoch während der Saison keine personelle Veränderungen vor. Weder stießen Neuzugänge zur Mannschaft, noch wurde der Trainer gewechselt: Angelo Carillo, ein ehemaliger Bayernliga-Spieler der SpVgg Unterhaching, blieb ungeachtet der Negativserie im Amt.
Im letzten Hinrundenspiel, also am 11. Spieltag, gelang den Sternen endlich der lang ersehnte erste Saisonsieg. Nach dem 4:0 gegen den FC Ezelsdorf ging es mit sechs Punkten auf dem Konto in die lange Winterpause, mit der zweitschlechtesten Defensive der Liga und gebührendem Abstand zum rettenden Ufer. Im Trainingslager in der Türkei sammelte das Team Kraft für die „Mission Impossible”, wider alle Prognosen in der Bayernliga zu blieben. Doch aus den ersten zwei Partien im Jahr 2023 sprang lediglich ein Remis heraus. Anfang April war der FC Stern mit mageren sieben Punkten einsames Tabellenschlusslicht. Ausgerechnet am Osterwochenende begann sie dann, die wundersame Auferstehung im Münchner Osten: Dem 4:2 gegen den Abstiegskonkurrenten SpVgg Germania Ebing folgten sechs weitere Siege, bei nur noch einer Niederlage. Die starke Serie schuf die Basis für den Klassenerhalt, der nach einem 4:2 gegen den FC Ingolstadt 04 II am vorletzten Spieltag perfekt war, bevor es zum krönenden Abschluss ein 2:1 in Ezelsdorf gab.
In einer denkwürdigen Rückrunde holten die Sterne 22 Punkte – fast vier mal so viele wie in der Vorrunde. Plötzlich gelang den Truderingerinnen fast alles. Enge Spiele wurden nun fast immer gewonnen, wie im Stadtderby beim SC Amicitia München (1:0) oder bei der TuS Bad Aibling (3:2). In der Kurstadt führte Stern mit 2:0, die Gastgeberinnen schafften jedoch den Ausgleich. „Dann hat unsere Spielführerin Evelyn Maß kurz vor Schluss eine Ecke direkt verwandelt”, erinnert sich Ferdinand Stern. Solche Tore gelingen in der Regel nur, wenn es bei einer Mannschaft „läuft”, wie der Fußballfan sagt. Das denkwürdigste Spiel war für Ferdinand Stern aber das Duell mit den Würzburger Kickers, das die Müncherinnen überraschend deutlich mit 4:1 für sich entschieden. „Wir haben den Tabellenführer und späteren Aufsteiger über 90 Minuten dominiert”, sagt Stern, immer noch etwas ungläubig.
Nach dem Klassenerhalt steht an der Feldbergstraße nun ein kleiner Umbruch bevor: Trainer Angelo Carillo hört nach sieben Jahren auf. „Die Saison war sehr stressig für ihn”, meint Stern. „Er hat vieles versucht, anfangs hat wenig geklappt.” In der kommenden Bayernligasaison möchte der FC Stern laut seinem Teammanager „nix mehr mit dem Abstieg zu tun haben”. Zwei bis drei Neuzugänge sollen die Mannschaft verstärken, eventuell rückt eine Spielerin aus der eigenen U17 in den Bayernliga-Kader auf. Derzeit besteht das Team zu rund 40 Prozent aus Eigengewächsen, dazu kommen ehemalige Jugendspielerinnen des FC Bayern und Soldatinnen, die an der Bundeswehrhochschule in Neubiberg studieren. Der Altersschnitt ist recht niedrig, was ein Stück weit die wechselhaften Leistungen in der abgelaufenen Saison erklärt.
Traditionell genießt die Nachwuchsarbeit einen hohen Stellenwert beim FC Stern München, der derzeit sechs Juniorinnenteams stellt und sich laut Ferdinand Stern „großem Zulauf” von fußballbegeisterten Mädchen erfreut. Das Aushängeschild der Jugendabteilung ist Andrea Gavric, die jetzt für den 1. FC Köln in der Bundesliga und in der Nationalmannschaft von Bosnien-Herzegowina spielt. Auch sie hat heuer mit ihrer Mannschaft die Klasse gehalten – wenn auch nicht so spektakulär wie ihr Jugendverein aus Trudering.