Die Zeit der Weihnachtsmärkte steht in München vor der Tür. Der Markt am Wittelsbacherplatz hat sich auf das Mittelalter spezialisiert – und die Archäologinnen aus der Archäologischen Staatssammlung um Expertise gebeten. Denn: Dieses Jahr wird dort in mittelalterlichen Bechern Glühwein ausgegeben. Entstanden sind diese in Anlehnung an Funde vom Marienhof.
2021 erhielt die Archäologische Staatssammlung die Anfrage, eine Vorlage für mittelalterliche Trinkbecher zu liefern – für den Mittelaltermarkt am Wittelsbacherplatz. Florian Ertl, Leiter des Marktes, ist Mittelalterfan und daran interessiert, den Markt so authentisch wie möglich zu gestalten. Die Mittelalter-Spezialistinnen aus der Archäologischen Staatssammlung konnten helfen und rheinische Trinkbecher aus Keramik als Vorlage vermitteln. Genauer: Trichterhalsbecher, Becher mit eiförmigem Bauch und trichterförmigem Hals. Diese Becher aus geflämmtem Steinzeug wurden ab dem 14. Jahrhundert rund um Siegburg (Rheinland) hergestellt, wo der geeignete Ton dafür zu finden war. Indem die Flammen frei um das Brenngut streichen konnten, schmolz die Asche zu einer Art glasigem Überzug; auf der Oberfläche entstanden dadurch orangefarbene Stellen, die den Objekten ihre Farbe verliehen. Das Besondere: Der Ton verbindet sich bei den hohen Brenntemperaturen derart, dass er auch ohne Glasur vollständig dicht ist. Heißt: Er nimmt nicht den Geschmack dessen an, was darin aufbewahrt wird. Also perfekt für Glühwein „Scarlet“ geeignet.
Heißer, mit Gewürzen und Honig zubereiteter Wein wurde übrigens bereits im Mittelalter (ja sogar schon in der Antike!) hergestellt – allerdings nicht als Genussmittel, sondern eher als Medizin. Im Mittelalter wurden die Trichterhalsbecher eingesetzt als Trinkbecher und Schankgefäße. Doch nicht jeder konnte sich einen solchen Becher leisten, der auch das Konsumieren warmer Getränke ermöglichte. Viel häufiger kamen zerbrechliche Glasbecher zum Ausschank von Wein zum Einsatz. Die einfachen Personen tranken hingegen mit Sicherheit aus hölzernen Gefäßen.
Woher aber dann der München-Bezug? Rheinisches Steinzeug wurde in der gesamten spätmittelalterlichen Welt gehandelt – und kopiert. Dementsprechend auch in München. Die Becher der Archäologischen Staatssammlung, die als Vorlage dienten, stammen allesamt aus Grabungen am Marienhof und in der Weinstraße und wurden zwischen 2011 und 2019 bei Ausgrabungen gefunden. Komplett waren sie allerdings nicht erhalten, so dass die Archäologinnen lediglich aus den vorhandenen Scherben eine Rekonstruktionszeichnung für eine Neuproduktion anfertigen konnten. Randneigung, Höhe und Gefäßumfang sind dabei variabel. Auf Basis der Zeichnung konnten die Becher von spezialisierten Keramikern nun neu erstellt werden und warten auf ihren Einsatz auf dem Mittelaltermarkt.
Der Mittelaltermarkt findet von Montag, 21. November, bis Freitag, 23. Dezember, täglich von 11 bis 21 Uhr am Wittelsbacherplatz an der Brienner Straße statt. Am Eröffnungstag, Montag, 21. November, beginnt der Mittelaltermarkt um 17 Uhr.