»Jetzt ist es hier ja tot« darin sind sich die verbliebenen Ladenbesitzer, Café-Besucher und Passanten des zum großen Teil verwaisten Ladenzentrums an der Blodigstraße einig. Seit Jahren warten die Hasenbergler, dass wieder Leben einkehrt in ihr »Zentrum«, seit Jahren macht man ihnen Hoffnung. Doch jetzt hat die Stadt endlich den ersten konkreten Schritt getan: Am 1. April fasste sie den Aufstellungsbeschluss für ein neues Quartierszentrum, das sowohl einen großen Lebensmittelsupermarkt als auch kleinere Geschäfte und ein Lokal beherbergen soll, außerdem aber auch einen drei- bis viergeschossigen »Kultur-Quader«.
Kulturbau »Blodigstraße« und Fahrbibliothek
Hasenbergl · Kulturbau »Blodigstraße« und Fahrbibliothek Themenseite zum Bau des Kulturzentrums an der Blodigstraße; die Stadtbibliothek wird derzeit ersetzt vom Bücherbus
Darin soll die Hasenbergl-Außenstelle der Stadtbibliothek ein modernes und größeres Zuhause als »Mittelpunktsbibliothek« mit vergrößertem Einzugsgebiet bekommen, außerdem ein Stadtteilzentrum der Volkshochschule (VHS) und einen Veranstaltungssaal, der auch Vereinen, örtlichen Theatergruppen und anderen Initiativen zur Verfügung stehen soll. Der Bibliothek sollen etwa 1.100 Quadratmeter zur Verfügung stehen, der VHS rund 500 bis 600, und für Veranstaltungen, Vereinstreffen etc. nochmal etwa 400 Quadratmeter. Die sich daraus ergebende »Hauptnutzungsfläche« von zirka 2.100 Quadratmetern bedeutet eine Brutto-Geschossflächenzahl von 3.500 bis 4.000 qm für die Kultur, verteilt auf drei bis vier Stockwerke.
Dazu kommt ein eingeschossiges Ladenzentrum, das einem Supermarkt 2.500 Quadratmeter Verkaufsfläche bieten soll. 1.000 bis 2.000 qm »Geschossfläche« sollen für kleinere Geschäfte und die Gastronomie hinzukommen.
Die Kultur-Räume sollten ursprünglich im nördlich des Mira-Einkaufszentrums geplanten Berufsschulzentrum unterkommen, doch das würde auf Kosten der eigentlichen Schulräume gehen und Erweiterungsmöglichkeiten gäbe es für das Schulzentrum angesichts des angrenzenden Naturschutzgebiets Nordheide nicht. Bevor an der Blodigstraße vom Planungsreferat ein endgültiger Bebauungsplan aufgestellt werden kann, muss der Stadtrat in seiner Sitzung am 22. April offiziell auf Antrag des Kulturreferats beschließen, dass die kulturelle Nutzung von der Nordheide an die Blodigstraße umziehen soll. Heide Rieke (SPD), die sich im Stadtrat für die Aufwertung der Blodigstraße einsetzt, ist sich aber sicher, dass es sich dabei nur noch um eine formale Hürde handle. »Ich gehe davon aus, dass jetzt alles sehr zügig geht«, sagt sie im Gespräch mit der Münchener Nord-Rundschau.
Michael Hardi, Pressesprecher des Planungsreferats, antwortet auf unsere Anfrage, dass üblicherweise vom Aufstellungsbeschluss bis zum Baubeginn zwei Jahre vergehen. Damit will sich Heide Rieke auf keinen Fall zufrieden geben: »Ich hoffe doch sehr, dass es weniger als ein Jahr dauert!« Schließlich, so betont sie, sei ja schon im Aufstellungsbeschluss für die Entscheidung über das endgültige Aussehen das »konkurrierende Verfahren« vorgesehen, bei dem weniger Architektenentwürfe gesichtet werden müssen. Rieke hofft aber, dass unter Umständen im Rahmen eines »beschleunigten Verfahrens« ganz auf einen Architektenwettbewerb verzichtet werden kann, nachdem über die grundsätzlichen Anforderungen an die neuen Bauten bereits weitgehend Einigkeit herrscht, auch mit dem Eigentümer des Ladenzentrums, der Dibag Industriebau AG.
»Wenig Spielräume«
Dr. Wolfgang Kasper, Mitglied des Vorstands der Dibag und dort zuständig für die Projektentwicklung, hat bereits Anfang 2009 in einem Gespräch mit der Münchener Nord-Rundschau darüber geklagt, wieviel Zeit verstreiche, ohne dass endgültig über das neue Zentrum entschieden werde. Im Februar habe es die erste Anfrage der Stadt an die Dibag gegeben, ob man sich für ein neu zu errichtendes Nahversorgungszentrum am Standort auch kulturelle Nutzungsräume der Stadt vorstellen könne. Die spontane Antwort des Bauunternehmens sei gewesen: »Selbstverständlich!« Seither, so Kasper im Januar 2009, laufe man »der Stadt hinterher.« Nachdem man sich über die Grundstruktur, einen eingeschossigen Bau für Handel und Gastronomie und einen mehrgeschossigen »Kulturwürfel« mit der Stadt einig sei, sah Kasper bereits im Januar für einen etwaigen Architektenwettbewerb »nur sehr wenig Spielräume«. Eile sei geboten, da sich, wie Kasper es ausdrückte, die »brache Stimmung auch am Genus Loci festsetzt.«
»Mach mit«
Man fühlt sich einfach nicht mehr wohl in der zum Hinterhof verkommenen Betonwüste das bestätigen der Nord-Rundschau auch einhellig die wenigen Passanten, die an einem normalen Werktag-Morgen dem »Zentrum« ein wenig Leben einhauchen. Daniela O. hat drei Kinder. Zurzeit findet sie den Komplex an der Blodigstraße zu gefährlich, um sich dort mit ihnen aufzuhalten. Karin M. hat zwei Kinder und bestätigt diese Erfahrung. Einen neuen Supermarkt fände sie »praktisch« und, wie alle Befragten, vor allem für ältere Anwohner wichtig. Sie selbst würde sich aber vor allem über ein kulturelles Zentrum freuen, denn »schon jetzt nutzen wir die Bibliothek und ihre Veranstaltungen mit den Kindern sehr viel.« Die junge Frau erhofft sich einen Ort, an dem die Menschen aus dem Hasenbergl auch ihre verschiedensten kulturellen Hintergründe vorstellen können. Sie selbst stammt aus einer Migrantenfamilie und weiß kulturelle Vielfalt zu schätzen »Mach mit« lautet ihr Motto. Es sollte auch für Planer und Bauherren gelten. Eva Mäkler