Der Blick auf die sozialen Verhältnisse vor Ort ist nicht immer ungetrübt. Trotzdem herrschte beste Stimmung bei der zentralen 100-Jahr-Feier, zu der der AWO Kreisverband München-Land ins Putzbrunner Bürgerhaus eingeladen hatte .
Kabarettist Christian Springer, der bekannt kritisch die politischen und sozialen Verhältnisse im Land beleuchtete, hatte für die AWO eine Empfehlung: „Lauter sein!“ Denn Verbände und Organisationen, die in Wohlfahrt und Fürsorge tätig sind, seien immer noch viel zu brav und viel zu leise. Er forderte die zahlreich anwesenden Kommunalpolitiker auf, an den Zuwendungen für das Ehrenamt nicht zu sparen. Gerne sei er gekommen, stellte Springer gleich zu Beginn fest. Den schließlich sei es die AWO gewesen, die ihn als noch unbekannten Kabarettisten und Studenten Anfang der 80er Jahre eingeladen und ihm die Chance gegeben habe, auf der Bühne zu stehen. Noch heute fühle er sich deswegen der AWO eng verbunden. „Die Grundwerte der AWO, die Gründerin Marie Juchacz vor 100 Jahren formulierte, sind heute aktueller denn je“, sagte der Präsidiums-Vorsitzende des AWO Kreisverbands München-Land Max Wagmann. Denn dann, wenn Toleranz und Solidarität verloren gingen, würden Fremdenhass und Antisemitismus gedeihen. Wagmann: „Wir müssen die Grundwerte der AWO in der heutigen Gesellschaft einfordern, und wir müssen sie vor allem auch selbst leben.“
Wagmann konnte zur Geburtstagsfeier im Putzbrunner Bürgerhaus viele Gäste, darunter 14 Bürgermeister, begrüßen. In vielen Gemeinden ist die AWO heute schon Träger von Einrichtungen, von mehr als 70 im gesamten Landkreis. Die Redner, die bei diesem Fest das Wort ergriffen, sparten nicht mit Lob für die Arbeiter Wohlfahrt und ihr Engagement für die Menschen.
„Die AWO Grundwerte der Gründerzeit sind inzwischen die Grundrechte eines jeden und doch sind sie keineswegs selbstverständlich“, sagte Landrat Christoph Göbel. Gerade im Großraum München mit seiner blühenden Wirtschaftskraft gelte es angesichts der vielen Megatrends aufzupassen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter öffne. Ein Teil der Gesellschaft komme nicht mehr zurecht – und zwar nicht nur materiell, stellte Göbel fest. Gerade in dieser Hinsicht leiste die AWO „unglaublich wertvolle Arbeit“. Göbel bedankte sich bei den AWO Mitarbeiter: „Wenn wir so weitermachen, wird der Landkreis München eine solidarische Gesellschaft bleiben.“
Putzbrunns Bürgermeister und Hausherr Edwin Klostermeier hob in seiner Rede vor allem die Arbeit der AWOhnbau-Genossenschaft hervor, zu deren Aufsichtsrat er selbst gehört. Ihr Ziel ist es, bezahlbaren Wohnraum für Bürger des Landkreises zu schaffen, die sich die teuren Mieten im Landkreis nicht leisten können. „Ich lade alle, die ein unbebautes Grundstück haben, ein, es der AWOhnbau zur Verfügung zu stellen“, sagte er. Ein besonderes Lob zollte er den Ehrenamtlichen für ihre Arbeit. Als Bürgermeister wisse er ganz genau, dass ohne ehrenamtliche Tätigkeit in der Gesellschaft nichts funktioniere. Er wisse aber auch, wie lebenserfüllend eine solche Arbeit sein könne.
AWO Landesvorsitzender Thomas Beyer ließ keinen Zweifel daran, dass die Arbeit der AWO auch dann nötig ist, wenn draußen die Sonne scheint. Denn der Landkreis in „Schinkenrandlage“ der Großstadt habe mit speziellen Problemen zu kämpfen. So sei der Kreisverband Pionier in Sachen Obdachlosigkeit und Wohnungsnotfallhilfe und andere folgen dieser beispielhaften Arbeit. Doch der Wohlfahrtspflege fehle dafür das Geld. Deshalb schloss er sich der Forderung von Christian Springer an: „Lauter zu sein!“ Die AWO und ihre Mitarbeiter mussten unter dem Nationalsozialismus selbst Verfolgung erleiden, wie Beyer zurückblickend feststellte. Trotzdem habe man standhaft „Nein“ gesagt zu einer Eingliederung in die nationalsozialistische Volksfürsorge. Und auch heute müsse es heißen „Nie wieder - das gilt für den Umgang mit allen, die anders sind.“ Zur Geschichte der AWO: Vor 100 Jahren gründete Marie Juchacz die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit dem Ziel, sich für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen. Den Kreisverband München-Land e.V. gibt es bereits seit 1946. Heute hat der Verband zehn Ortsvereine und rund 950 Mitglieder. Er ist Träger von über 70 Einrichtungen, beschäftigt rund 550 Mitarbeiter und trägt damit unverzichtbar zur Daseinsvorsorge in den Kommunen bei. Über konkrete Hilfen hinaus ist es ein Anliegen des Verbands, das öffentliche Bewusstsein für soziale Themen zu schärfen und Bürger zur Beteiligung anzuregen.