Veröffentlicht am 08.08.2024 13:10

Altes neu entdecken


Von mha, red
Die Initiatoren des Projektes „Archäologie München”, Dr. Elke Bujok, Prof. Dr. Rupert Gebhard und Dr. Brigitte Haas-Gebhard vor der Info-Stele in der Weinstraße. (Foto: mha)
Die Initiatoren des Projektes „Archäologie München”, Dr. Elke Bujok, Prof. Dr. Rupert Gebhard und Dr. Brigitte Haas-Gebhard vor der Info-Stele in der Weinstraße. (Foto: mha)
Die Initiatoren des Projektes „Archäologie München”, Dr. Elke Bujok, Prof. Dr. Rupert Gebhard und Dr. Brigitte Haas-Gebhard vor der Info-Stele in der Weinstraße. (Foto: mha)
Die Initiatoren des Projektes „Archäologie München”, Dr. Elke Bujok, Prof. Dr. Rupert Gebhard und Dr. Brigitte Haas-Gebhard vor der Info-Stele in der Weinstraße. (Foto: mha)
Die Initiatoren des Projektes „Archäologie München”, Dr. Elke Bujok, Prof. Dr. Rupert Gebhard und Dr. Brigitte Haas-Gebhard vor der Info-Stele in der Weinstraße. (Foto: mha)

Was gibt es Schöneres als im Sommer über die Fußgängerzone zu schlendern, sich zu einem kühlen Getränk in einem Café niederzulassen und die Zeit einfach an sich vorbeifließen zu lassen? Beim Bummeln und Schlendern lässt sich in diesem Jahr überdies viel Neues entdecken – Neues aus der Vergangenheit der Stadt! Blaue „Stelen” weisen in der Innenstadt bis Ende Oktober auf Stellen hin, an denen bei Ausgrabungen interessante Funde gemacht wurden. Geht man beispielsweise über den Jakobsplatz, erfährt man auf der blauen Tafel, dass genau dort im Mittelalter ein bedeutendes Pilgerzentrum war. Dies wurde auch klar, als man bei Bauarbeiten in den Jahren 2003 und 2004 unter dem Platz Gruben mit großen Mengen Tierknochen fand, aus denen kreisrunde Löcher gestanzt waren. Es handelt sich dabei um Abfälle der Herstellung von Rosenkränzen und Gebetsketten, sogenannter „Paternosterschnüre”, die am Jakobsplatz im großen Stil stattfand, lag er doch in unmittelbarer Nähe zum Rindermarkt und zu vielen Metzgereien. Auch ein Bild des Jakobsplatzes um 1750 ist auf der Stele zu sehen, als noch dort die jährliche Jakobidult abgehalten wurde, ein wichtiger Absatzmarkt für die „Paternosterer”, wie die Hersteller der Gebetsketten und Rosenkränze hießen. (Heute findet die Dult in der Au auf dem Mariahilfplatz statt).

Insgesamt sind es 13 über die Innenstadt verteilte Info-Stelen, die die Passanten auf bedeutende archäologische Fundstellen aufmerksam machen. Sie vermitteln einen Einblick in Alltagsleben, Umwelt und Stadtbild Münchens seit dem Mittelalter. Durch sie wird die Stadt zum archäologischen Schaufenster!

Aufgestellt wurden die Stelen im Rahmen des Projekes „Archäologie München” durch die Archäologische Staatssammlung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der Ludwig-Maximilians-Universität unter Federführung von Prof. Dr. Rupert Gebhard, Dr. Brigitte Haas-Gebhard und Dr. Elke Bujok von der Archäologischen Staatssammlung.

Stadtgeschichte birgt Rätsel und Sensationen

In der Münchner Altstadt fanden bislang über 250 Ausgrabungen statt. Um die Fundobjekte und das damit verbundene Wissen möglichst vielen Bürgern zugänglich zu machen, werden besonders spannende Fundstücke regelmäßig an unterschiedlichen Orten in der Münchner Innenstadt vorgestellt. Heuer weisen die Stelen auf „historischen Schmankerl” aus der bayerischen Landeshauptstadt und auf längst vergessene Orte hin. Im Fokus stehen dabei Funde von den umfangreichen Ausgrabungen am Marienhof (2011-2018) sowie andere aus dem Altstadtbereich. Dazu zählen unter anderem Gegenstände aus dem Grab der „Ältesten Münchnerin” (13.-12. Jahrhundert v. Chr.) wie Keramikgefäße und Gewandnadeln, gefunden bei Ausgrabungen im Apothekenhof der Residenz. Bis ins 20. Jahrhundert war München von Stadtbächen und Isar-Armen durchzogen; die meisten wurden beim U-Bahn-Bau in den 1960ern trockengelegt oder verlaufen heute unterirdisch. Zeuge jener Zeit ist ein am Marienhof gefundener mittelalterlicher Fischkasten (Ende 13. Jh.), in dem die Tiere gehalten wurden. Ein 700 Jahre alter Keramiktopf gibt Aufschluss über Essgewohnheiten seiner Besitzer, die offenbar gerne Mus einkochten. Spektakulär ist auch einer von 15 ausgegrabenen Schächten (Nummer 5) – ein mit Holz verkleideter Brunnenschacht, in dem ein rätselhaftes Kuhskelett lag. Ob das Rätsel gelüftet werden kann, verrät die zugehörige Info-Stele.

Manche der Geschichten, die sich um die Funde weben, sind durchaus ungewöhnlich. So wurde in der ehemaligen Weinschenke in der Weinstraße 7 neben Getränken in früher Zeit auch Medizin vertrieben, unter anderem Quecksilbersalbe gegen die gefürchtete Geschlechtskrankheit Syphilis – gefunden in einer Holzdose aus dem 16. Jahrhundert.

Mit den Stelen will das Projekt „Archäologie München” für das Thema Archäologie 'vor der eigenen Haustüre' sensibilisieren und Lust darauf machen, Geschichte vor Ort und in der eigenen Stadt zu entdecken – im Alltag und in aller Kürze. Ist die Neugierde einmal geweckt, können Interessierte die angesprochenen Objekte dann vor Ort im Museum, der Archäologischen Staatssammlung, in der Lerchenfeldstraße 2 bestaunen.

Mehr erfahren bei kostenlosem Altstadt-Rundgang

Passend zu dem Stelenprojekt hat die Archäologische Staatssammlung Führungen entwickelt und lädt Interessierte zu einem gemeinsamen, kostenfreien Rundgang durch die Altstadt ein. Bis Ende Oktober können sich jeweils bis zu 20 Personen rund 90 Minuten lang von Dr. Brigitte Haas-Gebhard und Dr. Elke Bujok ausgiebig informieren lassen. Treffpunkt ist beim Fischbrunnen am Marienplatz. Anmelden kann man sich per E-Mail an die Adresse buchung@archaeologie.bayern oder vormittags unter Telefon 089/12599691-0. Die nächsten Termine sind Mittwoch, 21. August, um 11 Uhr und Donnerstag, 29. August, um 17 Uhr. Im September wird am Mittwoch, 25., um 11 Uhr geführt. Weitere Termine sind Sonntag, 13. Oktober, um 11 Uhr und um 15 Uhr sowie Freitag, 25. Oktober, um 15 Uhr.

Alle Info-Stelen

An folgenden Stellen in der Innenstadt sind Informationstafeln aufgestellt. Sie stehen genau an den Fundorten der Ausgrabungen, über die sie berichten:
1. Odeonsplatz, Eingang zum Hofgarten: Ein antikes Grabrelief
2. Apothekenhof der Residenz: Die „Älteste Münchnerin”
3. Marstallplatz, Alfons-Goppel-Straße/Ecke Hofgartenstraße: Ehemaliger Lustgarten, der Vorgänger des Hofgartens
4. Residenz, Max-Joseph-Platz/Ecke Residenzstraße: Die Nonnen vom Max-Joseph-Platz, Klöster und Gruft
5. Alter Hof, Innenhof: Die erste Residenz
6. Sparkassenstraße, vor dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege: Der Pfisterbach, ein Münchner Stadtbach
7. Marienhof, Dienerstraße (Höhe Baustelleneinfahrt): Eine wahre Fundgrube, die Ausgrabungen 2011 bis 2018
8. Marienhof, Dienerstraße (Höhe Baustelleneinfahrt): Unzerstörbares Geschirr aus dem ehemaligen Café Deistler sowie ein Mustopf
9. Marienhof, Dienerstraße (Höhe Baustelleneinfahrt): Was macht die Kuh im Schacht? Der „Schacht 5” und seine Funde
10. Weinstraße 7, Seite Filserbräugasse: Quecksilber gegen Syphilis, Medizin aus einer Weinschänke
11. Dienerstraße, Ecke Marienplatz: „Jedem Zecher sein Becher”, die ehemalige Ratstrinkstube
12. Neuhauser Straße 14 vor der Bürgersaalkirche: Kapellenstraße, Bürgerhäuser und Jesuitenkolleg
13. St.-Jakobs-Platz am Kloster: Ein Pilgerzentrum im Mittelalter sowie dort ansässige Paternosterer

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