Es gibt in der evangelischen und der katholischen Kirche die Tradition, dass Sonntage nach ihrem Eingangsgesang, dem sogenannten Introitus, benannt werden. Weltweit gilt dafür die lateinische Kirchensprache. Diese Eröffnungstexte enthalten eine gewisse Programmatik, über die es sich nachzudenken lohnt, weil sie unsere gegenwärtige menschliche Gefühls- und Erlebniswelt aufgreift.
So heißt der Vers zum 1. Advent: „Ad te levavi“. Es wird Psalm 25 zitiert: „Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, dir vertraue ich. Lass mich nicht scheitern, lass meine Feinde nicht triumphieren! Denn niemand, der auf dich hofft, wird zuschanden“.
Die Angst vor dem Scheitern greift immer mehr um sich. Die Demokratie, der deutsche Fußball, der Kampf gegen den Klimawandel und oft auch sehr persönlich. „German Angst”, aber auch meine Sorgen. Die Texte des Advents wollen allen Menschen guten Willens Mut zusprechen. Umgebt euch nicht nur mit negativen Nachrichten. Glaubt daran, dass wir nicht zuschanden werden, dass wir nicht untergehen. Wir können aktiv selber dazu beitragen.
Im Dreißigjährigen Krieg stand in Moosach nur noch die Alte Martinskirche. Heute sind wir ein Stadtviertel, dass sich sehen lassen kann, weil Menschen an die Zukunft geglaubt haben.
2. Advent: „Populus Sion“. Hier spricht der Prophet Jesaja: „Der Herr wird kommen, um die Welt zu erlösen. Volk Zion, mach dich bereit. Höre auf ihn, und dein Herz wird sich freuen.“
Der Blick auf den Heiligen Berg Zion lässt uns dieser Tage und Wochen seit dem 7. Oktober schaudern. Wer bringt Frieden? Wer bringt Erlösung? Ein falsches wirres Verständnis von Religion treibt Menschen in den Tod. Mögen alle Religionen in einen Prozess der Reinigung gehen, damit ihre Friedensbotschaft wieder gehört wird!
In Moosach pflegen wir ein gutes Miteinander in der Ökumene und zunehmend auch in interreligiösen Begegnungen und Feiern. Wir haben alle Verantwortung füreinander, wir gehören zusammen, wir begegnen uns in Respekt und Interesse.
3. Advent: „Gaudete“. Paulus schreibt an seine Lieblingsgemeinde im griechischen Philippi: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Denn der Herr ist nahe“.
Die Hälfte der eigentlich besinnlichen Zeit ist schon geschafft. Anlass zu echter Freude: Weihnachten steht vor der Tür mit all dem, was wir mit dem Fest verbinden. Sicher, wenn jemand sagt: „Ich kann mit dem Schmarrn nix anfangen“, ist das sein oder ihr gutes Recht.
In Moosach kommt der Aspekt der „Gaudi“ nicht zu kurz. Dafür spricht der Hüttenzauber und viele heiter-besinnliche Veranstaltungen. Granteln tun wir auch gern. „Mosern“ passt zu „Moosach“. Aber die Freude soll die eigentliche Grundstimmung sein. Wir leben lieber Dur als Moll.
4. Advent: „Rorate“. Und wieder ist es der Prophet Jesaja, der uns zuruft: „Tauet, ihr Himmel, von oben! Ihr Wolken, regnet herab den Gerechten! Tu dich auf, o Erde, und sprosse den Heiland hervor!“
Jetzt wird’s Frühling – jetzt kommt die Rettung des Klimas. Vor allem des seelischen Klimas. Feuchtigkeit lässt die verdurstete Erde aufatmen und sich öffnen. Es gibt eine Kraft, die das vermag: die Liebe. Sie steht uns allen zur Verfügung. Je mehr wir sie einsetzen, desto mehr verbreitet sie sich. Als der biblische Text verfasst wurde, herrschte Ungerechtigkeit, Gefangenschaft, Exil, Verzweiflung. Da mögen viele in den Verzweiflungs-, aber auch Hoffnungsruf des Propheten mit eingestimmt haben: „Wann ist es endlich soweit?!“
Im Münchner Norden wird es bald wieder sprießen und gedeihen auf den Feldern, in den Gärten und Gewächshäusern. Wir leben hier am Vitaminschrank der Stadt. Dieser Blick mag uns anspornen für einen neuen Frühling der Zuversicht, der Achtsamkeit, des kulturellen Reichtums und eines freundlichen Umgangs miteinander.
Ihnen und allen Ihren lieben Angehörigen wünsche ich fröhliche Vorbereitungen auf ein gesundes und friedliches Weihnachten!
Ihr Pfarrer Martin Cambensy
Pfarrverbandsleiter Moosach-Olympiadorf