„Der Sozialstaat trägt uns alle. Er sorgt für Ausgleich und soziale Gerechtigkeit.” Mit diesem Bekenntnis zum Sozialstaat eröffnete VdK-Präsidentin Verena Bentele das zweitägige sozialpolitische Forum des Sozialverbands VdK Bayern.
Mit Blick auf die aktuellen Koalitionsverhandlungen für eine neue Bundesregierung kritisiert der VdK, dass sozialpolitische Fragen dabei so gut wie keine Rolle spielen. Der VdK beobachtet das mit Besorgnis und erinnert daran, wie wichtig soziale Sicherheit gerade jetzt ist: „Ein starker Sozialstaat hilft uns in schwierigen Zeiten, Herausforderungen zu meistern, Wandel zu bewerkstelligen und soziale Brüche zu verhindern,” so Verena Bentele. Dass die sozialstaatlichen Errungenschaften nur Bedürftigen zugute kämen, nur ausgenutzt werden oder ohnehin nicht finanziert werden könnten, sieht der VdK nicht so. „Niemand kann von sich sagen, er hätte den Sozialstaat noch nicht gebraucht”, sagte Bentele. Kindergarten, Schule, Elterngeld, Arztbesuche, Rettungsdienst, Familienversicherung oder Hinterbliebenenrente seien nur einige Beispiele. „Es geht also nicht um Almosen oder Geschenke ohne Gegenleistung. Alle sollten sich an der sozialen Sicherung beteiligen, denn alle profitieren auch davon.”
Die Meinung, der Sozialstaat ließe sich nicht mehr finanzieren, teilt der VdK nicht. Darüber tauschten sich bei einer Podiumsdiskussion MdL Doris Rauscher (SPD, Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie im Landtag), Verena Bentele und Ivor Parvanov (Geschäftsführer und Leiter der Zentralabteilung Sozial- und Gesellschaftspolitik bei der vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft) aus.
Regelmäßig greife der Staat in die Kassen der Sozialversicherungen, um gesamtgesellschaftliche Aufgaben darüber abzuwickeln, sagte Bentele. So zum Beispiel bei der Mütterrente. Aber auch die Krankenhausreform, Rentenbeiträge für Pflegepersonen und familienpolitische Leistungen wie die kostenlose Mitversicherung von Kindern werden aus den Sozialversicherungen bezogen. „Das sind alles wichtige und richtige Leistungen, für die sich der VdK stark macht. Aber sie dürfen nicht aus den Beiträgen der Versicherten kommen, sondern müssen aus Steuermitteln finanziert werden”, forderte Bentele. Berechnungen des VdK zufolge könnten durch eine Reform die Sozialversicherungsbeiträge zusammen um 4,19 Prozentpunkte gesenkt werden.
Verena Bentele und Doris Rauscher sind sich einig, dass ein Überdenken der Besteuerungsgrundsätze eine gute Stellschraube wäre: „Wir brauchen endlich ein faires Steuersystem, das die Belastungen gerecht verteilt und Vermögen stärker beteiligt,” so Verena Bentele.
„Das Fundament eines guten, starken Sozialstaats ist eine starke Volkswirtschaft, die es sich leisten kann”, gab Ivor Parvanov zu bedenken. Er wies darauf hin, dass es im Grunde egal sei, welchen Anteil an Sozialabgaben Arbeitnehmer oder Arbeitgeber tragen müssen - denn das Geld müsse so oder so am Arbeitsplatz erwirtschaftet werden.
Professor Achim Truger vom Sachverständigenrat Wirtschaft hält den Sozialstaat für nötig:
„Es ist völlig falsch, den Sozialstaat zum bloßen Kostenfaktor zu degradieren, den Wirtschaft und Gesellschaft sich nur leisten könnten, wenn es der Wirtschaft grade gut gehe. Tatsächlich hat der Sozialstaat auch wesentliche ökonomisch positive Effekte. Er hat produktivitätssteigernde Effekte, kann den Strukturwandel unterstützen und abfedern sowie zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung beitragen, indem er sich selbst verstärkenden Krisentendenzen entgegenwirkt. Der Sozialstaat ist ökonomisch gerechtfertigt und wird gerade in der aktuellen Lage nicht nur aus sozialen, sondern auch aus ökonomischen Gründen gebraucht.”
Der Sozialverband VdK hat mit seiner Aktion JASOZIAL seine sozialpolitischen Forderungen formuliert,die auch in den kommenden Wochen und Monaten in den politischen Diskurs eingebracht werden. „Das solidarische Prinzip ist effektiv und hat sich bewährt. Wir wollen den Sozialstaat deshalb noch besser machen, noch leistungsfähiger, noch zielgenauer, noch effizienter, noch durchlässiger. Alles andere wäre staatspolitisch unklug”, fasste Bentele zusammen. Weitere Infos: www.jasozial.de.