Ein Marathon ist ja eigentlich eine olympische Disziplin. Dass man aber auch aus Büchern ganze zwölf Stunden, länger also als jeder Marathonlauf, vorlesen kann, beweist am Samstag, 26. April, die katholische Allerheiligengemeinde an der Ungererstraße 187. Zwischen 9 und 21 Uhr wird beim so genannten »Lesemarathon« vorgelesen was das Zeug hält.
Über 100 Kinder und Nachbarn der Kirche haben sich bereits angemeldet um jeweils fünf bis fünfzehn Minuten aus einem Werk ihrer Wahl vorzutragen zu Ehren der Pfarr-Bücherei, die am Wochenende ihren 80. Geburtstag feiert.
Die Buchauswahl für Samstag gestaltet sich bisher prächtig: »Von Harry Potter bis Paulo Coelho ist alles dabei«, erklärt die Initiatorin des Büchermarathons Sabine Pasti. Sie hat das Vorlesen vor eineinhalb Jahren in die Gemeinde gebracht, Lesemarathons kenne sie nur aus Norddeutschland. »Außerhalb von Profi-Autorenlesungen ist das der erste Lesemarathon Süddeutschlands, soweit ich weiß«, meint Pasti.
Dass Pasti jeden zweiten Mittwoch im Monat mit Vorlesestunden für Kinder frischen Wind in die öffentliche Bücherei bringt, freut die Leiterin Maria Elisabeth Turner, die seit 1968 in der Bücherei arbeitet und schon einige Kuriositäten erlebt hat: »In den 50er-Jahren befand sich die Bücherei im Bühnenzimmer, das eigentlich der Umkleideraum für die Theatermenschen war. Damals war sie 16 Quadratmeter groß: Wenn fünf Leute auf einmal kamen, standen drei von ihnen schon auf der Bühne, um auf die Ausleihe zu warten.«
Sie selbst erinnert sich noch lebhaft an die Zeit in einer Bücherbaracke Anfang der 90er-Jahre. »Es war eng, aber durch die Baracke auf der Wiese hinterm Kirchturm hat man uns wenigstens wahrgenommen«, sagt Turner. Denn schon seit einigen Jahren werden die Ausleiher weniger, und das obwohl es sich keineswegs um eine rein katholische Bibliothek handelt. »Wir sind für jeden Menschen und jede Religion offen. Die Ausleihe ist bei uns kostenlos und als kleine Beigabe gibt es den Weihrauchduft, der durch die Räume weht quasi auch kostenlos dazu«, scherzt Turner. 8.500 Medien stehen den Nutzern zur Verfügung, auf aktuelle Buchwünsche werde immer gerne eingegangen.
Die Vorleseliste für den kommenden Sonntag ist leider schon voll, aber Organisatorin Pasti will versuchen, jeden, der ein Buch vorbereitet hat spontan noch mit aufzunehmen.
Dann werden die von Turner gepflegten Bücher aus dem Schrank geholt und präsentiert.
An ihre erste Buch-Waschung erinnert sie sich noch heute. »Wir haben mal den damaligen Bestand von 4.000 Büchern mit Alkohol abgewaschen und neu eingebunden. Die erste Ausleiherin hat mich dann gefragt, ob wir neue Bücher hätten, weil sie so gut rochen«, erklärt Turner. Auf ihre Antwort, die Bücher seien gewaschen worden, erwiderte die Leserin doch glatt: »Aber doch nicht in der Waschmaschine, oder?«
Kathrin Schubert