FC Bayern, TSV 1860 – und dann? Türkgücü ist als Regionalligist die Nummer drei im Münchner Fußball, dahinter aber klafft auf dem Stadtgebiet eine Lücke bis hinunter zur Bezirksliga. Das war nicht immer so: Früher gab es auch in München Bayernliga- und Landesligafußball zu sehen. Wir blicken auf einige gefallene Traditionsvereine.
Einst drittklassig, heute in der 10. Liga: Den tiefsten Absturz aller Münchner Fußballvereine, wenngleich nicht plötzlich, sondern über Jahrzehnte, musste der BSC Sendling verkraften. In den 1950ern gehörten die Lila-Weißen der höchsten bayerischen Amateurliga an und unternahmen 1958 eine Reise in die Türkei, wo sie in vollen Stadien antraten. Von 1972 bis 1974 spielte der BSC in der drittklassigen Bayernliga gegen den FC Augsburg oder die Bayern-Amateure. Heute heißen die Gegner an der Siegenburger Straße TSV Neuried III oder FC Kosova München II: Die A-Klasse markiert den sportlichen Tiefpunkt für die Sendlinger, die mit Savio Nsereko, einst bei West Ham United und dem FC Bologna, einen ehemaligen deutschen Juniorennationalspieler im Kader haben.
Ein klangvoller Name im bayerischen Amateurfußball war lange auch die SpVgg Helios München. Von 1958 bis 1972 spielten die Weiß-Blauen aus Bogenhausen in der Bayernliga, also drittklassig. Mit Herbert Stöckl schaffte es ein Helios-Spieler in die 1. Bundesliga: Er bestritt für den Wuppertaler SV auch Spiele im Europapokal. Nachdem Helios 1972 den Klassenerhalt verpasste, ging es ein Jahr später auch aus der Landesliga abwärts. In höheren Ligen ist Helios nie wieder aufgetaucht. 1987 zog der Verein an die Westpreußenstraße, weil die Sportanlage an der Franz-Fischer-Straße einem Industriebau weichen musste. Zehn Jahre später fusionierte die SpVgg Helios mit dem SV Daglfing zum SV Helios-Daglfing, der aktuell Spitzenreiter seiner Kreisklassen-Staffel ist.
Als Helios stolzer Bayernligist war, spielte der FC Wacker München zeitweise eine Liga höher – in der Regionalliga Süd, wo es Stadtderbys gegen den TSV 1860 gab. Die „Blausterne” aus Sendling sind der Inbegriff eines abgesunkenen Traditionsvereins. Seine große Zeit erlebte Wacker in den 1920er Jahren, als man es zweimal ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft schaffte und deutsche Nationalspieler stellte. Als sich der TSV 1860 und der FC Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg als Profivereine etablierten, wurde es für Wacker als dritte Kraft schwierig. In den 60er und 70 Jahren pendelte man zwischen Regionalliga Süd und Bayernliga. Mit Trainer Karl Mai, als Spieler Teil der Weltmeisterelf von 1954, veloren die Sendlinger 1968 das Finale der deutschen Amateurmeisterschaft.
Bis Ende der 80er blieb Wacker als Bayernligist eine Größe im bayerischen Fußball. Doch nach mehreren Abstiegen war der Verein 1994 pleite – und stellte sogar den Spielbetrieb ein. Dank der starken Nachwucharbeit ging es an der Demleitnerstraße wieder etwas nach oben. Heute gilt der FC Wacker als Vorzeigemodell für Vielfalt und Integration, wurde dafür 2012 von UEFA-Präsident Michel Platini ausgezeichnet. Einen Namen gemacht haben sich auch die Wacker-Frauen, die in den 90ern in der Bundesliga spielten und sich 1999 als eigener Verein (FFC Wacker) abspalteten. Derzeit treten sie in der Regionalliga an, die Wacker-Männer in der Kreisliga.
Der TSV Großhadern ist für seine starken Judoka bekannt, doch auch die Fußballer waren mal erfolgreich und 1986/87 als Bayernligist Münchens Nummer drei. Gegner wie der FC Augsburg, die SpVgg Fürth oder Jahn Regensburg kamen an die Heiglhofstraße. Als Höhepunkt der Vereinshistorie gelten die Stadtduelle gegen den TSV 1860, die beide im Grünwalder Stadion stattfanden. Dabei verkaufte sich Großhadern gut, trotzte den ruhmreichen Löwen im Hinspiel ein 1:1 ab und führte im Rückspiel mit 1:0 (Endstand 1:3). Anders als Wacker oder Helios stürzten die Haderner nach dem Abstieg aus der Bayernliga ab nicht komplett ab, sondern pendelten bis in die 2000er zwischen Landesliga und Bezirksoberliga. Aktuell ist der TSV Letzter der Bezirksliga Oberbayern Süd.
Und dann war da noch der FSV München, der in den 80er Jahren für Aufsehen im Lokalfußball sorgte, als er bis in die viertklassige Landesliga Süd durchmarschierte. Möglich machten das Spieler wie der Ex-Bayern-Profi Udo Horsmann oder Fredi Binder, langjähriger Physiotherapeut des FCB. Das Geld steuerten Vorstände bei, die Lokale im Bahnhofsviertel besaßen und schon mal im weißen Rolls Royce zu den Spielen vorfuhren. Schnell hatte der FSV einen Ruf als „Rotlichtclub”. Drei Spielzeiten trat die Mannschaft am Surheimer Weg in der Landesliga an, der sportliche Klassenerhalt gelang nur 1997/98. Jedoch meldete der FSV seine Mannschaft ab und löste sich auf. Ein 2021 neu gegründeter FSV München spielt in der C-Klasse.
Wäre dieser Artikel vor zehn Jahren erschienen, hätte sich Türkgücü München, dessen Vorgänger in den späten 80ern und frühen 90ern im altehrwürdigen Dantestadion in der Bayernliga antrat, eingereiht. Doch dank eines zahlungskräftigen Präsidenten marschierte der Club in jüngerer Zeit von der Bezirksliga bis in die 3. Liga, wo er allerdings finanziellen Schiffbruch erlitt. Das liebe Geld ist auch der Hauptgrund, warum die anderen Vereine so weit abgerutscht sind – es fehlten die Mittel, um hochklassigen Amateurfußball zu finanzieren. Die Sponsorensuche gleicht in der Großstadt einer Herkulesaufgabe: Jeder der unzähligen Vereine will etwas vom Kuchen abhaben, den Großteil schöpfen die Proficlubs ab. Der zunehmende Mangel an Ehrenamtlichen und die begrenzten Trainingsplätze machen es nicht besser. Anders sieht es jenseits der Stadtgrenze aus: Hier gibt es eine höhere Identifikation mit Ort und Verein, viel Wirtschaftskraft und Platz für moderne Sportanlagen. Nicht zufällig sind einige aktuelle Regionalligisten und Bayernligisten – von Unterhaching über Heimstetten und Garching bis Deisenhofen und Ismaning – im Landkreis München daheim.