Für Laien grenzt es an ein Wunder, was die Wissenschaftler über die 2012 am Steinlacher Weg in Gilching geborgenen Bajuwaren-Skelette, „Kiltis“ genannt, herausgefunden haben. So soll „Kilti“ blond und blauäugig gewesen sein (die anderen beiden hatten braune Augen und Haare), „Kilterich“ sei laktoseintolerant gewesen und „Kiltine“ habe eine Zahnlücke wie die Sängerin Madonna gehabt. Einen Tag lang haben sich Archäologen bei einem vom Zeitreiseverein organisierten Symposium über ihre Forschungsergebnisse im Gilchinger Rathaussaal ausgetauscht.
„Kilti, wer bist du?“, lautete der Titel des Symposiums. Am Ende konnte man sagen: „Kilti, das bist du!“ Bis es soweit war, wurde allerdings jahrelang geforscht. Normalerweise ein zu großer Aufwand für die kleine Ausgrabung, aber der Zeitreise-Verein mit seiner Vorsitzenden Annette Reindel ließ nicht locker. Immer wieder konnten Forschungsinstitute und Studierende begeistert werden.
Wie bei einem Puzzle wurden die Erkenntnisse zu einem Ganzen zusammengefügt. Anhand der Knochen konnten Geschlecht und biologisches Alter (zwischen 17 und 30 Jahre) der drei bestimmt werden. Auch die Zähne erzählten eine Geschichte: Alle drei hatten Rillen, das könnten frühkindliche Krankheiten, Ernährungsmangel oder Stress bewirkt haben. Sie hatten außerdem Zahnstein und Karies. Kilti sogar einen Wurzelabszess. Anthroarchäologin Kristin von Heyking bedauerte, „ein Großteil der Krankheiten hinterlassen keine Spuren am Knochen“. Mit einer Strontiumisotopenanalyse hatte sie festgestellt, dass die drei ihre Kindheit nicht in Gilching verbracht haben, aber aus Europa stammen.
Aus dem Schädelknochen extrahierte Doktorandin Alexandra Mussauer vom Ötzi-Institut für Mumienforschung in Italien alte DNA. Dank ihrer molekulargenetischen Analyse konnte die Haar- und Augenfarbe bestimmt werden und es kam heraus, dass die drei nicht miteinander verwandt sind. Die rostigen Grabbeigaben wurden von Studierenden in Köln mittels eines Rasterelektronenmikroskops untersucht. Archäologin Tracy Niepold informierte, dass Holz, Fell-, Leder- und Pflanzenreste entdeckt wurden.
Als letztes kam Anthropologin Kristina Scheelen-Novacek an die Reihe mit der Gesichtsweichteilrekonstruktion. Wichtig hierfür war ein guter Zustand der Schädel, denn die individuellen Augen-, Nasenhöhle und Mund bilden die Grundlage, um darauf das Gesicht mit seinen typischen Prägungen auszuformen. „Die Position der Augenwinkel kann man am Knochen sehen“, so Scheelen-Novacek.
Sie hat die Kiltis dann wie bei einem Fahndungsbild gezeichnet. Als „künstlerische Interpretation“ hatte Scheelen-Novacek den dreien noch Frisuren verpasst – eines der Dinge, die die Forscher nicht herausfinden können. Die Ergebnisse der Forschungen sind in einer neuen Station im Museum Schichtwerk, sonntags von 14 bis 17 Uhr und dienstags von 10 bis 12 Uhr zu sehen.