Veröffentlicht am 06.11.2020 08:02

Weiterhin diskriminiert

Rainer Burger ist der stellvertretende Leiter der Einrichtung, die das ganze Jahr über mit Menschen zu tun hat, die aufgrund ihrer Wurzeln als Sinti und Roma diskriminiert werden. (Foto: Daniel Mielcarek)
Rainer Burger ist der stellvertretende Leiter der Einrichtung, die das ganze Jahr über mit Menschen zu tun hat, die aufgrund ihrer Wurzeln als Sinti und Roma diskriminiert werden. (Foto: Daniel Mielcarek)
Rainer Burger ist der stellvertretende Leiter der Einrichtung, die das ganze Jahr über mit Menschen zu tun hat, die aufgrund ihrer Wurzeln als Sinti und Roma diskriminiert werden. (Foto: Daniel Mielcarek)
Rainer Burger ist der stellvertretende Leiter der Einrichtung, die das ganze Jahr über mit Menschen zu tun hat, die aufgrund ihrer Wurzeln als Sinti und Roma diskriminiert werden. (Foto: Daniel Mielcarek)
Rainer Burger ist der stellvertretende Leiter der Einrichtung, die das ganze Jahr über mit Menschen zu tun hat, die aufgrund ihrer Wurzeln als Sinti und Roma diskriminiert werden. (Foto: Daniel Mielcarek)

Sinti und Roma gibt es wohl mehr als man vermuten würde in München. Wie viele es genau sind, ist schwer zu sagen, da sie sich nicht immer in der Öffentlichkeit als solche vorstellen. Denn oft sind sie immer noch diskriminiert. Aber ganze 360 Klientinnen und Klienten aus dieser Volksgruppe haben allein letztes Jahr Hilfe in der Einrichtung "Drom – Sinti & Roma" gesucht. Dabei handelte es sich um über 4.000 Gesprächskontakte, so Rainer Burger, stellvertretende Leitung der Einrichtung.
Auf die Frage, ob und wie viele Sinti und Roma im beruflichen Umfeld diskriminiert werden, antwortet er pragmatisch: Niemand. „Fast alle Angehören der Minderheit outen sich in ihrem Job gar nicht erst als Sinti und Roma. Sie zahlen den Preis der Verleugnung, um beruflich nicht ausgebremst zu werden. Das bedeutet, dass auch gerade beruflich erfolgreiche Sinti und Roma von der Gesellschaft nicht gesehen' werden.“
"Drom – Sinti & Roma" ist eine Einrichtung der berufsbezogenen Jugendhilfe der Diakonie Hasenbergl, Zielgruppe sind vor allem unter 27-jährige Angehörige der Minderheit. Weitet man die Frage nach Diskriminierungserfahrungen auf das private Umfeld oder die Schule aus, sieht die Situation teils sehr schlecht aus. „Hier erzählen unsere Klientinnen und Klienten sehr oft von Vorurteilen, Beleidigungen und Diskriminierung. Ich war schockiert, als Jugendliche einmal mit einer völligen Selbstverständlichkeit in der Stimme erzählten, dass man sie in der Schule und im Alltag 'schon oft vergasen' will“.

Die Probleme bestehen nicht erst seit gestern, dabei sind Sinti und Roma bereits seit Jahrhunderten in Deutschland beheimatet. Sie sind in allen gesellschaftlichen Schichten vertreten. Gerade die Verbrechen an Sinti und Roma im Nationalsozialismus wirken bis heute noch nach. „Die Jugendlichen, die bei uns Rat suchen, berichten von den Erzählungen ihrer Großeltern und Urgroßeltern, das Trauma der damaligen Zeit ist längst nicht vergessen“, so Burger. Und die zweite Generation, die heute 50-Jährigen, sei noch stärker involviert: „Hier ist eine 'Sekundärtraumatisierung' eingetreten, da der rassistische Völkermord nie aufgearbeitet, sondern im Nachkriegsdeutschland verdrängt, vergessen oder gar verleugnet wurde. Deshalb schlummert dieses Trauma der Verbrechen an der Volksgruppe bis heute in den Köpfen der Minderheit, auch bei den ganz jungen“, so Rainer Burger.

Die Mitarbeitenden von "Drom – Sinti & Roma" haben es sich deshalb auch zur Aufgabe gemacht, Wissen zu vermitteln und Aufklärung zu leisten, in der Einrichtung selbst, aber auch im sozialpolitischen Umfeld der Stadt München. So führt die Stadt jedes Jahr im März Gedenkveranstaltungen anlässlich der Deportation der Münchner Sinti und Roma am 13. März 1943 durch, die auch von Drom in der „Arbeitsgruppe Gedenken“ mit vorbereitet werden.
Kernaufgabe der drei Mitarbeitenden der Einrichtung ist die Beratung von jungen Sinti und Roma, die ihre Berufschancen verbessern wollen. Auch Familienangehörige werden in die Beratung mit einbezogen, da dies für einen nachhaltigen Erfolg der Arbeit von wesentlicher Bedeutung ist.
„Doch bevor auf Jobsuche gegangen werden kann, müssen oft erst andere, soziale Stolpersteine bei den jungen Menschen aus dem Weg geräumt werden“, so Rainer Burger. Und dazu gehört es auch, Probleme zu besprechen, die nicht nur durch die Jugendlichen alleine zu verantworten oder zu bewältigen sind, sondern eine gesellschaftliche Ursache haben. So wie Ausgrenzung und Diskriminierung.
Die Einrichtung befindet sich im Walter-Sedlmayr-Platz 9. Im Gruppenraum befindet sich eine Ausstellung, die für jedermann zugänglich ist. Infos unter www.diakonie-hasenbergl.de

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