Die kecke Badenixe in ihrem knappen Badekostüm, damals sicher der letzte Schrei, hat sich vor dem Fotografen in Positur gestellt und blickt selbstbewusst in die Kamera. Die Aufnahme aus den 1930er-Jahren erlaubt einen direkten Blick in die Vergangenheit und ist Teil der neuen Ausstellung „Ein fotografisches Gedächtnis“, die bis zum 25. September im Museum Starnberger See zu sehen ist.
Normalerweise schlummern die Bilder aus dem Bestand der Fotografenfamilie Wörsching im Archiv der Stadt Starnberg. Man kann sie betrachten, aber nur, wenn man sich durch die Kisten wühlt. „Der Reiz ist es, das wertvolle Archivgut zeitgemäß zu präsentieren“, sagte Museumsleiter Benjamin Tillig bei einem Pressegespräch. 4000 Bilder hat er zusammen mit Archivmitarbeiter Christoph Aschermann gesichtet und schließlich rund 100 ausgewählt.
Interessant etwa der Durchstich an der Söckinger Straße (bei der Schlossbergschule), der notwendig war, weil die Pferdefuhrwerke kaum den steilen Anstieg hinaufkamen. Zu sehen sind auch Sommerfrischler, Badegäste, Wintersportler auf dem zugefrorenen See, Motorradler vorm Hotel Bayerischen Hof, vergnügte Besucher, die in einem Karussell ihre Runden drehen, Eisenbahner, Einheimische in Tracht und Wörschings Familienangehörige. „Wir wollten vor allem Menschen zeigen“ so Tillig. „Es sind Bilder, die viel erzählen.“ Sie sind Raritäten. Eine große Anzahl ist bislang noch nicht öffentlich zu sehen gewesen.
Die eigentlich aus Kissing stammende Handwerkerfamilie Wörsching kam im 19. Jahrhundert mit dem einsetzenden Bauboom nach Starnberg und zu Wohlstand. Josef Wörsching war Kunstmaler und Stukkateur, der an den Ludwig-Schlössern Linderhof und Berg mitarbeitete, sich aber dann dem neuen Medium Fotografie zuwandte. 1877 gründete er ein Fotoatelier in der Possenhofener Straße 5 in Starnberg (quasi gegenüber dem Museum). Es war nicht nur das erste, sondern lange Zeit auch einzige weit und breit. Wörsching fotografierte nicht nur als klassischer Porträtfotograf die Menschen, die sich im Sonntagsstaat fürs Foto feingemacht hatten, inmitten von sorgfältig inszenierten Kulissen, sondern schleppte seine große Plattenkamera auch hinaus, um zu fotografieren, was ihm Lohnenswertes vors Objektiv kam. Er und sein Sohn Richard (1887-1937) verstanden sich aber nicht als Chronisten von Zeit und Gesellschaft, sondern „fotografierten, was sich rentiert hat“, so Tillig. Die Stadt Starnberg kaufte den größten Teil des Fotobestands. Das Museum hat die Hängung so vorgenommen, dass die Besucher die Fotos direkt vor Augen haben und sich ganz in sie vertiefen können. Für Kinder gibt es einen Hocker zum Hinaufsteigen.
Wer die unbekannte Badeschönheit mit dem Lockenkopf war, eine Aufnahme, die die Archivare in die Dreißigerjahre datieren, haben die Wörschings damals nicht notiert. Auch bei anderen Fotos weiß man nicht, zu welchem Anlass sie entstanden sind und wen sie zeigen. Deshalb dürfen die Besucher mithelfen. Wehr mehr über die Fotos weiß, darf sein Wissen auf bunte Klebezettel schreiben und direkt neben die Bilder posten.