Irgendwo da oben meint es derzeit irgendeiner irgendwie verdammt gut mit Maximilian Brückner findet jedenfalls der 27-Jährige, der seit fast einem Jahr als »Boandlkramer« im »Brandner Kaspar und das ewig Leben« am Münchner Volkstheater in der Brienner Straße vor ausverkauftem Haus spielt.
Der Druck vor der Premiere war gewaltig, besonders für Regisseur und Volkstheater-Intendant Christian Stückl und den jungen Hupfer Brückner, den viele schon gnadenlos in den großen Fußstapfen von Toni Berger versinken sahen. Der im Januar 2005 verstorbene Volksschauspieler hat als »bayerischer Tod« Theatergeschichte geschrieben.
»In ganz München hättens uns zerrissen, wenn das nicht geklappt hätte«, glaubt Brückner. Doch Publikum und Kritik sind hingerissen von der berührenden wie saukomischen Inszenierung. Wenn der Applaus mal wieder gar nicht enden will, würde Brückner vor schierem Glück am liebsten in die Menge hopsen. Das hat er sich bisher zwar noch nicht getraut. Dafür startet er jenseits der Bühnenbretter zum großen Sprung.
Seit Freitag ist es offiziell: Der gebürtige Chiemgauer ist der Nachfolger des saarländischen »Tatort«-Kommissars Palu und damit der bisher jüngste Fernsehermittler in Deutschlands beliebtester TV-Krimi-Reihe. Einmal im Jahr wird Brückner in Zukunft am Sonntagabend zu sehen sein. Drehbeginn für die erste Folge ist im Juni.
Stolz wie Bolle ist er auch über die kürzliche Nachnominierung für die renommierteste deutsche Fernsehauszeichnung, den Grimme-Preis: als »Neuentdeckung des Jahres«. Heute werden die Preisträger verkündet. »Ich glaube zwar nicht, dass ich gewinne. Schon die Nachnominierung ist doch toll. Ich steh ja erst am Anfang und kann noch so viel lernen«, sagt Brückner bescheiden beim Gespräch im Theaterlokal »Volksgarten«, und man glaubt es ihm gern.
Noch vor ein paar Jahren habe ihn das Angebot für eine dieser Nachmittags-Gerichtsshows »echt gekränkt«. Diese Zeiten sind vorbei. Anspruchsvolle Rollen und Auszeichnungen, etwa der Film-Preis 2006 des Deutschen Kritikerverbandes, trudeln derzeit nur so ins Haus, dass einem schwindlig werden könnte. Abzuheben droht Brückner aber nicht. »Eigentlich hab ich mehr Glück als Verstand«, sagt er etwas kokett. Bei allem Talent: So ganz vom Himmel gefallen ist der Erfolg nicht. »Ich bin schon ehrgeizig«, erzählt er. »Wenn andere in den Urlaub gefahren sind, habe ich gearbeitet. Und hab ich drei Tage frei, ist mir eh langweilig.«
Dann geht Brückner halt Ski fahren. Oder eben spielen. Allein im Januar war er dreimal zur besten Sendezeit im Fernsehen zu sehen: darunter in Dieter Wedels TV-Zweiteiler »Papa und Mama« oder in »Mozart Ich hätte München Ehre gemacht«. Sein Kino-Debüt gab er 2003 als schwuler Torwart in »Männer wie wir«. Im fast oscargekrönten Film »Sophie Scholl Die letzten Tage« war er Willi Graf. Gerade stand er als windiger Reporter für »Schwere Jungs«, die wahre Geschichte über die ersten deutschen Olympia-Teilnehmer nach 1945, Bobfahrer aus Garmisch, vor der Kamera. Und im April ist er bei Wedel ein »Geist«.
Nicht schlecht für einen, der sagt, dass er lange Zeit nichts mit Theaterstücken anfangen konnte, als Gymnasiast in Schülervorstellungen herumkasperte und sich an der Münchner Otto-Falckenberg-Schauspielschule mit den einzigen Dramen bewarb, die er damals kannte vom Fernsehen: »Woyzeck« und »Viel Lärm um nichts«.
Den Blick für seine Begabung und die Idee mit der Schauspielschule hatte seine Mutter. Denn trotz seiner Auftritte im berühmten Riederinger Krippenspiel war Brückner nicht so theaterbegeistert. »Aber dann war ich infiziert.« Doch intellektuelles Gedöns und hohles Kunstgefasel sind nicht sein Ding. Wie ihm die Spezialität des Volksgartens, die Ingwer-Limo, nicht geheuer ist, weil »gsund«, findet er die Theaterwelt und Showbranche oft überkandidelt.
»Bei der Aufnahmeprüfung liefen einige Irre rum, mit Schwertern, Esoteriker lauter Selbstdarsteller.« Und mittendrin Maximilian, der bis dato Bairisch pur sprach und wenig übrig hatte für die Schönheit des Hochdeutschen, das er sich erst mühevoll antrainieren musste. Obwohl er zu seiner eigenen Verwunderung aufgenommen wurde an der Münchner Kaderschmiede für den Schauspielnachwuchs, hat er die Schule vorzeitig verlassen. Sein Diplom machte er sozusagen als eine der Hauptfiguren in Friedrich Schillers »Die Räuber«, 2003 von Christian Stückl am Volkstheater inszeniert.
Der Anfang dort war hart, gibt er offen zu. Heute sagt er: »Ich habe hier den Luxus, mit tollen Kollegen, mit meinen besten Freunden und Geschwistern Stücke zu spielen, die ich selber mit aussuchen darf.« Seine zwei jüngeren Brüder sind Teil der »Jungen Riederinger Musikanten«, die beim »Brandner Kasper« und »Räuber Kneißl« mit von der Partie sind. Dem Volkstheater wird er jedenfalls vorerst erhalten bleiben. Das nächste Projekt kann oder will er aber noch nicht verraten.
An Stückl, den man als seinen Entdecker bezeichnen kann und in dessen Salzburger Jedermann-Inszenierung Brückner auch diesen Sommer wieder den Mammon spielt, schätzt er, »dass er die Barriere zum Publikum durchbrechen will. Das ist auch mein Antrieb.« Stückl sei mittlerweile einer seiner besten Freunde.
Dabei gehört Brückner nicht fest zum Volkstheater-Ensemble. Das gibt ihm die Freiheit, sich im Kino und Fernsehen in verschiedenen Rollen auszuprobieren. »Ich bin kein reines Theatertier, will möglichst viel Verschiedenes machen.« Gern hässliche und abgründige Charaktere. Nicht festgelegt werden will er auf den blondgelockten Kindskopf und das sympathische bayerische Landei was er im normalen Leben tatsächlich zu sein scheint. Er kann schon auch anders.
Das Verkleiden und das Spiel mit der Maske liebt er jedenfalls schon lange. Ursprünglich wollte er Arzt werden, ist in fast jedem Porträt über Brückner zu lesen. Dabei habe ihn daran eigentlich mehr die Wirkung von Rolle und Kostüm fasziniert, wenn er ehrlich ist: als »Halbgott in Weiß.«
»Ich hab schon einen kleinen Dachschaden, aber einen netten den braucht man als Schauspieler.« Gleichzeitig verrückt und bodenständig sei er, meint Brückner. Und ist sich darüber im Klaren, dass es mit den ganzen Streicheleinheiten, die der Erfolg so mit sich bringt, schnell vorbei sein könnte. Seine Familie ist dem ältesten von acht Kindern deshalb das Wichtigste. Aus Riedering im Chiemgau, wo er aufgewachsen ist und mit seinen zwei jüngeren Brüdern in einem Bauernhaus wohnt, will er auf gar keinen Fall weg: »Das ist alles mein Netz und doppelter Boden.«
Und ob vor kurzem mit der »Sophie-Scholl«-Crew bei den Oscars, zu Dreharbeiten in Prag oder wahrscheinlich im September mit dem »Brandner Kasper« in Brasilien ein Stück Heimat begleitet ihn stets: der wirklich charmante Zither-Klingelton seines Mobiltelefons. Daheim sei er auch nicht der umschwärmte Film-Fuzzi, erzählt er. Das will er auch nicht sein. »Einen Tag, nachdem ich bei der Berlinale auf dem roten Teppich gestanden bin, kam ich in Rosenheim nicht in die Disco. Solange das so ist, ist ja noch alles in Ordnung.«
Michaela Schmid